LdN305 Vertrauensarbeitszeit / Urteil zur Arbeitszeiterfassung

In meiner Firma haben wir auch Vertrauensarbeitszeit. Wir sind aufgefordert selbst für ein ausgeglichenenes „Stundenkonto“ zu sorgen. In der Projektplanung werden die aber natürlich nicht berücksichtigt. Beim nächsten Projekt wird wieder davon ausgegangen, dass bei den letzten Projekten ja immer alles geklappt hat. Unter welchem persönlichen Einsatz usw. wird da gerne mal vergessen. Einige Kollegen haben 250+ Überstunden in ihren Exceltabellen stehen. Und wenn man fragt, warum die nicht jeden Freitag einfach mal weg bleiben kommt zurück, dass es ja irgendwie weitergehen muss. Das Urteil würde genau diese Leute schützen. Denn wenn es erstmal in einer Datenbank bei der Personalabteilung auftaucht, müssen sie wegen dem Arbeitzeitschutzgesetz handeln. Entweder sie stellen mehr Leute ein oder machen einfach weniger Projekte und planen mehr Reserve ein.

In der Diskussion wurde ja auch viel auf die Overachiever die mit weniger Arbeitszeit die Erwartungen an ihre Leistung erfüllen geachtet. Bei uns ist es so, dass ich dann halt mehr Aufgaben bekomme. Ich hab also im Prinzip gar keine Vertrauensarbeitszeit. Ich habe Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit und muss oben drauf meine rechte als AN bezüglich Überstunden usw. noch selbst einfordern und durchsetzen. Die Leute, die in z.B. 30h mit der ihnen zugewiesenen Arbeit fertig sind können ja in Zukunft einfach auch nur für 30h angestellt werden, aber weiter das volle Gehalt bekommen. Schließlich war die bisher gleistete Arbeit der Firma ja auch schon dieses Gehalt wert. Von daher sehe ich das Problem nicht.

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Ich finde die Wahrnehmung hier insgesamt etwas irritierend, dass die Mehrarbeit von Vertrauensarbeitszeit nur davon abhängt, ob ein MA gut oder schlecht arbeitet.
Es gibt extrem viele Unternehmen, die die Vertrauensarbeitszeit nutzen, um keine Überstunden zahlen zu müssen (siehe Statistiken unbezahlte Überstunden). Dabei wird einem MA immer mehr Arbeit übergeben, als er in der regulären Zeit schaffen kann, in der Erwartung, das die Arbeit erledigt wird. Dieser wiederum sieht sich durch das „Vertrauen“ in seine Arbeit angespornt gute Arbeit abzuliefern.
Da das in der Mehrheit der Fälle so abläuft und eher selten zugunsten der MA ausfällt, finde ich gut, dass insbesondere die Schwächeren durch solch ein Gesetz geschützt werden sollen. Denn darum geht es am Ende immer. Die Schwächeren einer Gesellschaft müssen geschützt werden. Wenn sich dadurch die Stärkeren ein wenig eingeschränkt fühlen, sollten sie ein wenig Mitgefühl entwickeln.

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Irritierend finde ich, dass Du offenbar die Beiträge in diesem Thread nicht gelesen hast, die genau davon handeln…

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Alex93 hat offensichtlich zeitgleich mit mir geschrieben. Den Kommentar konnte ich noch nicht lesen, als ich geschrieben habe.
Das Zitat von Q-Brick habe ich gesehen und es bezieht sich im wesentlichen darauf, dass durch Vertrauensarbeitszeit häufig Überstunden gemacht werden.
Meine Erweiterung bezieht sich auf das planmässige übersteuern der Arbeitgeber, das zu einer Unterbesetzung in Abteilungen führt und dem Unternehmen Geld sparen soll.
Ich will mich aber auch nicht mit dir streiten. Vielleicht siehst du meinen Kommentar nächstes Mal einfach etwas gewogener.

Haha… Glaubst Du ernsthaft, dass irgendein Arbeitgeber das so machen wird?

Das wiederum ist ein anderes Problem und liegt im Verhandlungsrahmen des AN. Wenn er demnächst wirklich 40h arbeitet und noch mehr Aufgaben schafft ist er ja auch mehr für das Unternehmen wert. Wenn das Unternehmen die zusätzliche Leistung nicht dementsprechend entlohnt würde ich mir als AN nen neuen Job suchen bei dem das gewürdigt wird. Am Ende kommt es doch darauf an, ob die Arbeit die jemand Leistet der Firma das Geld das er dafür bekommt wert ist oder nicht. Ob sie ihm das Geld für 30 echte Stunden Arbeit zahlt oder für 40 und er arbeitet dafür nur 30 Stunden tatsächlich spielt für die Firma keine Rolle. Aber alle sind ehrlicher zu einander.

Liegt vielleicht aber auch an mir. Ich vertrete schließlich auch die These, dass es besser ist 7 Personen auf 30h an zu stellen als 5 für 40h. Die 10 extra Stunden benötigt man für zusätzlich entstehende Absprachen aber dafür ist jeder in der Arbeitszeit deutlich Leistungsfähiger und im Falle eines Ausfalls werden 30h auf 6 andere verteilt anstatt 40 auf 4 andere Personen.

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Vertrauensarbeitszeit gibts nur, wenn ich - ganz im Vertrauen - Zugriff bekomme auf die Konten meines Arbeitgebers, weil ich am besten weiß, wie viel meine Zeit und mein Skills wert sind, Aber im Ernst: wie soll das gehen?
Als freier Journalist bekommt man einen Auftrag oder sucht sich ein Thema, das man fertig bearbeitet und zu Marktpreisen verkauft. Als Richter hat man eine Anzahl Fälle, die man zu bearbeiten hat. Schon da ist es schwierig; viele Delinquenten müssen aus der U-Haft entlassen werden, weil mangels Personal nicht rechtzeitig Anklage erhoben werden kann. In der sog. freien Wirtschaft werden Millionen Überstunden geleistet und nicht bezahlt, aber eben auch nicht abgefeiert (she. www.welt.de vom 19.04.2019 und weitere Stichworte bei google oder auch Zahlen des DGB)…
Im Normalarbeitsverhältnis kenne ich Vertrauensarbeitszeit - seit 15 Jahren als Betriebsrätin mit Arbeitszeit beschäftigt - gar nicht. Die Gefahr dabei ist, dass damit „Normalarbeitsverhältnisse“ immer weiter in Projektarbeit zergliedert werden und die Beschäftigten alles selber organisieren müssen: Liefern die Kollegen die Teilergebnisse rechtzeitig zu, kriegen wir die Projektmeetings rechtzeitig zusammen etc.? D.h. das unternehmerische Risiko wird dem Arbeitnehmer aufgebürdet, aber nicht bezahlt. Und wenn er Pech hat, hat er für die konzipierte Dauer des Projekts nur einen befristeten Arbeitsvertrag und muss sich immer wieder neu bewerben. Also: ganz neue Organisation der Arbeitsverhältnisse oder lieber zurück zum Normalarbeitsverhältnis mit großzügiger Gleitzeitregelung! Die Freiheitsbestrebungen und die Selbstverantwortung lassen sich sowieso nicht mehr zurückdrehen.
Grüße von Sabine

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