Und das ist letztlich der Kern der Problematik.
Grundsätzlich schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Rahmen eines Arbeitsvertrages nur die Arbeitsleistung in Zeitstunden und kein bestimmtes Ergebnis. Faktisch unterscheidet sich die Qualität und Quantität der in einer Stunde geleisteten Arbeit aber erheblich.
Deshalb stehen Arbeitnehmer, die deutlich schneller als ihre Kollegen arbeiten, im Kollegenkreis auch eher schlecht dar - wodurch den Leistungsträgern relativ schnell klar gemacht wird, „die Sache doch mal langsamer anzugehen“.
Denn andernfalls wird für die langsameren Kollegen der indirekte Zwang ausgeübt, dass diese genau so viel schaffen müssen, wie besagter leistungsstarker Arbeitnehmer. Und um das zu schaffen werden dann „freiwillig“ (besser: aus Angst, sonst langfristig gekündigt zu werden oder zumindest keine Chance auf Beförderungen zu haben) Überstunden geleistet.
Kurzum: Arbeitnehmer machen (nicht abgesprochene, nicht dokumentierte) Überstunden, um den Anschein zu erwecken, leistungsfähiger zu sein, als sie eigentlich sind.
Eine genaue Dokumentation der Arbeitszeiten soll das verhindern, sodass die Arbeitgeber im Idealfall ein realistisches Bild vom innerhalb dieser Arbeitszeit zu bewältigenden Workload bekommen.
Das Problem im gegenwärtigen Modell ist halt, dass es sowohl für die Leistungsstarken als auch für die Leistungsschwachen aus unterschiedlichen Gründen doof ist. Die Leistungsstarken haben keinen Grund, sich besonders in’s Zeug zu legen und müssen sich teilweise gezielt zurücknehmen und langweilen sich im schlimmsten Fall, während die Leistungsschwachen durch den Leistungsdruck gestresst werden und im schlimmsten Fall undokumentierte Überstunden schieben.
Vertrauensarbeitszeit löst das Problem der Leistungsstarken, weil diese dann tatsächlich ihre Arbeit schneller durchziehen können - vor allem im Home Office (bei festen Arbeitsplätzen gibt es immer noch das Stigma, das Büro zu spät zu betreten und zu früh zu verlassen…), verschärft aber das Problem der Leistungsschwachen (wenn der To-Do-Stapel immer größer wird macht man halt eher undokumentierte Überstunden, als dem Chef zu sagen, dass man mit dem Workload überfordert ist…).
Eine strikte und hinreichend zuverlässige Arbeitszeiterfassung hingegen wird die Leistungsstarken in die Langeweile treiben und die Leistungsschwachen entblößen. Ob das besser ist, wird natürlich unterschiedlich bewertet.