Guten Tag zusammen,
unter Laufzeit 50 Minuten 30 Sekunden behauptete Herr Lindner, dass für Auszahlungen an die Bürgerinnen und Bürger die Bankverbindungen fehlen und diese Information nicht zeitnah verfügbar sei. Diese Aussage halte ich inhaltlich für Unsinn.
Infolge der Anschläge am 11. September 2001 in New York wurde im Jahr 2003 § 24c Kreditwesengesetz (KWG) eingeführt (Gesetzestext siehe § 24c KWG - Einzelnorm).
In der Datei nach § 24c KWG stehen unter anderem
- IBAN <=
- steuerliche Identifikationsnummer <=
- Tag der Kontoeröffnung
- Tag der Kontoschließung
- Vor- und Nachname
- Anschrift
Auf der Internetseite des Bundeszentralamt für Steuern (siehe BZSt - Steuerliche Identifikationsnummer) nennt die Behörde, welche Daten Sie wegen der steuerlichen Identifikationsnummer speichert. Dabei fällt mir auf, dass das praktisch die selben Daten sind, die auch in der Datei gemäß § 24c KWG gespeichert werden müssen. Unter anderem die Finanzbehörden haben Zugriff auf die Daten gemäß § 24c KWG und die Daten im Zusammenhang mit der steuerlichen Identifikationsnummer.
Wenn ich sehe, welche großen Datenmengen im Rahmen der Geldwäschebekämpfung vor 10 Jahren zusammen gefasst wurden (ich war lange in der Finanzdienstleistungsbranche tätig), kann ich nicht glauben, dass heute angeblich nicht die Daten aus § 24c KWG und steuerliche Identifikationsnummer zusammen gefasst werden können.
[START Exkurs]
ALLE Konten, Depots und Schrankfächer bei Kreditinstituten, die in Deutschland tätig sind, müssen mit Datum der Eröffnung und Löschung in der § 24c KWG-Datei enthalten sein. Nennt der Kontoinhaber dem Kreditinstitut seine so genannte Steuer-ID nicht, ruft das Kreditinstitut diese beim Bundeszentralamt für Steuern ab und hinterlegt diese Information in der Datei gemäß § 24c KWG. Aus der § 24c KWG-Datei geht hervor, ob es sich um ein Depot, Bausparvertrag, Kontokorrentkonto, Pfändungsschutzkonto nach § 850 k ZPO, Spareinlage, …… handelt. Hierdurch kann ausgeschlossen werden, dass die Zahlungen versehentlich auf ein Depot/in ein Schrankfach bzw. auf ein gelöschtes Konto geleistet wird.
[STOP Exkurs]
Gemäß Zahlungskontengesetz (im Jahr 2016 in Kraft getreten - Gesetzestext siehe https://www.gesetze-im-internet.de/zkg/ZKG.pdf) hat jeder volljährige Bürger und jede volljährige Bürgerin einen Rechtsanspruch auf einen Basiskontovertrag. Damit soll jede Verbraucherin und jeder Verbraucher über ein Girokonto verfügen können. Die Anzahl der Personen, die kein Konto hat, ist demnach überschaubar. Natürlich unterliegen Basiskontoverträge den Bestimmungen des § 24c KWG.
Für Minderjährige werden durch die Eltern sicher Konten (z. B. Spareinlagen) eröffnet. (Die steuerliche Identifikationsnummer wird bei Geburt vergeben.) Jugendliche, die sich in einer Ausbildung befinden, erhalten Ihre Ausbildungsvergütung in der Regel unbar auf ein Girokonto. Unselbständig Beschäftigte erhalten Ihre Bezüge in der Regel ebenfalls bargeldlos auf ein Girokonto. Bezieher von ALG I und ALG II bekommen das Geld grundsätzlich unbar auf ein Girokonto. Renten und Pensionen werden i.d.R. auf ein Girokonto ausgezahlt. Alle diese Konten unterliegen § 24c KWG. Hierdurch fehlen in der Datei gemäß § 24c KWG nur die Menschen, die KEIN Konto haben. Bezogen auf rund 84 Mio. Einwohner (Stand 06/2022) sollte dieses Dunkelfeld überschaubar sein.
Im Jahr 2020 wurden mittels des so genannten Kontenabrufverfahren insgesamt 1.014.704 Abfragen auf die Daten gemäß § 24c KWG durchgeführt (siehe Drucksache 19/26831 des Deutschen Bundestages - https://dserver.bundestag.de/btd/19/268/1926831.pdf). Das umgangssprachlich mit Steuer-ID bezeichnete Kennzeichen wird durch das Bundeszentralamt für Steuern vergeben und liegt dem Bundesministerium der Finanzen vor. Warum das Bundesministerium der Finanzen bisher nicht auf die Idee kam, sich die Bankverbindungen der Verbraucher:innen mittels der steuerlichen Identifikationsnummer aus der Datei gemäß § 24c KWG (diesen Datenbestand gibt es seit 19 Jahren) zu verschaffen, kann ich nicht beurteilen. Ist das möglicherweise die Kategorie „warum einfach, wenn es auch kompliziert geht“?