LdN304 Erlösobergrenze Solar- und Windstrom trifft vier grundverschiedene Gruppen

Ich halte die Diskussion um die Erlösobergrenze für etwas zu unterkomplex, da immer pauschal von „Solar und Windstrom“ gesprochen wird, dabei gibt es alleine für Deutschland schon vier grundverschiedene Gruppen, die unter diesen Oberbegriff fallen und komplett unterschiedlich zu betrachten sind, diese sind:

  1. Die mit Abstand größte Gruppe sind praktisch alle kleinere und viele ältere „Großanlagen“, die in der EEG Förderung sind und eine feste Einspeisevergütung bekommen.
    Für die ändert sich nichts. Allerdings wird der Bund sehr sicher die Erlösobergrenze so festlegen, dass die Einnahmen aller Anlagen im EEG auch für alle Vergütungen ausreicht, sonst muss die EEG bald wieder eingeführt werden.

  2. EEG-Anlagen die älter als 20 Jahre sind und keinen Anspruch auf EEG-Vergütung haben.
    Diese müssen ihren Strom über den Spot-Markt verkaufen. Sie haben tatsächlich fast keine Kosten (außer Lastgangzähler, Buchhaltung und Vertrag mit Stromvermarkter), da die eigentliche Anlage abbezahlt ist.
    Die trifft die Erlösobergrenze je nach Größe unterschiedlich hart, da die Festkosten (Zähler, Vermarktung, Buchhaltung) praktisch unabhängig von der Anlagengröße sind. In der Gruppe der Anlagen >20 Jahre älter sind vor allem Kleinanlagen in der Größe <10 kWp zu finden, die mit 900 kWh/kWp weniger als 9000 kWh Strom erzeugen, um ca. 1.200-1.500 €/a Festkosten zu decken.
    Maximal 18 Cent/kWh bedeutet für solche Anlagen, dass unter ca. 7,4 kWp faktisch kaum ein Weiterbetrieb als Einspeise-Anlage sinnvoll ist.

  3. Relativ neue und große Anlagen, die in den letzten Jahren gebaut wurden und die in der / dem „Direktvermarktung/Marktprämienmodell/Auktionsmodem“ sind.
    Die haben mit Kosten (Abschreibung und laufende Kosten) von etwa 6-9 Cent gerechnet (je nach Baujahr, Größe usw.).
    Bei denen schlägt die Erlösobergrenze zu. Wenn wir jetzt von den Stromerlösen exemplarisch 8 Cent Kosten abziehen, macht das nach der Erlösobergrenze von 18 Cent, 10 Cent Rohgewinn.
    Ohne Erlösobergrenze wäre über den Winter ein Strompreis von 60-80 Cent möglich (Siehe eex Futures Futures)
    Das wäre also ein Rohgewinn von 52-72 Cent.
    Das entspricht einer effektive Steuer von 80-86%.
    Spontan fällt mir keine einzige Branche und kein Wirtschaftsbereich ein, der in der Herstellung auch nur ansatzweise so hoch „besteuert“ wird

  4. Anlagen, die jetzt neu gebaut werden.
    Durch steigende Baupreise und Zinsen liegen die Kosten für das Errichten von PV und WKA heute und in naher Zukunft massiv höher als in den letzten Jahren. Alleine der jetzt etwa 4% höhere Kreditzins für PV Anlagen im Vergleich zu 2020 sorgt für etwa 2 Cent/kWh. In diesem Umfeld das Vertrauen in die Preisbildung und die Verlässlichkeit bestehender Lieferverträge zu untergraben ist Gift für das Investitionsklima.

Persönlich halte ich das Deckeln von Preisen in einer Marktwirtschaft für ein Unding und das nachträgliche Einführen solcher Regeln in bestehende Verträge für mehr als fraglich.

Was aus meiner Sicht allerdings extrem kritikwürdig scheint, ist die Tatsache dass es bisher In keinem EEG eine Obergrenze gab/gibt. Hätte der Gesetzgeber hier vorausschauender gehandelt und von Anfang an klarere Rahmenbedingungen gesetzt, wären wir garnicht erst in diese Situation gekommen

Erstmal sorry für die späte Antwort, habe den Thread gerade erst entdeckt :slight_smile:

Grundsätzlich ja, aber in diesem Fall zieht das Argument nicht.
Angenommen, eine Preis-Obergrenze würde eingeführt. Diese würde nahezu zwangsläufig mehr oder weniger knapp höher als die Vorkriegs-Energiepreise liegen, definitiv nicht niedriger als die damals prognostizierten Stromkosten ohne Ukraine-Krieg liegen würden.

Die Unternehmer, die ihre Solar- und Windkraftanlagen vor der Konstruktion durchkalkuliert haben, haben sicherlich nicht mit den Extrempreisen gerechnet, die es aktuell gibt. Deren Rentabilitätsberechnungen basierten auf einer normalen Entwicklung der Strompreise, wie sie vor dem Angriff Russlands zu erwarten gewesen wäre.

Eine Preisdeckelung, die dazu führen würde, dass diese Rentabilitätsberechnungen nicht aufgehen, würde in der Tat massive rechtliche Fragen aufwerfen und wäre mit ziemlicher Sicherheit verfassungswidrig. Aber das will ja auch niemand.

Der Krieg in der Ukraine war für Stromproduzenten - so sarkastisch es auch klingen mag - ein Glücksfall, da durch diesen Angriffskrieg und seine Folgen der Preis der von ihnen produzierten Güter explodiert ist und sie damit ungeplante zusätzliche Einnahmen in absurder Höhe machen konnten. Das abzuschöpfen ist das Ziel einer Preisgrenze oder einer Übergewinnsteuer.

Es geht daher gerade nicht darum, vormals sinnvolle Investitionen durch nachträgliche Rechtsänderungen unwirtschaftlich zu machen, sondern nur darum, zu verhindern, dass vormals sinnvolle Investitionen plötzlich massive Gewinne abwerfen, welche die Allgemeinheit über den Strompreis zahlen muss.

Kurzum: Es geht darum, Krisengewinne einzusammeln, damit der Staat das Kapital hat, damit Entlastungsmaßnahmen zu finanzieren und den Krisenverlierern zu helfen. Es ist der Inbegriff einer sinnvollen, fairen Umverteilungsmaßnahme.

An einer Preisobergrenze oder einer Übergewinnsteuer wird kein Stromhersteller kaputt gehen, die Stromhersteller werden trotz Preisobergrenze oder Übergewinnsteuer immer noch besser dar stehen, als sie bei der Planung ihrer Investitionen dachten (bzw. besser dar stehen, als sie vor dem Ukraine-Krieg standen).

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Verpflichtung, dieses Geld instant in die Energiewende zu buttern, wäre m.e. viel sinniger

Pv und Wind
Wasser
Biomasse
Speichertechnik
Biogas
Elektrolyseure

Wo nötig noch mehr Anschubfinanzierung oder Garantien vom Staat ( i.S.d. Buches Das Kapital des Staates vom Mariana Mazzucato)

Was nützt den BürgerInnen jetzt ein kleines Zuckerl und das grosse Drama geht weiter. M…e. sollten nur die sozialen Härtefälle gezielt Unterstützung kriegen!

Das wird mE indirekt im Rahmen der geplanten Übergewinnsteuer ohnehin erreicht.

Da es eine Übergewinnsteuer und keine Überumsatzsteuer ist, sind die Konzerne gut damit beraten, ihren Gewinn z.B. durch Investitionen zu reduzieren. Der Staat könnte diesen Effekt noch verstärken, indem er z.B. die Grenzen für den einkommensteuerrechtlichen Investitionsabzugsbetrag, mittels dem zukünftige Investitionen bereits im laufenden Geschäftsjahr gewinnmindernd berücksichtigt werden können, für bestimmte Investitionen (vor allem erneuerbare Energien) drastisch ausweiten würde. Wobei Betreiber von mittelgroßen Solaranlagen oder Windkraftanlagen auch jetzt schon nahezu ihren ganzen Gewinn per Investitionen verschwinden lassen können…

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