LdN305 Vorratsdatenspeicherung

Frage: Wenn die Provider alle keine IP-Adressen mehr speichern, warum gibt es dann die Abmahnindustrie noch?

Die müssen doch auch weiterhin gegen die ganzen Raubmordkopiererterroristen vorgehen können?

Die Provider speichern durchaus noch, nur meistens weitaus weniger lange, als sie mit VDS müssten. Die Abmahnindustrie arbeitet inzwischen recht schnell und kann daher die Inhaber:innen der IPs oft rechtzeitig abfragen (und dann abmahnen).

1 „Gefällt mir“

Exakt.
Ich kann da aus eigener Erfahrung berichten. Wir wurden 2017 das letzte Mal abgemahnt und bei der Abmahnung war auch der Beschluss des Verwaltungsgerichts enthalten, mit dem beim Provider die Ermittlung der IP erzwungen wurde. Ich müsste mal die alten Unterlagen wieder raussuchen, um den genauen zeitlichen Ablauf zu sehen, aber es ging in jedem Fall verdammt schnell.

(und nein, die haben von mir keinen Cent bekommen, was einer der Vorteile ist, in einer Wohngemeinschaft zu leben… bis zum gerichtlichen Mahnverfahren (kurz vor der Verjährung) haben sie es noch mit ständigen Drohschreiben versucht, das gerichtliche Mahnverfahren war das letzte Aufbäumen der Drohkulisse… nach dem Widerspruch gegen die Forderung im Mahnverfahren war die Sache dann erledigt, weil Waldorf-Frommer (heute „Frommer Legal“) genau wusste, dass sie auf dem Klageweg keine Chance haben)

Generell wäre das Thema Abmahn-Industrie auch mal gut für ein „Lage Spezial“. Die Abmahn-Industrie agiert wie oben schon gesagt mit massiven Drohkulissen und der Hoffnung, dass ein hinreichend großer Teil der Abgemahnten sich davon beeindrucken lässt und zahlt (oder sich dumm äußert und dann erfolgreich verklagt werden kann). Besonders übel ist mir bei Waldorf Frommer damals aufgestoßen, dass ständig Passagen aus Gerichtsurteilen ohne Kontext verwendet wurden, um einen falschen Eindruck bezüglich der tatsächlichen Rechtslage (z.B. zum Thema Störerhaftung in einer Wohngemeinschaft) zu erzeugen. Die dort verwendeten Methoden sind schon wirklich in der tiefsten Dunkelgrau-Zone zwischen „gerissenem Anwalts-Verhalten“ und schlichtem Betrug zu lasten der i.d.R. juristisch wenig gebildeten Adressaten, die oft die zusätzlichen Kosten eines eigenen Rechtsanwalts scheuen…

1 „Gefällt mir“

Vielen Dank für den Erfahrungsbericht!

Das müsste das Landgericht gewesen sein, vgl. die Rechtsgrundlage für diese Datenabrufe:

https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__101.html

Dort Absatz 9:

(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.

1 „Gefällt mir“

Korrekt, hab die Unterlagen nochmal rausgeschaut.

Der zeitliche Ablauf war:

Angeblicher Download am 27.01.2017. (Freitagabend)
Antrag eingegangen beim LG Düsseldorf am 30.01.2017. (Montag)
Beschluss des LG Düsseldorf am 07.02.2017 (per Fax bei Waldorf Frommer eingegangen am 08.02.2017 kurz nach 8)
Erstes Schreiben von Waldorf Frommer datiert auf den 10.02.2017.

Zwischen angeblichem Download und dem ersten Drohschreiben lagen also genau zwei Wochen.

Man könnte böse sagen, dass es schon faszinierend ist, wie schnell Anwälte und Gerichte plötzlich arbeiten können, wenn große Unternehmen die Geschädigten sind.

In jedem Fall ist zu sehen, dass schon 2017 die Abmahnindustrie ohne jeden zeitlichen Verzug gehandelt hat. Die brauchen definitiv keine Vorratsdatenspeicherung.

1 „Gefällt mir“

Brauchte man dazu nicht sogar einen Richter, der den Zugriff auf die Vorratsdaten erlaubte?

1 „Gefällt mir“

Also über die Freigabe meiner IP-Zuordnung hat eine Zivilkammer des LG Düsseldorf entschieden, also drei Richter. Ich wage aber zu behaupten, dass es ähnlich läuft wie bei Durchsuchungsbeschlüssen:

Die landen auf dem großen To-Do-Stapel und wenn überhaupt, wird mal kurz überflogen, in der Regel aber direkt die Unterschrift drunter gesetzt und gut ist. Daher: Ebenso wie die Richter darauf vertrauen, dass die Staatsanwälte schon keine völlig absurden Durchsuchungsbeschlüsse erwirken, vertrauen die Richter vermutlich auch darauf, dass die „üblichen Verdächtigen“ der Abmahnkanzleien nur in Fällen handeln, in denen sie auch Vertretungsberechtigt sind und ein Filesharing durch besagte IP vorlag. Alles andere würde bei der gegenwärtigen Arbeitsbelastung der Gerichte leider auch nicht funktionieren.

Das ist kein toller Zustand (und führt sicherlich auch in Ausnahmefällen mal zu ungerechten Ergebnissen, z.B. Grotes Pimmel), aber irgendwo ist es auch logisch, dass nicht für jede IP-Ermittlung die Arbeitskraft von drei Richtern am Landgericht gebunden werden kann, auch wenn das vielleicht sogar die Intention des Gesetzgebers war. Es ist halt einfach nicht praktikabel.

Das große Risiko, worauf du vermutlich hinaus willst, ist natürlich, dass diese Arbeitsweise auch bei relevanteren Verfahren als Urheberrechtsverletzungen (z.B. Quick Freeze beim Verdacht schwerer Straftaten) zum Einsatz kommt. Um das zu verhindern muss der Gesetzgeber meines Erachtens aufpassen, dass er den „Quick Freeze“ wirklich nur für schwere Straftaten zulässt, da andernfalls die Gerichte auch mit diesen Anfragen überflutet würden und wieder - aus reiner Praktikabilität - gar nicht in der Lage wären, die einzelnen Anfragen auch wirklich zu überprüfen.

1 „Gefällt mir“