LDN312: Wahlwiederholung in Hamburg 1993

Hallo @philipbanse , hallo @vieuxrenard,

vielen Dank erstmal für die informative Folge. Ich wollte noch kurz einen Fakt liefern, der meiner Erinnerung nach nicht in der Sendung vorkam: Es wurde schon mal eine Senatswahl für ungültig erklärt, nämlich die Hamburger Wahl von 1991 und das erst 1993. Grund war damals die Art und Weise, wie die CDU ihre Landesliste zusammengestellt hatte:

Ja, nur war das ja kein Fehler der Wahl als solcher, sondern der Union vor der Wahl. Aber wir können noch mal darauf hinweisen.

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Stimmt, als Argument zur Ehrenrettung der Berliner Verwaltung taugt die damalige Wahlwiederholung nicht. Und ihr habt wenigstens nicht behauptet, dass es so einen Vorgang noch nie in der deutschen Geschichte gab, wie etwa die SZ in ihrem Artikel vom 16.11. (Link zum Artikel)

Aber ich wollte euch hier auch nicht wieder sprechen sondern auf die Unterschiede und Details der damaligen Entscheidung hinweisen:

  1. Damals wurde per Gerichtsanordnung die Bürgerschaft sofort aufgelöst, was meines Wissens nach jetzt nicht passiert ist.
  2. Als wesentliches Argument reichte es damals, dass die Aufstellung der Landesliste im wesentlichen durch die Parteispitze vorgegeben wurde. So was ist gefühlt aber heute Gang und gebe.

Ich frage mich daher schon ein bisschen, ob die Demokratie in die letzten Jahrzehnten nicht doch ein wenig „abgeschliffen“ wurde.

So weit ich mich erinnere, war das wesentliche Argument nicht, dass die Parteispitze ihre Wunschkandidaten vorgegeben hat, wie es tatsächlich immer noch gang und gäbe ist, sondern dass durch das Blockwahlsystem Gegenkandidaturen praktisch so gut wie unmöglich waren.

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Naja ich würde sagen, der Mechanismus, dass die Parteispitze die Kandidaten irgendwie vorgibt ist damals wie heute da. Aber damals hat sich die CDU mit der Blockwahlliste juristisch angreifbar gemacht.

Heute hört man dagegen von jedem Parteitag, dass jeder Delegierte, der nicht nach dem Wunsch der Parteispitze abstimmt, nichts mehr in der Partei wird.

Also quasi der gleiche Mechanismus aber ohne schriftliche Beweise. Meine Meinung.

Jein. Natürlich hat sich bei allen größeren, erfolgreichen Parteien durchgesetzt, dass der Parteivorstand Kandidaten präsentiert, und diese in aller Regel auch gewählt werden. Wenn man mit Verteidigern dieses Systems spricht, dann begründen die das auch, nämlich dass da keineswegs der Vorsitzende im stillen Kämmerlein seine persönlichen Buddies nominiert und am Ende niemand sich traut aufzumucken, sondern dass das ein kompliziertes Management erfordert, damit alle existierenden Gliederungen, Parteiflügel, Minderheiten und sonstigen Parteisegmente sich am Ende angemessen vertreten fühlen.

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen und unterscheidet sich auch je nach politischer Kultur von Partei zu Partei, aber wichtig ist: Wenn der Parteivorstand dieser Aufgabe nicht gerecht wird, und bspw. eine parteiintern weithin respektierte Persönlichkeit aus persönlicher Antipathie übergeht, dann gibt es für diese Person die realistische Chance, z.B. einen vermeintlich „schwachen“ Kandidaten auf der Liste herauszufordern und dieses Duell dann auch zu gewinnen. Und genau das war eben in der damaligen Hamburger CDU nach Ansicht des Verfassungsgerichts nicht gegeben.

Aus eigener Anschauung einer weniger erfolgreichen Partei, die sich u.a. auf die Fahne geschrieben hatte, genau das anders und „demokratischer“ zu gestalten, und „echte“ Wahlen mit offenem Ausgang durchzuführen, kann ich übrigens sagen, dass genau das zum Problem werden kann, wenn der Parteiflügel, der gerade auf der Versammlung zufällig stärker vertreten ist, eine Art Durchmarsch macht und am Ende mit seiner Mehrheit alle wichtigen Posten besetzt. Dann ist die unterlegene Seite verärgert, nicht für den Wahlkampf motiviert, schießt teilweise in der Öffentlichkeit quer usw.

Auch für so etwas gibt es Beispiele aus den großen Parteien. So gab es hier im Nachbarwahlkreis in der SPD vor Jahren mal die Situation, dass auf einer Aufstellungsversammlung zur Bundestagswahl ein Vertreter des wirtschaftsnahen Parteiflügels sich in einer Überraschungskandidatur knapp gegen den amtierenden, beliebten, „linken“ Wahlkreisabgeordneten durchsetzte. Der linke Flügel verweigerte daraufhin den Wahlkampf und der bis dato immer von der SPD gewonnene Wahlkreis ging das einzige Mal an die CDU.

Kandidatenwahlen auf Aufstellungsversammlungen sind allerdings zwingend geheim abzuhalten.