LdN294 Pflegestreik NRW - Notfallversorgung

Vielen Dank dass ihr das wichtige Thema „Pflegestreik in NRW“ aufgenommen habt.

Ich unterstütze die Kollginnen und Kollegen der Pflege von ganzen Herzen. Menschen die beruflich nichts mit Krankenhäusern zu tun haben wären wahrscheinlich erschüttert bis ins Mark über die Bedingungen unter denen Ärzte/Pflegekräfte/MTAs, OTAs, Physios und viele andere arbeiten müssen. Von den Bedingungen, die Patienten derzeit in unserem System erdulden möchte, ich gar nicht erst anfangen.

Dennoch muss ich euch in einem Punkt euer Darstellung widersprechen.
Ihr sagt, fast im Nebensatz, dass die Menschen natürlich verantwortungsbewusst sind und die Notfallversorgung natürlich weiterhin gegeben ist.

Genau das ist aber im Moment nicht mehr immer der Fall (deshalb ja auch die gesteigerte Belastung in den Aufnahmen von umliegenden Häusern). Ich will das nicht den streikenden Kolleg*innen vor die Füße werfen. Die Patienten die Jahr für Jahr durch schlechte Besetzung geschädigt werden stehen auf keinem Blatt. Dennoch kommen im Moment sehr wohl Patienten zu Schaden, weil zb der Hubschrauber aus Kapazitätsgründen erst nach deutlicher Verzögerung eine weiter entfernte NA anfliegen konnte. Auch andere zeitkritische Krankheitsbilder können im Moment im Bevölkerungsdichtesten Bundesland NICHT IMMER zeitnah adäquat versorgt werden, weil das Personal im Katheter/Op schlicht nicht da ist. Das tut der Berechtigung des Streiks keinen Abbruch aber man sollte doch so ehrlich sein sich das eingestehen, wenn man über dieses Thema redet. Auch Notaufnahmen, Intensivstationen und interne Transporte werden teilweise bestreikt, und das hat Folgen.

In meinen Augen wird sich erst etwas ändern wenn Versorgungsstrukturen wie Unikliniken nicht mehr einem maximalen Wirtschaftlichkeitsdruck ausgesetzt sind. Man muss sich klar machen dass hier durchaus Kliniken jährlich Millionengewinne machen, auch im Moment noch. Erst wenn sich hier die Anreize verändern haben die Kliniken überhaupt die Möglichkeit die Bedingungen so zu verbessern dass z.b. die Pflege attraktiv genug wird um Leute mit Abschlüssen wieder in den Beruf zu ziehen. Klinikleitungen sind keine schlechten Menschen, aber im Moment haben sie unglaublich schlechte Anreize. Im Job bleibt wer grüne Zahlen liefert, nicht wer für gute Versorgung geradesteht.

Das ist wahrscheinlich für euch ein „kann-Thema“, aber ich fände es extrem wertvoll wenn die LDN sich öfter mit diesen Themen befassen würde, da nicht nur der Streik medial unterrepräsentiert ist, sondern auch die zugrunde liegenden Strukturen die zu dem Streik geführt haben. Stichwort: Privatisierung von Versorgungsstrukturen. Der Mitte der Gesellschaft ist nicht klar, was für Bedingungen in den KH herrschen, oder warum sie herrschen.
Ihr habt vielen Menschen einen großen Gefallen getan indem ihr dieses Thema aufgegriffen habt. Denn nur wenn auch die Menschen verstehen warum Sie im Moment noch länger warten müssen als sonst, ensteht auch Druck auf die richtigen Stellen. Die Solidarität der Patienten mit den Pflegekräften ist in meiner Meinung nach durchaus vorhanden.
Etwas besseres, als dass ihr von der Lage euch damit auseinandersetzt hätte den Angestellten nicht passieren können. Bitte, bitte mehr davon!

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s. auch

Bist du dir sicher, dass diese Zustände allein durch den Streik bedingt sind? Das, was du da beschreibst, ist mittlerweile eigentlich Alltag in der medizinischen Versorgung, völlig egal welches Bundesland, weil alle Kliniken über dem Limit arbeiten. Eine Notfallbesatzung ist eben auch im Streik da, es finden nur keine/sehr eingeschränkt elektive Operationen und Untersuchungen statt. Die Teams, die laut deinen Ausführungen jetzt zu fehlen scheinen, fehlen auch im Regelbetrieb für die Notfallversorgung, weil sie bereits andere Patienten operieren/kathetern. Die Notfallversorgung in Deutschland ist mittlerweile einfach völlig vom Bedarf abgekoppelt - aber das möchte die Politik ja scheinbar nicht angehen, weil alle echten Lösungen Geld ohne Ende kosten würden… Mit dem Streik als solchem hat das aber eigentlich eher weniger zu tun.

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Ja ich bin mir sicher. Nein, das ist in der aktuellen Ausprägung nicht der „Normalzustand“. Ja ich kann das beurteilen. Nein, es ist nicht schwer aus dem Dienstplan abzulesen, ob das benötigte Personal nicht vorhanden, im Urlaub, oder im Streik ist.

Finde es aber interessant, dass du aus der Distanz meinst, die Bedingungen an meinem Arbeitsplatz besser beurteilen zu können als ich, wenn du mir hier erklärst, was woran liegt und was normal ist.
Fast so interessant, wie das reflexhafte Abstreiten der offensichtlichen Tatsache, dass wenn die Pflege in solchen Bereichen streikt, das Konsequenzen für die Patientenversorgung hat.

Bei uns in der Klinik haben sich übrigens in einer Abteilung zwei Drittel der „Notbesetzung“ am Tag des Streiks spontan krank gemeldet. Da stand dann eine Pflegekraft mit fast 100 zu versorgenden Patienten, bis Ersatz beschafft war.

Vielleicht würde es der Debatte gut tun, wenn man die Pflege nicht immer so überhöht als wären das Heilige, die selbstverständlich ein großes Gewissen haben und zu jedem Zeitpunkt die Versorgung der Patienten im Kopf haben. Das sind im Moment schlicht und einfach zornige Angestellte, die die Nase gestrichen voll haben, sich ausbeuten und veräppeln zu lassen.
Vielen ist (zurecht) im Moment die Versorgung der Patienten absolut egal. Das ist auch verständlich, weil genau das ihnen seit 10 Jahren als Drohung über den Kopf gehalten wird, um Streiks zu verhindern.

Dann muss man nur auch der Realität ins Auge blicken und die dadurch entstehenden Gefahren ehrlich benennen. Die sind erheblich, und das wird jedem sehr schnell bewusst, der im Moment das Pech hat, an einer Uniklinik in NRW behandelt zu werden.

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Nein, das kann ich nicht. Aus deinem ersten Post war mir aber nicht ganz ersichtlich, wie sehr du selbst dort arbeitest oder eben auch nicht. Die Zustände, die du schildertest, kommen mir nur eben aus dem ganz normalen Alltag im Rettungsdienst eines anderen Bundeslandes sehr bekannt vor - daher meine Nachfrage.

Gut, das steht auf einem anderen Blatt, liegt dann ja aber (zumindest offiziell/vordergründig…) nicht am Streik - Krankheitsfälle können auftreten. Natürlich ist es allerdings etwas auffällig, wenn es gleich 2/3 sind, klar.

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Sorry, hätte ich vielleicht deutlicher rein schreiben sollen. Ich bin seit über einem Jahrzent im Gesundheitswesen unterwegs. Ich kenne die üblichen schmalen Dienstbesetzungen, und das hier ist nochmal eine ganz andere Ebene, zumal es bewusst und direkt herbeigeführt wird. Von beiden Seiten.

Wie gesagt ich unterstütze den Streik vollkommen (wenn auch nicht jede Ausprägung, wie zum Beispiel das Unterschreiten der Mindestbesetzung, und das bestreiken bestimmter Bereiche). Ich empfinde es einfach nur als unaufrichtig wenn die schon an guten Tagen wackelige Notfallversorgung als sichergestellt bezeichnet wird, weil sie das im Moment in meinen Augen absolut nicht ist. Damit meine ich jetzt gar nicht die Jungs von der Lage, woher sollen die es wissen. Es sind die Kliniken selbst und auch die Vertreter der Gewerkschaften die nach außen hin dieses falsche Bild erzeugen, weil die Zustände die im Moment herrschen für beide Seiten ein PR-Fiasko wären.

Nachtrag zum Thema. Wir haben im Moment ein gewaltiges Problem in NRW, das weiterhin kaum mediale Rerpäsentanz findet.

Ich fände eine Richtigstellung der schlicht unwahren Aussagen bezüglich der weiterhin funktionierenden Notfallversorgung durch die LDN mehr als angebracht.

Kann ja passieren wenn man nunmal nicht selbst involviert ist, aber wie gesagt, ich finde man muss das korrigieren. Ich glaube dass den Leuten die sich im Moment in NRW auf Ihr Rennrad setzten nicht klar ist, dass sie sich nicht wie üblich auf eine funktionierende Notfallversorgung verlassen können (gilt natürlich auch für alle anderen Menschen und Verkehrsteilnehmer).

Es ist ja absolut lobenswert, dass ihr auf die Gefahren eines Ertrinkungstodes hinweist und hier eure Plattform für wichtige Aufklärungsarbeit leistet. Ihr habt ja auch absolut Recht mit dem was ihr sagt. Im Moment lauert aber eine viel größere Gefahr zumindest in NRW dadurch dass die Maximalversorger nur noch Minimalversorger sind und die kleinen Häuser weder die Expertise noch das Personal haben das aufzufangen.