LdN308 Gaspreisbremse: Welche Grundlage gilt für die Abschlagszahlung?

Ich habe einige Aspekte in eurer Ausführung zum Thema Gaspreisbremse vermisst, vielleicht könnt ihr auf folgendes beim nächsten Mal eingehen:

  1. Verbrauch im September als Grundlage
    Mir erschließt sich nicht ganz, warum der Verbrauch im September als Grundlage genommen wird. Denn einerseits war es ein sehr warmer September und man musste gar nicht heizen. D.h. bis auf warmes Wasser fällt hier doch gar nichts an (vorausgesetzt man hat Öko-Strom). Andererseits habe ich,wie wahrscheinlich viele andere Geringverdiener:innen versucht, viel Gas zu sparen. Dank des warmen September ( und im übrigen Oktobers) ist mir das auch gelungen. Warum nimmt man nicht den Verbrauch im November oder Dezember als Grundlage. Ich verstehe, dass man verhindern möchte, dass einige Menschen erst Recht viel heizen, um davon zu profitieren. Allerdings ist das doch vor allem eine Frage der Kommunikation nach außen. Also ob man Mitte Oktober oder eben Mitte/Ende November verkündet, dass man den November als Grundlage nimmt. Jetzt mal hypothetisch gesprochen.
  2. Mieter:innen
    Ihr habt in eurem Beitrag von einer Gasrechnung gesprochen, die man im März bekommt. Das trifft aber z.b. auf mich gar nicht zu. Ich bekomme eine Abschlagszahlung vom Vermieter im Herbst. Muss der Vermieter dann die Direktzahlung an mich abgeben oder wie soll das funktionieren? (…)

zu 1.:
Es wird nicht der exakte Verbrauch im September zu Grunde gelegt, sondern die Abschlagszahlung von September, welche typischerweise für alle Monate gleich ist (sofern der Versorger nicht unterjährig die Abschlagszahlung hochgesetzt hat). Es wird also ca. 1/12 deiner jährlichen Abschlagszahlungen übernommen.
Hintergrund für die Entscheidung auf die September-Zahlung ist, dass man keine Anreize schaffen will, dass Gasversorger die Abschläge bis Dezember noch kräftig erhöhen, damit sie mehr Geld vom Staat bekommen. Der September-Wert kann ja rückwirkend nicht mehr verändert werden.
zu 2.:
Typischerweise bekommt man einmal im Jahr von seinem Gasversorger (oder Vermieter/Hausverwaltung) eine Jahresabrechnung, in der der Verbrauch des vergangenen Jahres exakt abgerechnet wird. Auf Grundlage dieses Verbrauchs wird eine Abschlagszahlung vereinbart, so dass man seinem Gasversorger monatlich rund 1/12 der zu erwartenden Gesamtkosten überweist, um große Nachzahlungen bei der Abrechnung zu vermeiden.
Die Vorschläge der Gaskommission sehen vor, dass die Abschlagszahlung für Dez. 2022 vom Staat übernommen wird (Staat überweist direkt an Versorger, sodass letzterer das gar nicht erst beim Endkunden abbucht). Ab März sollen dann die Kosten für 80% des Verbrauchs auf 12 Cent je Kilowattstunde gedeckelt werden. Grundlage hierfür ist der Verbrauch, der für die im September 2022 geltende Abschlagszahlung zugrunde gelegt wurde (das ist nicht der tatsächliche Verbrauch aus dem September 2022, s.o.).

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Eure Ausführungen waren soweit für Eigenheimbesitzende verständlich und nachvollziehbar. Nur in einem Punkt habt ihr leider Verwirrung angerichtet: wird der Abschlag aus September 2021 oder der aus September 2022 herangezogen?
Bei 00:44:35 spricht Philip vom Jahr 2021, in seinem Tweet schreibt er aber von 2022. Auch in den verlinkten Unterlagen ist von 2022 die Rede.
Das Jahr 2022 heranzuziehen führt aber zu Verwerfungen: ich habe im Sommer meine Abschläge für Gas reduziert, angesichts der drohenden Firmenpleiten bei den Gasanbietern. Das war auch der Tenor der Verbraucherzentrale. Sie haben empfohlen, möglichst geringe Abschläge zu zahlen und den Rest und mehr aufs eigene Sparbuch einzuzahlen.
Kann das eine sachkundige Person der Community aufklären?

Der Vorschlag der ExpertInnenkommission Gas bezieht sich auf Werte von September 2022 (hier deren Zwischenbericht).
Aber das sind bislang alles nur Vorschläge, die Politik kann hiervon natürlich abweichen. Für die konkrete gesetzliche Ausgestaltung gibt es noch keinerlei Entwürfe.

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Das ist leider Pech. Damit wird dir im Rahmen der Gaspreisbremse ein künstlich niedriger Normalverbrauch zugewiesen.

Das stimmt natürlich. Bei Holger Klein hat einer der Experten (Christian Beyer, Quelle) aber erklärt, dass zumindest der Abschlag für den Dezember quasi sicher ist, da den Energieversorgern von der Bundesregierung das zugesichert worden ist.

Denn nur so wären die bereit „in Vorleistung“ zu gehen, was die ganze Verrechnerei und so angeht, denn die können nicht von heute auf morgen mal einen Abschlag von einem anderen Konto abbuchen.

Mal ein Beispiel, was für Tücken die ganze Verrechnungsnummer haben kann:

Meine Wohnung hängt an einem Fernwärmenetz, das aus 3 KWK-Kraftwerken gespeißt wird. Ein Kraftwerk verheizt Kohle, eines Gas und eines scheinbar Holz. Na super… :smiley:

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Ein Thema, welches bisher nicht erörtert wurde, ist eine Benachteiligung der Mieter mit Ölheizung. Auch der Ölpreis hat sich verdreifacht. Dies kann für Mieter mit geringen Einkommen zu finanziellen Schwierigkeiten führen. Hier hätte ich mir eine Betrachtung zur Gerechtigkeit der staatlichen Subventionen gewünscht.

Habe irgendwie noch einen Missing-Link bzgl. der 2. Stufe ab März 2023. Wir haben einen Fix-Gaspreis bis Mitte 2023, so dass unser Gaspreis im März unter 0,12 liegen wird. Wie berechnet sich denn dann Direktzahlung im März?

Möglicherweise gar keine Zahlung in dem Fall, da dann in diesem Winter die Heizkosten nicht höher sind als politisch als „akzeptabel“ bestimmt wurde. (12 Cent)

Das ist dann immerhin eine zielgerichtete Entlastung je nach Preis (aber nicht nach finanzieller Bedürftigkeit).

Dem entgegenzusetzen wäre vielleicht langfristig der fehlende Anreiz, sich mit langen Laufzeiten oder Preisgarantien gegen steigende Preise zu „versichern“. („Der Staat rettet mich, wenn die Preise steigen.“)

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(…)

Der Gaspreis vor dem Krieg war in Deutschland durchschnittlich 6,81 ct/kWh. Die Kommission schlägt vor, diesen für 80% des Vorjahresverbrauchs aus 12 Cent zu deckeln, weil sie aus der Hüfte geschossen glaubt, dass das der neue „normale“ Gaspreis sein wird sobald sich die Verwerfungen gelegt haben werden. Das heißt, selbst wenn man 20% Gas spart, wird man als Durschschnittsverbraucher grob 40% mehr bezahlen.

Diesbezüglich habe ich auch noch eine offene Frage: Kann der Versorger die Preise nachträglich erhöhen? Wir haben von unserem Fernwärme-Provider noch nichts gehört, dass heißt wir zahlen weiterhin unseren alten Preis. Erst wenn er uns über neue Preise informiert wird ein mal abgelesen und ab da. Wird es dann teuerer, oder?

Vielen Dank für die Erläuterung, die haben mir auf jeden Fall geholfen, das Thema besser zu verstehen. Aber ein Aspekt wundert mich nach wie vor: es wirkt auf mich etwas verfälschend, die Wintermonate November und Dezember gar nicht zu berücksichtigen. Warum wird bei der Ermittlung der Durchschnittswerte nicht der Zeitraum von Oktober 2021 bis September 2022 berücksichtigt? Hat die Expertenkommission sich hierzu geäußert? So könnte man ja auch dem Mitnahmeeffekt entgegen wirken, weil an vergangenen Werten lässt sich ja nichts ändern. Außerdem wäre das womöglich ein wesentlich realistischeres Ergebnis, weil hier Winter-/Herbstmonate vor Beginn des Krieges berücksichtigt werden würden.

Ps wie kommt Ihr auf einen Gaspreis von 0,30 €/kWh? Der Alltime-High auf dem Spotmarkt für Ergas war bei 0,276 €/kWh. 30 ct zahlen höchsten Leute in Verträgen ohne Laufzeit.

Gasverschwendende Haushalte werden mit der Gasrechnungsbremse belohnt?
(…)

Viele Mietzahlende haben bislang wenig Einfluss auf ihre Heizkosten, denn Dämmung oder fancy Technik wie Solar oder Wärmepumpe zahlen Vermietende, Heizkosten tragen Mietende. Gerade Menschen in älteren, schlecht isolieren Wohnungen dürften Menschen mit geringem Einkommen sein.

Darum wäre zB die qm-Zahl der Wohnung als Grundlage der Rechnungsbremse ungerecht.

Die Wintermonate werden berücksichtigt.
Deine monatliche Abschlagszahlung wird anhand einer Jahresabrechnung festgesetzt. In letzterer rechnet dein Versorger (möglicherweise auch die Hausverwaltung in einem Mehrfamilienhaus mit zentralem Anschluss) anhand der abgelesenen Zählerstände genau ab, wie viel übers gesamte vergangene Jahr (also auch im Winter) verbraucht wurde.
Auf Grundlage dieses Jahresverbrauchs und den Kosten je kWh wird die Abschlagszahlung für das kommende Jahr festgelegt. Bei der Festsetzung der neuen Abschlagszahlung sind zwei Größen maßgeblich. Einerseits die Entwicklung des Gasverbrauchs im Vergleich zum vorangegangen Abrechnungszeitraum. Wenn du im letzten Jahr mehr Gas verbraucht hast, wird idR angenommen, dass du auch im kommenden Jahr einen höheren Verbrauch haben wirst. Und andererseits der Preis je Verbrauchseinheit. Meines Wissens dürfen Gasversorger den Preis nicht zwischen den Abrechnungen erhöhen. Aufgrund der deutlich gestiegenen Beschaffungskosten der Energieversorger erhöhen diese jetzt nach und nach auch die Preise für ihre Endkunden.
In welchem Monat genau die Jahresabrechnung erfolgt, hängt vom konkreten Vertrag ab.
Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, hat die Kommission vorgeschlagen, dass die vom Staat die Abschlagszahlung übernommen wird, die im September gegolten hat (wenn zwischenzeitlich keine Abrechnung oder Preisanpassung stattgefunden hat, ist das die gleiche wie im Dezember).

Wer nach wie vor noch geringere Gaspreise zahlt, weil sie bislang (bzw. bis September) noch nicht erhöht worden sind, der bekommt damit auch weniger Geld vom Staat (hat dafür ja aber auch nicht so hohe Kosten gehabt).

Wobei generell für besondere Situationen auch Lösungen her müssen.

Beispiele:

  • Was ist mit Menschen, die erst im Oktober in eine Wohnung mit Gasheizung eingezogen sind?
  • Was ist mit Wohnungen, die in der Vergangenheit weniger geheizt werden mussten (z.B. bei unserer WG der Fall: Eine viel-heizende Mitbewohnerin war letztes Jahr über den Winter im Auslandssemester in den USA, der Rest von uns heizt kaum. Folglich war der Heizkostenabschlag bei 45/Euro im Monat auf einer 118m²-Wohnung, also extrem niedrig. Jetzt ist die Mitbewohnerin aber wieder zurück und heizt wieder ihren Ansprüchen nach, daher: Ihr Zimmer, die Küche, das Badezimmer, das Wohnzimmer - alles muss stärker geheizt werden als es für die drei Männer bei uns nötig wäre).
  • Die WG-Situation ist auch für alle Fälle denkbar, in denen ein Paar in die Wohnung des „Unempfindlicheren“ zusammen zieht, wodurch die Heizkosten sich nun nach der „empfindlicheren“ Person richten.

Es sollte für solche Fälle meines Erachtens ein Mindestwert festgelegt werden, der für das Heizen normal ist. Zum Beispiel 1 Euro / Monat pro Quadratmeter Wohnfläche. Der Wert ist schon niedrig angesetzt. Sonst werden Menschen, die vorher schon extrem sparsam waren, einfach massiv benachteiligt, statt sie, wie angemessen, zu belohnen.

Der „Normalverbrauch“ stützt sich nach derzeitigem Vorschlag auf den Abschlag aus September 2022. Damit ist es egal, dass eure Mitbewohnerin im September 2021 nicht da war (sofern ihr den Abschlag wieder nach oben angepasst habt).

Die Kommission hat ja nur ein Modell vorgelegt und keinen Gesetzestext geschrieben. Allerlei Sonderfälle werden im Zuge der Gesetzgebung (oder Verordnung) wohl bedacht werden.

Wenn der Abschlag frühzeitig wieder angepasst worden wäre, ja.

Die Heizkostenabrechnung aus dem Juni 2022 war für den Zeitraum März 21 bis einschließlich Februar 22. Wegen des geringen Verbrauchs in diesem Zeitraum - wegen Abwesenheit der kälteempfindlichen Mitbewohnerin - wurde der Abschlag - nach einer massiven Rückzahlung von entstandenem Gutachten - massiv reduziert (auf besagte 45 Euro pro Monat bei 118 m²). Im Zuge der Gaskrise wurde dann der Abschlag zum Oktober (also einen Monat zu spät) zumindest auf 100 Euro angehoben.

Nach dem Vorschlag der Kommission würden wir nun quasi leer ausgehen, weil der Abschlag im September diesen Jahres bei 45 Euro lag, was für 118 m² offensichtlich viel, viel, viel zu niedrig ist und nur durch den partiellen Leerstand erreicht werden konnte. Im Prinzip werden wir daher dafür bestraft, dass wir im Vorjahr extrem wenig geheizt haben, was wir wegen der geänderten Umstände (Rückkehr der Mitbewohnerin) dieses Jahr unmöglich wieder tun können. Wir fallen quasi durch’s Raster.

Daher sage ich, es sollte ein theoretischer Mindestverbrauch von 1 Euro / m² angesetzt werden, wenn der tatsächliche Verbrauch im Vorjahr auf Grund von geänderten Umständen extrem niedrig war.

Liebe Lage der Nation,
wie ihr in Eurer letzten Podcast Folge bereits berichtet habt, gibt es in Deutschland das große Problem, dass der größte Teil der Gebäude über alte Heizungssysteme verfügt. Genauer gesagt ist das Problem, dass diese Heizungen (meist Gas, an zweiter Stelle Öl) nicht energiesparend eingestellt sind weil sie a) bei der Herstellung nicht die Energieeinsparung zum Ziel hatten und b) nicht digitalisiert sind. Bisher war es so, dass Eigentümer eine Entscheidung zur Modernisierung des Heizungssystems oft nicht treffen weil das einfach mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Bei Wohnbaugesellschaften und Öffentlichen Institutionen geht es um Investitionen teilweise im Millionenbereich. Zumindest das Digitalisierungsthema kann man jedoch mittlerweile durch neue Technologien lösen: es gibt fertige IoT-Lösungen auf dem Markt, die es ermöglichen, dass durch datenbasierte Transparenz im Heizungskeller diese Gebäude bis zu 30% Energie sparen ohne den Komfort des Bewohners einzuschränken. D.h.: durch das Nachrüsten von Sensorik und der entsprechenden Software erkennt ein Verwalter erstmals, dass seine Heizung völlig falsch eingestellt ist (z.B. die Nachabsenkung ist nicht aktiviert). Das macht alte Heizungen, die bisher eine völlige Blackbox für den Eigentümer waren, plötzlich energieeffizient. Die Technologie gibt es im deutschen Markt und könnte einen wesentlichen Beitrag in der Energiekrise noch diesen Winter leisten. Die entsprechende Sensorik ist im Heizungskeller im laufenden Betrieb innerhalb von 30 Minuten installierbar. Ein Anbieter dafür ist die Firma Juconn mit ihrem Produkt Immoconn (www.Immoconn.de); es gibt auch einen Artikel in der SZ dazu. Der schnelle Roll-Out scheint jedoch mal wieder an der Trägheit und Bürokratie deutscher großer Unternehmen zu scheitern.

Viele Grüße
Christian