Danke Slartie für Deine Antwort. Warum eine Aussetzen des Merit-Order-Prinzips automatisch zu hohen Verlusten führen muss, sehe ich nicht zwingend. Ebensowenig dass eine Ersatz-Regelung EU weit gefunden werden muss. Es ist eine Ausnahme-Situation auf die mit einer befristeten Reaktion geantwortet werden könnte. Klar ist nur, dass das Prinzip im jetzigen Marktgeschehen völlig falsch ist und zu erheblichen Schäden/Nachteilen großer Bevölkerungsgruppen führt. Die komplexen Pläne der Komission wirken allenfals lindernd…
Dann müsstest du den Preisfindungsmechanismus mal im Detail erklären, mit dem das nicht der Fall sein soll. Alle, die ich kenne, führen entweder dazu, dass der Strompreis am Ende hoch genug ist, dass die teuersten Kraftwerke noch gerade so rentabel sind, oder sie führen dazu, dass er eben nicht mehr so hoch ist, aber man immer noch die teuersten Kraftwerke braucht, so dass diese Verluste machen.
Korrekt, das haben wir aber unserem Nachbarn Frankreich zu verdanken und den anderen Mitgliedstaaten, die nicht mehr ihre Stromversorgung decken konnten.
Außerdem ist das einzige, was die Residuallast bzw. die Spitzenlastglättung betreiben kann, ein Gaskraftwerk, das wissen die Russen und die fossile Energie- Lobby auch, gerade jetzt in der Übergangszeit wo wir >60 GW PV und >60 GW Wind haben, benötigen wir noch überwiegend Gas.
Hier ein besser aufgelöster Chart vom Fraunhofer Institut, wo man auch genau sieht, welcher Anteil das Fossile Gas hat. Aus dem anderen Chart von Agora erkennt man ja fast nichts.
→ Prof Bruno Burger hat da auch einige Vorträge Online, wir haben noch Glück, dass wir bereits so viele Renewables haben, sonst wäre die Sache noch viel teurer geworden.
Quelle: Energy-Charts
Die Erkläung des ganzen und warum das so ist und nicht anders sein kann, bis wir genügend Batteriespeicher oder Power2X Kapazitäten haben:
Stromhandel / Merit-Order / Bilanzkreis Energiewirtschaft Einfach
In diesem folgenden Chart ist auch sehr schön zu sehen, wie hoch der Anteil der Renewables war und wie extrem viel Strom wir exportiert haben. Wenn man die Import- Balance mit aktiviert, wird einem klar: wir exportieren große Mengen Strom ins Ausland, deshalb wird das ganze auf der Y Achse dann negativ. M.E. ist nun aber die Zeit vorbei, wo wir Strom verschenken oder abriegeln müssen, weil die anderen EU Länder ja noch maroder in der Stromerzeugung sind. Überalterte Kraftwerke, falscher Kraftwerkstyp oder Kraftwerk außer Betrieb wg. zu wenig Kühlwasser, das trifft ja nicht nur Atomkraft sondern
Kohle- und Gasturbinen ebenso. Deshalb kann die Zukunft nur Renewable sein. Es dürfte ja mittlerweile angekommen sein, wie extrem trocken dieses Jahr war, wie niedrig die Pegelstände in den Flüssen waren etc…
Quelle:
Energy Charts eine Woche Stromerzeugung inkl Export Saldo
Mir ging es nicht um die Frage, ob das Sinn macht oder nicht, sondern um die absolutistische Behauptung es wäre ausgeschlossen, dass ein EU Staat eine eigene Regelung treffen könne.
Das Positionspapier des Fraunhofer im Thread zur Flexibilität hat sich ja eindeutig dazu geäußert Preise nicht künstlich zu Deckeln sondern anderweitig zu reagieren.
Würde ja vollkommen reichen wenn man den Gaspreis vor Einführung der Sanktionen einfrieren würde. Bräuche man nichts „abschöpfen“ oder ähnliches. Gaspreis wurde durch die Sanktionen der Politik künstlich in die Höhe getrieben. Wer bestellt hat zu zahlen.
Die weltweiten Energiepreise haben doch lange vor der Politik angezogen, bereits Mitte 2021 ging das los, Sieh Dir bitte die „historische Energiepreisentwicklung“ an.
Die Sachlage ist viel komplexer als du und andere versuchst, das hier in drei Sätzen darzustellen.
A) Ich schlage einen Biet-Agenten vor.
So wie ich das verstehe, bietet jeder Stromproduzent bislang zu einem bestimmten Preis eine bestimmt Menge, die werden nach Preisen sortiert, bis die Strom-Summe so groß ist, dass der Bedarf gedeckt ist, der Preis ist der Preis des letzten Bieters.
Nun machen wir es so, dass jeder genau die Mitte zwischen seinem Gebot und dem Grenzpreis bekommt. Der Preis für die Verbraucher ergibt sich dann logischerweise aus dem Mittelwert.
Pro: einfach umzusetzen
Con: Tendenz zum Höheransetzen, was aber legitim erscheint und erst über die Zeit dazu führen wird, dass die Preise ansteigen. Aber es ist ja sowieso nur als Überbrückung gedacht.
B) wir teilen das merit Order System auf, für die aktuell von höheren Kosten getriebenen (Öl, Gas) vs die Erneuerbaren. Die ersteren machen Merit Order wie bisher. Letztere untereinander Pokern lassen ist sinnlos, die bekommen einfach den Preis x (der sich zB nach einem Wert aus dem letzten Jahr errechnet, also wie war der Merit Order Preis 2021 an einem Tag mit 6h Sonnenschein und durchschnittlich 15kn Windvorhersage). Als B.2) könnte man auch einfach 15cent festlegen, da die Gestehungskosten ja fast null sind, werden die das Angebot schon annehmen… perspektivisch könnte man über diesen Preis auch das Angebot steuern.
Der Preis für die kWh ergibt sich dann wieder aus dem mittleren Wert.
Pro: anhaltend niedriger Preis, bleibender Wettbewerb unter den Verbrennern. Con: weniger Förderung Erneuerbare, die ja wohl aktuell den Reihbach ihres Lebens machen (aber limitiert wird der Ausbau ja bekanntermaßen durch andere Faktoren)
Also ich seh das schon Möglichkeiten…
Gruß vom Bundes-Strompreis-Versteher (Exvirologe) Jakob
Tolle Idee, aber…
…wie lange glaubst du, dauert es, bis die Wind/Sonne-Anbieter merken, dass sie statt 100€ pro MWh besser 300€ fordern sollten, weil gerade der teuerste Preis der noch gezahlt wurde eher bei 300€ liegt? Mein Tipp: 15 Minuten. So lange ist meines Wissens nämlich ein verhandelter „Zeitslot“ der auf dem Spotmarkt gehandelt wird. Beim ersten Slot fordern sie „irgendwas“, und beim zweiten Slot fordern sie einen Preis den sie per Schätzung knapp unter den vermuteten Grenzpreis platzieren. Würde ich so machen. Würde jeder, der auch nur ansatzweise ökonomisch denkt, so machen.
Und die Idee hat den enormen Nachteil, dass sie nicht nur deinen angestrebten Vergünstigungs-Effekt ausnullt, sondern mit etwas Pech sogar in die andere Richtung überschießt, sprich den Preis künstlich weiter erhöht - nämlich dann, wenn die Anbieter die nachgefragte Menge leicht überschätzen, also auch ihre Preise etwas überschätzt platzieren und das teuerste Kraftwerk plötzlich ein Windrad ist, das ohne diese albernen Preisspielchen, zu denen du sie zwingen willst, gerne auch günstiger hätte produzieren können. Und das nächstteure Windrad nach diesem produziert gar nix, dessen umweltfreundlicher Strom bleibt ungenutzt, weil’s wie sich rausstellt ein paar Cent zu teuer angeboten hat. Stattdessen verheizen wir mehr Gas, weil der Zufall grad wollte, dass Gaskraftwerke im Angebot unter den Windrädern lagen.
Das jetzige Marktdesign ist insofern hochgradig elegant, als dass es dieses ganze Geschachere von vorneherein vermeidet, da es den Anbietern überhaupt keinen Incentive bietet, mit ihren Preisen nach oben zu pokern - denjenigen, die weit weg vom Höchstpreis landen werden, sowieso nicht, weil die auf jeden Fall ihren Strom zum Einheitspreis loswerden, und den Anbietern nahe des erwarteten Höchstpreises auch nicht, denn die sind damit beschäftigt, sich gegenseitig zu unterbieten, um noch zum Zug zu kommen.
Hmm komisch, das hab ich irgendwo schon mal gehört…
…ach klar! Das ist der EU-Vorschlag! Nur mit 15 Cent statt 18 Cent. Nice try
Einziger Unterschied ist, dass die EU eine Abschöpfung und Ausschüttung über einen separaten Kanal plant und nicht einfach eine Senkung des Strompreises. Vermutlich, damit das Preissignal („Strom ist teuer, spar also besser, wo es möglich ist“) nicht verwässert wird und um die Entlastungen gezielter und konzentrierter platzieren zu können, wo sie nötig sind, statt per Gießkanne auch Millionären ihre beheizten Whirlpools auf der Winterterrasse zu vergünstigen und somit einen Großteil des Entlastungseffekts aus Sicht „normaler Bürger“ verpuffen zu lassen.
Aber wie man die Entlastungen genau verwendet, ist ein für die Strommarktdesign-Frage erst mal irrelevanter Aspekt, daher: der EU-Vorschlag und dein Vorschlag sind im Grunde identisch.
Der ist gut
Ich vermute mal du bist auch Exbundestrainer ^°
Ne, mit Fußball hatte ich nie was am Hut, aber vielen Dank an @Slartie , was gibt es schöneres als in einer Forums Diskussion ernst genommen, eines besseren belehrt und dadurch schlauer geworden zu sein das Abstraktionsvermögen zur EU Analogie hatte ich nicht, leuchtet mir aber nun ein.
Find die Lösung gut
Das ist doch eigentlich ein nettes Schlusswort nach einer ergiebige Debatte?
Morgen 20:00 möchte ich diesen Thread schließen damit er noch aktuell und überschaubar bleibt - Einwände?
Die Abschöpfung muss für den Ausbau der EE zweckgebunden sein! Rest wäre mir dann egal
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