LdN312 Digitale Zentralbankwährung „programmierbar“?

Hallo @vieuxrenard und @philipbanse,

es freut mich das Ihr das Thema aufgenommen habt und euch mit einem Profi dazu austauscht.

Spannend ist jedoch, das eines des essentiellsten Themen und Funktionen von digitalen Zentralbankwährungen weder von euch, noch von eurer Gesprächspartnerin angesprochen wurde.

Das von @philipbanse angesprochene Datenpaket, das in Zukunft quasi eine Euro Münze abbilden wird, ein sogenannter Coin, ist nicht mehr „dumm“! Ganz im Gegenteil durch den Übergang in die digitale Welt kann diesem Coin eine oder mehrere Funktionen übergeben werden. Er ist programmierbar. Das ist einer DER Hauptaspekte von digitalem Zentralbankgeld. Das ist auch keine Frage der Ausgestaltung, sondern des rechtlichen Rahmens wie diese neue Möglichkeit genutzt wird.
Diese sind Segen und Fluch zugleich.

Ich beschreibe euch ein paar Szenarien die theoretisch Möglich sein werden.

1:) Eine Bank oder die Zentralbank selbst könnte den Coin „deaktivieren“ wenn er nicht in Besitz von jemanden ist der ihn von der Bank übergeben bekommen hat. Sagen wir ein Hacker verschafft sich Zugang zu Coins einer Bank. Diese könnte er nicht nutzen da die Funktion als Zahlungsmittel deaktiviert wurde.

2.) Man könnte Hartz IV Empfänger Digitale Euros geben die eine Nutzung von Spielautomaten verbietet. Kein Alkohol gekauft werden kann etc.

3.) Die EU könnte Ländern wie Ungarn digitale Euros geben die nur für bestimmte Ausgaben nutzbar wären.

4.) Digitale Euros im Besitz von Russland und China könnten für die Nutzung in Zugänglichen Bereichen deaktiviert werden.

5.) Der Bund könnte den Ländern oder Kommunen Ausgabengebundene Coins geben die nach 3 Monaten der nicht Nutzung verfallen und wieder frei für Neue Investitionen werden.

Ihr könnt euch selbst jegliches Szenario überlegen wie man Geld mit Optionen verknüpfen könnte. Im „Guten“ wie im „Schlechten“ es ist machbar!

Ja ich verstehe eure Bedenken bezüglich Anonymität und Datenschutz aber diese Möglichkeiten sind leider fast noch wichtiger, daher wundert es mich das es nicht angesprochen wurde. Über die Regulierung dieser Möglichkeiten muss man dringend reden.

Ich glaube das die Leute entweder noch nicht verstehen welche Möglichkeiten bestehen, oder das Sie genau verstehen welche Möglichkeiten damit bestehen. China weiß es mit Sicherheit!

Vielleicht könnt Ihr dazu nochmal nachlegen.

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Danke für den interessanten Hinweis! Kannst du dazu noch ein paar Quellen nachtragen? Mich würde zum Beispiel interessieren, ob das zwingend so sein muss, wie du es beschreibst, oder ob das nur eine Möglichkeit ist, je nach technischer Ausgestaltung.

Ich muss Vorausschicken das Ich meine Information auch auf Recherchearbeit stütze. Ich selbst bin nicht im Bankwesen oder Programmierer.

Schriftliches direkt zur Programmierbarkeit gibt es wenig und ist am Besten bei den Zentralbanken zu suchen. Die Zentralbanken unterteilen die CBDC´s in zwei Parts. „WholeSale“ und „Retail“. Also Interbanken und Endkundenverkehr. Darauf lag bisher der Hauptfokus in den Fragen welchen Typ man einführen will. Details tauchen zwar auf aber man bleibt sehr wage.

Ich kann am besten einen Podcast empfehlen der von Leuten betrieben wird die in diesem Bereich arbeiten und teilweise technisch sehr gut ins Details gehen. Da müßtet Ihr euch über mehrere Folgen durchhören, ist aber zum Thema Geldwesen sehr zu empfehlen.
Bitcoin, Fiat und Rock´n´Roll

Das Thema ist wie die technische Ausführung der Privatsphäre kein muss, aber technisch gegeben. Die Umsetzung und Regulierung muss beides in einen Rahmen der Verträglichkeit setzten. Man sollte sich nur bewusst sein was alles machbar wäre.

Aus Programmierersicht ist das gleichbedeutend mit „im Besitz eines beliebigen Staates“. Wenn sich die Verwendung für einen Staat sperren lässt, geht das auch für jeden anderen Staat. Damit wäre diese Währung für den internationalen Warenaustausch völlig wertlos.

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Alle diese Szenarien setzen für ihre Wirksamkeit voraus, dass es keine Möglichkeit gibt, digitales Geld gegen „klassisches“ Geld einzutauschen. So lange es also noch „richtiges Geld“ gibt, werden alle diese Optionen mit mehr oder weniger Aufwand aushebelbar sein.

Die Gefahr besteht natürlich, dass wenn eine digitale Zentralbankwährung „sauber“ (also ohne die von dir genannten Einschränkungen) eingeführt wird und Erfolg hat, dann erst das „klassische“ Geld abgeschafft wird, um dann die entsprechenden Einschränkungen zu implementieren. So gesehen besteht auch bei einer sauberen Einführung einer digitalen Zentralbankwährung Grund genug, vorsichtig zu sein (klassischer Fall von „Wehret den Anfängen“).

Um richtig zu bleiben eine kleine Detailkorrektur. Die von mir beschriebenen Coins heißen dann „Token“.

Im unten gelinkten Podcast werden auch technische Umsetzungsmöglichkeiten für die anonyme Nutzung besprochen.

Danke an @vieuxrenard und @philipbanse, dass sie das Thema beleuchtet haben. Aber ich habe in dem ganzen Themenblock irgendwie keinen Mehrwert für den Kunden raus hören können.

Das man den Einfluss Amerikas bei Zahlungsdienstleistungen begrenzen will, ist mir als alleiniges Argument zu dünn. Ich denke daher nicht, dass sich dieser „digitale Euro“ durchsetzen wird, solange es nicht irgendeinen Sachzwang gibt.

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Mhh, also nach den Erfahrungen mit Russland und den Versuchen, von China unabhängiger zu werden, sollten wir dieses Argument wirklich nicht zu gering bewerten. Die Ära Trump hat gezeigt, wie schnell eigentlich positive Beziehungen zu den USA in die Brüche gehen können. Und machen wir uns nichts vor: Wir sind massiv abhängig von den USA, technisch, wirtschaftliche und militärisch.

Durch eine digitale Zentralbankwährung die wirtschaftlich-technische Abhängigkeit zumindest dahingehend aufzulösen, dass wir eigene weltweit operierende Zahlungsdienstleister haben, ist in jedem Fall ein wichtiger und richtiger Schritt. Auch muss klar sein, wie viel Devisen dadurch, dass Visa und Mastercard weite Teile des innereuropäischen Zahlungsverkehrs managen, von Europa an die USA abfließen. Auch das spricht für einen eigenen Zahlungsdienstleister, egal, ob es sich dabei um eine digitale Zentralbankwährung oder einen traditionellen Zahlungsdienstleister handelt. Auf europäischer Ebene wurde aber schon vor zwei Jahren mehr oder weniger die Entscheidung gefällt, dass man hier eine digitale Lösung will (siehe European Payments Initiative).

Ich hoffe schon dass man sich der privaten Dienstleister entledigen kann. Das könnten die Banken aber glaub ich auch so machen. Sepa Instant und GiroPay funktionieren ja auch ohne Paypal und American Express :slight_smile:

Ich verstehe den Punkt.
Wie gesagt es gibt zweierlei CBDC Systeme. Wholesale und Retail. Uns Endkunden würde eigentlich nur die Retail CBDC betreffen. Wenn die Zentralbank mir im Auftrag des Staates Token als Kindergeld schickt, und diese nur für die Zahlungs an Krankenhäuser, Kita und Schule zulässt. Kann mit die Bank auch keine Münzen dafür geben.

Nicht ganz. Wenn die Kodierung einen Einsatz des Token für bestimmte Geschäfte nicht zulässt, muss nichts mehr umprogrammiert werden, das ist in der „DNA“ des jeweiligen Token integriert.

So eine starke Einschränkung wäre in unserem Rechtssystem wohl kaum zulässig. In deinen Beispielen geht es ja z.B. um Sozialleistungen - und von denen muss generell alles gekauft werden können, was man so braucht (Supermärkte usw.). Ein Ausschluss von „Geldspielautomaten“ ist eben eine andere Liga als die Einschränkung auf wenige Stellen, bei denen man die Token einlösen kann. Letzteres ist leicht technisch umsetzbar und nur über einen Schwarzmarkt halbwegs zu umgehen, ersteres wird immer sehr leicht zu umgehen sein. Außer natürlich, besagte Geldspielautomaten, Alkoholabgabestellen und andere problematische Dienstleistungen akzeptieren einzig und alleine die neue digitale Währung, aber dann wären wir auch wieder fast in 1984…

Kurzum: Unter dem Aspekt von „Wehret den Anfängen“ kann man das alles natürlich lang und breit ausdiskutieren, aber wir reden hier wirklich über eine weit entfernte, dystopische Zukunft. Von den von dir genannten Möglichkeiten halte ich nur die 1) für realistisch umsetzbar - und das ist nichts anderes, als Staaten schon heute machen („Vermögenswerte einfrieren und einziehen“).

Was ich übrigens für viel diskussionswürdiger halte ist der Ansatz der EU, dass sie die Intermediäre (also die Banken) weiterhin im System behalten wollen, also dass zwischen Zentralbank und Bürger/Unternehmen immer noch Banken aktiv wären. Das halte ich für einen technisch überflüssigen Anachronismus, der die Kosten massiv in die Höhe treibt und den wir vermutlich vor allem dem Lobbyismus der Banken zu verdanken haben. Ich hätte es bevorzugt, wenn man hier ein schmales System ohne ausufernden Banken-Sektor geschaffen hätte. Über die Einbeziehung der Banken wird das ganze Ding massiv aufgeblasen und es steht zu befürchten, dass Profitinteressen der Banken einen negativen Einfluss auf die ganze Sache haben könnten…

Du meinst man schafft eine Währung, die auf alle Zeiten, unabänderbar, in definierten Gegenden der Welt nicht einsetzbar ist? Was wenn sich die Beziehungen zu diesen Teilen der Welt irgendwann mal bessern? Ist dann die nächste Währungsreform fällig?

Diese Programmier-Features führen bei den Crypto-Coins übrigens immer wieder zu gewaltigen Problemen, warum sollte man das bei einem „EZB-Coin“ besser in den Griff kriegen?

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Wir können über technische Umsetzung aktuell nur spekulieren da es viele Möglichkeiten gibt. Fakt ist aber das für die Umsetzung einer digitalen Währung egal ob von Privat oder von den Zentralbanken auch neue technische Zahlungswege benötigt. Je nachdem wer diese zur Verfügung stellt wird darauf genauso zugreifbar sein wie auf Swift heute, denn ich bezweifle das hier jedes Land seine eigenen Dienstleister machen kann um digigtlale Euro zu verwerten!

Das kann gut sein das wir eine Retail CBDC in Deutschland und der EU entsprechende Richtlinien bekommen. Dann fehlen noch der Markt in anderen Ländern für die Nutzung von Euro oder wenn Länder digitale Euro als Devisen kaufen. Und es gibt ja nicht nur den digitalen Euro. Jede Zentralbank wird das früher oder später Umsetzen und eigene Währungen herausbringen. Manche haben das schon. Das ist keine rein Deutsche oder EU Sache!

Die Banken an sich wegfallen zu lassen, mit einer solchen Forderung wäre ich vorsichtig. Ja die Banken müssen besser reguliert werden und deren Handel mit diversen Sachen eingeschränkt werden, aber nur noch von einer staatlichen Institution mit programmierbarem Geld abhängig zu sein, damit wäre ich sehr vorsichtig.

Die Diskussion um Privates Geld hat schon einen Grund und genauso hat es einen Grund warum Staaten sich dieses Monopol nicht nehmen lassen wollen!

Genau genommen sind wir hier noch im Bereich der Anforderungsdefinition. Solche Fragen müssen geklärt werden, ehe auch nur die erste Zeile Code geschrieben wird.

Das war auch mein Gedanke. So ein wenig Begründung wäre gut , sagen wir es ist robuster wenn man keinen Single-Point-of-Failure hat oder es minimiert die Daten die an einem Punkt anfallen oder oder oder. Das Problem generell ist ja scheinbar das man nur Gedankenspiele hat , keine genauen Angaben was die Ziele sind oder gar wie man das umsetzen will.

Wir sind an einem sehr frühen Punkt in der Angelegenheit.
Das ist wichtig um katastrophale Auswirkungen zu verhindern macht die Diskussion aber sehr schwierig weil man mehr spekuliert als man Wissen hat.

Ich denke das is „Buzzwordbingo“. Es klingt gut is aber überflüssig.
Bis mir jemand vernünftige Beispiele bringt die nicht in die Entscheidungsfreiheit der Menschen eingreifen was sie mit ihrem Geld legal machen wollen eingreift, sage ich wenn die Überweisungen ala SEPA Instant in Minuten gutgeschrieben werden brauchen wir kein „programmierbares“ Geld.
Gibt uns vernünftige Schnittstellen für Software bei den verantwortlichen Geldinstituten und eine Garantie dass Überweisungen nicht tagelang im Nimbus schweben auch international und gut ist.

Wie heisst es so schön bei Startups und Einhörnern? Konzentrier dich auf eine einzige Sache und mach sie deutlich besser als die anderen.
Wer zu früh zu viel will, scheitert und das is meine Sorge mit der EU und EZB hier.

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Wir haben schon viele Währungen auf dieser Erde und es funktioniert auch mit Online Banking und Bankkartenzahlung. Die Notwendigkeit hier von Grund auf neu zu machen ist nicht sauber erklärt. Ein reines „brauchen wir weil die andern machen das auch“ ist für mich keine ordentliche Begründung :slight_smile:

Sorry das ich hier so Stückchen-haft antworte, aber noch ein Punkt zu dem Gedanken, Zahlung mit einem Digital-Euro zu begrenzen:
Es ist inhärente staatliche Aufgabe die Akzeptanz der eigenen Währung durchzusetzen, daher erscheint mir eine programmierbare Begrenzung der Akzeptanz quasi als Verletzung dieser Aufgabe.

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