LdN294 Pflegestreik NRW aktuell

24 Tage später ist die mediale Aufmerksamkeit immer noch sehr gering. Gerade finden in NRW zudem Koalitionsverhandlungen statt, was das Thema nur noch relevanter macht.
Also liebe Lage: Bitte thematisiert den STreik!!

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Pflegestreik NRW Das ist sowas von relevant!!! Bitte aufgreifen… Wir hören nur Milliarden für Waffen Tankrabatt und Sylt mit 9 Euros in den Medien. Aber dieses Thema wird einfach totgeschwiegen. Die Krankenhäuser sind nicht überlastet??? Großes Gelächter. Ich bin verantwortlich für eine Intensivstation in einem kommunalen KKH, wir müssen jeden Tag würfeln welche Patienten aufgenommen werden können, weil wir seid langer Zeit mindestens 25% unserer Betten wegen Personalmangel sperren müssen. Klaus Kogelmann Klinikum Emden, Schließungen verifizierbar im divi Register, oder im öffentlichen Bereich der ivena Daten. Könnt gerne meinen Namen nennen

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Schön dass LdN dieses Thema jetzt aufgegriffen hat. Gerne in den kommenden Ausgaben wieder, zumindest mit einem kurzen Update/Reminder. :slight_smile:

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Liebe Lage, sehr schön, dass und wie ihr die Pflege thematisiert.
Ich hab 1983 mein Krankenpflege-Examen abgeschlossen und hatte mich in der Ausbildung überzeugt, nach dem Examen nicht so arbeiten zu können, wie ich’s mir vorgestellt, wie ich’s gelernt hatte und wie ich’s als Schüler noch tun konnte, weil ich Narrenfreiheit hatte und mir nahm.
Ich hab dann Psychologie studiert und über 30 Jahre mit Jugendlichen, 25 Jahre davon mit chronisch körperlich kranken jungen Menschen auf dem Weg ins Berufsleben, gearbeitet. In diesem Beruf konnte ich mich so auf Menschen einlassen, wie ich es in der Gesundheitspflege nie hätte tun können.
Ein wichtiges Argument, mich von der Pflege zu verabschieden war, als examinierter Pfleger nicht genügend Zeit zu haben mich um die Menschen kümmern zu können, nur um „die Leber, den Motorradunfall, …“ und andere (körperlichen) Funktionen, nicht um die Menschen und die Familien, in welche die Erkrankungen eingebettet und die für Heilung essenziell sind.
Herzliche Grüße, Wolfgang

ich höre das von der ältesten Tochter, und seit 3/4 Jahr frisch geprüfte Radiologie Assistentin auch. Personalknappheit, viele Schwangere die nicht arbeiten dürfen, es gibt ganz viele Faktoren.

Am Geld alleine scheint es aber nach ihre Auskunft nicht zu liegen!

Vielen Danke, dass ihr das Thema aufgegriffen habt. Allerdings habe ich das Gefühl, dass das ganze Thema zu einsichtig gesehen wird. Damit das gesamte Problem des „Pflegemangels“ verstanden werden kann, bräuchte es eine Sonderfolge. Fehlendes Personal ist das eine, aber es gibt auch eine fehlende Professionalisierung und Autonomie. Wo sollen Pflegende herkommen? Wie sollen die Bedingungen verbessert werden? Sollen wir Betten sperren, bis die Versorgung nicht gewährleistet werden kann? Gute Antworten kann der Deutsche Pflegerat geben. Ich verstehe nicht, warum bei der Thematik eine Ärztin zu Wort kommen musste. Gut und danke, dass sie uns unterstützt. Aber sie ist kein Experte der Pflege, keine Pflegewissenschaftlicherin oder Pflegemanagerin. Das Thema ist unglaublich groß und als im Berufsverband engagierte und berufspolitisch aktive Pflegende, tut es teilweise sehr weh alles mit anzuhören. Die Situation de Pflege ist auf dem gleichen Weg wie der Klimawandel. Es wird leider erst zum Problem, wenn es alle spüren.

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Kann das vollstens nachvollziehen. Man hätte tatsächlich Stimmen aus der Pflege und echte Experten organisieren sollen. Wir Ärzte geben Support, sind aber nur eine Randfigur in dem Prozess und können das Thema nicht vollständig beurteilen. Vielen Dank dennoch an die LdN für das Aufgreifen des Themas. Hoffentlich wird das mediale Echo nun größer.

Ich fände es auch extrem wünschenswert wenn dieser gesamte Themenblock von der LdN häufiger aufgegriffen und tiefer bearbeitet würde. Klar ist das nicht das Hauptmetier der beiden, aber es ist zu wichtig für uns alle, und findet immer noch nur in Ausschnitten Beachtung.

Ich fände das Thema müsste sogar noch breiter angegangen werden.

Wir rennen auch nicht nur in der Pflege in einen Fachkräftemangel. Physio-und Psychotherapeuten und Rettungsdienstler müssen häufig immer noch Ausbildungsgeld zahlen, statt während der Ausbildung Geld zu bekommen. Komisch, dass auch hier ein massiver Mangel herrscht. Assistenzärzte werden so massiv (und vollkommen illegal) geschunden, dass viele nach dem Studium in andere Zweige gehen, oder wieder aus dem Beruf ausscheiden. 10% der praktizierenden Ärzte in D sind 65 Jahre oder älter. Vom Respekt und Gehalt die den Logistikern (aka Bettenschiebern) entgegengebracht wird möchte ich gar nicht erst reden. Mindestlohn für einen kaputten Rücken im Schichtsystem. Die finden nirgendwo Erwähnung, aber ohne die würde an den großen Häusern alles sofort zum Stillstand kommen.

Die geburtenstarken Jahrgänge werden in den nächsten 10 Jahren in all diesen Berufen in Rente gehen, und stattdessen anfangen als Patienten das System zu „belasten“.

Jenseits von Jens Spahns grandiosem Ansatz, den Mangel einfach in ein ärmeres Land zu exportieren, indem man die Kräfte von dort abwirbt, sehe ich bisher keinerlei Initiative seitens der Zuständigen.

Und währenddessen werden Deutschlandweit die Häuser bis zum Anschlag auf Profit getrimmt. Wenn wir nicht als erstes aufhören, Versorgungsstrukturen zu führen wie frei wirtschaftende Unternehmen, sehe ich dunkelschwarz. Die Unikliniken, die gerade bestreikt werden, argumentieren gerne damit, dass kein Geld da wäre, während sie teilweise im Millionenbereich grüne Zahlen schreiben. Im Gesamtkontext einer Uniklinik ist das kein großer Überschuss, aber hier gibt es doch trotzdem ein systematisches Problem.

Ich finde auch das gilt für das ganze GS. Mit dem zusätzlichen Problem, dass die, die es merken, oft keine Zeit/Kraft/Möglichkeit mehr haben, ihre Stimme organisiert zu erheben.

Das menschliche Leid, dass im Moment durch diese Zustände in den Kliniken entsteht, ist Menschen, die außerhalb des Systems arbeiten, schwer zu vermitteln.
Es sind nur meine zwei Cent. Klar kehren die Jungs weiter zusammen, was sie relevant und interessant finden. Aber das hier ist in meinen Augen zu wichtig um jemals ein „Kann-Thema“ zu sein.

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Danke für das Aufgreifen des Themas!
Bin selber Pfleger in einer der streikenden Kliniken und habe mich sehr über euren Beitrag gefreut.

Zwei Dinge sind mit dabei „ins Ohr gesprungen“:

Zum einen wird angesprochen, dsss zb die Tumor-OP nicht ewig aufgeschoben werden kann auch wenn sie kein akuter Notfall ist. Stimmt. Und es leiden Patienten durch den Streik und das schlägt uns Streikenden mächtig aufs Gemüt! Und dieser Punkt wird in der (seltenen) medialen Rezeption auch oft aufgegriffen, wenn der/die Journalist:in versucht beide Seiten neutral darzustellen. Völlig korrekt.
Aber was leider unter den Tisch fällt ist, dass jetzt im Streik die leidenden Patienten Namen und Gesicht haben, wenn sie keinen Termin bekommen und verzweifelt abgewiesen werden.
Die Patienten, die seit Jahrzehnten sterben, weil keinenZeit für Hygienemaßnahmen war, haben kein Gesicht und werden schweigend hingenommen, weil sie Tage oder Wochen nach Entlassung einzeln zu Hause sterben.
(RKI - 2019 - Neue Schätzung zur Krankheitslast durch Krankenhaus-Infektionen

Oder die Patienten, die Schäden erleiden oder bei denen keine Heilung eintritt, weil niemand sie im Umgang mit der Orthese angeleitet hat oder niemand die Ressourcen hatte zur Medikamenteneinname anzuleiten. Diese Menschen leiden und/oder sterben wegen der Überlastung der Pflege seit Jahrzehnten.

Zweiter Punkt, von der zitierten Ärztin in der Folge angesprochen ist, dass Pflegeleistungen in den Fallpauschalen quasi nicht eingepreist sind.
Von wenigen „Härtefällen“ abgesehen bekommt das Krankenhaus für die Radius-OP beim gesunden, mobilen zwanzigjährigen das gleiche Geld wie für die gleiche OP bei einem vollständig pflegeabhängigen 80jährigen der bereits zu hause 24/7 gepflegt wurde. Die OP ist identisch, die Diagnose auch also gleiche Vergütung. Der pflegerische Mehraufwand beim 80+ Patienten bleibt für die Abrechnung nahezu irrelevant.

Wieso kann der KFZ-Meister in seiner Ein-Personen-Werkstatt mir eine Rechnung auf die Flügelschraube genau ausstellen aber im Krankenhaus kann nicht mal ein grob gestaffelter Pflegeaufwand berechnet werden?
Und hier liegt ein groses Problem der Pflege. Denn was nichts kostet bzw nicht abgerechnet werden kann, kann ja auch nichts wert sein. Und wer will schon wertlose Arbeit verrichten.
Umgekehrt gilt für die Unternehmensseite die leider verständliche Sichtweise, dass kaum in einen Bereich investiert werden kann, der nur Kosten verursacht aber nirgends Geld erwirtschaftet. Aktuell ist die Pflege nicht profitabel da nicht angemessen abrechenbar. Höchstens in der Vermeidung kostspieliger Komplikationen könnte ein finanzielles Interesse liegen, warum ein Krankenhaus in die Pflege investieren sollte.

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s. dazu auch

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Vielen Dank für den Beitrag, ich finde es sehr wichtig, dass der „Streik Entlastung“ in der LdN aufgegriffen wurde.

Aus meiner Sicht noch 2 Punkte:

1.: Es ist kein Pflegestreik, die Pflege stellt aus gutem Grund das Gros der Streikenden, es sind aber prinzipiell alle Berufsgruppen einbezogen, da die Ursachen für den Streik ja auch alle Beschäftigten betreffen.

2.: In der LdN294 wurde anfangs über die Mineralölkonzerne berichtet. Durch den Bericht zu dem Streik und dessen Ursachen hätte ein thematischer Kreis geschlossen werden können. Das große Problem ist doch, dass mittlerweile fast ausschließlich die Wirtschaftlichkeit die Struktur im Krankenhauswesen diktiert. Mit dem Fallpauschalensystem wurde es erst ermöglicht, durch das Betreiben eines Krankenhauses Gewinne erwirtschaften zu können. Mittlerweile ist durch dieses System jedes Krankenhaus gezwungen, wirtschaftlich, d.h. gewinnorientiert, zu arbeiten. Und wenn der Preis für eine DRG vorab feststeht, ist klar, dass der Leistungsumfang (in erster Linie die personelle Versorgung) angepasst, d.h. weitestgehend reduziert werden muss, um die Gewinnmarge attraktiv zu machen. Wir alle befinden uns im Würgegriff der DRG Logik, der rasante Anstieg der privaten Krankenhausträger lässt nur erahnen, wohin die Reise gehen wird, dann heisst Shell halt Helios und BP heisst Asklepios oder so.

Es wäre sicher sinnvoll auch mal in einer LdN auf diese Hintergründe weiter einzugehen. Ohne eine Änderung der Finanzierungsstruktur ist ein Streik immer nur das Löschen eines von unzähligen Brandherden. Gesundheitsversorgung muss wieder als Gemeinwohl-orientierte Daseinsvorsorge einer sich kümmernden Gesellschaft verstanden werden, und da haben private Renditen nichts zu suchen. Im Übrigen ist der Siegeszug der Investorengesellschaften im ambulanten Sektor auch bereits losgetreten, auch da werden wir uns in Zukunft mit einigen Neuerungen vertraut machen müssen. Wie schön wäre es doch, ein System ohne diese unsinnige Trennung von ambulantem und stationärem System zu erschaffen, in dem unser aller Wohl und nicht die Rendite globaler Konzerne im Mittelpunkt stünden…

Der „Streik Entlastung“ kann also aus meiner Sicht nur sinnvoll sein, wenn gleichzeitig die verursachenden Strukturen offengelegt werden und für deren Änderung gekämpft wird. Die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern der Länder (Uniklinika) attraktiver zu gestalten wird ein wichtiges Zeichen für die anderen öffentlichen und gemeinnützigen Träger sein nachzuziehen. Aber was werden die privaten Träger machen? Es bleibt viel zu tun, auch für die LdN…

Auf den Mod Beitrag muss ich doch jetzt auch nochmal antworten.

Die Argumentation, dass das Selbstkostendeckungsprinzip zu einer Selbstbedienung der Krankenhäuser geführt habe, ist weidlich widerlegt. Die Liegezeiten haben sich vor und nach Einführung des DRG Systems gleichermaßen nach unten entwickelt. Das prozentuale Aufkommen für das Gesundheitswesen ist nach Einführung der DRGs ungebremst nach oben gegangen, wenn es doch nur anders gewesen wäre… Ich bin auch der Meinung, dass die DRGs ein gutes Planungsinstrument sein können, aber halt nicht ein finanzielles Steuerungsinstrument. Es geht ja auch nicht nur um einzelne Patient*innen / Fälle, sondern auch um Anreize der Versorgungsplanung, Stichwort Abschaffung der unlukrativen Geburtshilfe und Bildung von elitären Spezialkliniken für besonders attraktive DRGs. Die Situation in der Psychotherapie / Psychiatrie ist hingegen ja bekanntermaßen eine andere.

Das fehlende zweite Bein der dualen Finanzierung (Strukturinvestitionen durch die öffentliche Hand) ist in der Tat ein riesiges Problem, die öffentlichen Haushalte berappen gerade mal ca. 4% der etwa 400Millarden Euro, die jährlich in Deutschlands Gesundheitswesen umgesetzt werden.

Eine Pauschale, die auch Pflege- und Präventivleistungen erfassen würde, stelle ich mir recht kompliziert vor. Dadurch, dass nunmehr ja auch Pflegepauschalen bereits eingeführt sind, wird ja deutlich, dass eine Logik die pauschale Erfassung nicht ermöglicht. Es wird immer komplizierter und aufgeblähter, so dass schlussendlich die Abrechnung (Dokumentation) mehr und mehr Mittel verschlingt, die in der Leistungserbringung fehlen. Und die Abschaffung der PKVs, ja das wäre mal was!

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Deine Antwort geht an den Verfasser @Nick_Linden, ich habe nur thematisch verlinkt :wink:

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Wollen wir diese Antwort ggf verschieben, dann starte ich hier keine Paralleldiskussion. Würde auf den sehr guten Einwand nämlich nochmal eingehen :slight_smile:

Ja gerne

Hallo Ulf, hallo Philip,

herzlichen Dank für euren Beitrag zum Streik in NRW.
Ich habe. mir das gern angehört und freue mich, dass das Thema nun auch so eine Bühne bekommt.
Allerdings sind euch in der Berichterstattung einige Fehler unterlaufen, die ihr richtigstellen solltet, denn da ging einiges etwas durcheinander.

Die Zusammenhänge, dass sie einen Tarifvertrag Entlastung fordern, weil nicht genug Personal da ist, sind richtig. Ihr habt dann auch kurz angerissen, wieviel Pflegende für wieviel Patient:innen zuständig sind. Und hier geht es dann los: Versäumnis der Politik ist, dass es im Krankenhaus kein Personalbemessungsinstrument gibt. Also man kann nicht fix sagen, wieviel Pflegende bei welchen Pflegebedarf der Patient:innen vor Ort sein müssen. Spahn hat das mit der PpUgV zumindest geregelt, dass eine Untergrenze für bestimmte Bereiche gilt. Die werden mal mehr mal weniger eingehalten, aber: zumindest ist die Untergrenze mal festgelegt. Das hat zur Folge, dass Krankenhäuser sich an dieser Grenze orientiert haben. 2019 kam dann das PpSG, das Pflegepersonalstärkungsgesetz. Das hat gemacht, dass die Personalkosten der Pflege aus der Berechnung der DRGs herausgenommen wurden. Damit war es Krankenhäusern nun erlaubt, ein Pflegebudget zu führen, woraus Personal unabhängig der DRGs bezahlt werden können. Es gab für Krankenhäuser also auch keinen Grund mehr, Personal in der Pflege einzusparen. Die Politik hat Anreize geschaffen. Das haben Krankenhäuser allerdings zum Anlass genommen, um woanders Personal einzusparen, denn das Pflegepersonal wurde so refinanziert und man hat also pflegefremde Tätigkeiten in die Pflege integriert (das haben nicht alle Häuser gemacht, also Vorsicht!) und woanders das Personal eingespart.

Und hier seid ihr nun in eine Falle gelaufen, denn der O-Ton ist von einer Ärztin, die von den DRGs spricht. Die setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen und mündet in einem Entgelt für die jeweilige Behandlung/Prozedur (OPS nicht vergessen!). Also ist, wie ihr sagt, festgelegt, was ein Krankenhaus mit einer Prozedur (also Blinddarm-OP) verdient. Und das habt ihr mit den finanziellen Aspekten der Krankenhäuser zusammengebracht, das ist aber nicht richtig gewesen. Denn: Es wird ja nicht nur die Blinddarm-OP abgerechnet, sondern auch diverse Nebendiagnosen und auch ganz viele andere Prozeduren. Und wenn es während des Aufenthalts zu Problemen kommt, gibts eine neue Diagnose, die dann auch den Aufenthalt verlängern und das Entgelt erhöhen kann. Dazu gehören auch Dinge wie z.B. eine Schmerzbehandlung.

Die Pflege ist aber gar nicht in diesem Fallpauschalen-System integriert, damit ist der primäre Zusammenhang zwischen den Erlösen und den Personalkosten nur halb richtig. Ihr habt nämlich Medizin und Pflege in einen Topf geworfen, denn die DRGs setzen sich zu einem sehr großen Teil aus medizinischen Leistungen zusammen. Es gibt auch pflegerelevante Nebendiagnosen, die mit ermittelt und abgerechnet werden können. Nicht alle Häuser haben das auf dem Schirm und hier muss man spätestens die Frage stellen: Wenn Pflegende an den Erlösen der Häuser teil haben, fließen die Gelder dann auch in die Berufsgruppe oder wo fließen sie hin?
Hinzu kommt, dass Dinge abgerechnet werden, die von der Pflege erbracht werden aber medizinische Hintergründe haben. Schmerzscores ermitteln muss bei bestimmten Diagnosen gemacht werden, weil sonst der Fall nicht abgerechnet werden kann. Das macht die Pflege und nicht der Arzt (außer bei Privatpatient:innen, weil hier der Arztkontakt extra abgerechnet werden kann). Oder es fehlt mal ein Handzeichen der Pflege in der Akte. Da kann so ein Handzeichen auch mal gern 3.000€ wert sein.

Ihr habt es so dargestellt, als hätten es die Krankenhäuser schwer, ihr Personal zu bezahlen. Man müsste dazu mal schauen, wieviel Häuser defizitär sind. Wir haben nahezu 2.000 Krankenhäuser (Niederlande ca. 90). Vermutlich werden sehr viele Häuser im privaten Bereich Gewinne machen und hier darf man nun die Frage stellen: wenn die Gewinne machen, warum stellen sie dann nicht mehr Pflegepersonal ein?

Naja, weil Pflege eben als Kostenfaktor gesehen wird und nicht verstanden wird, dass ein Haus ohne Pflege nicht funktioniert. Deswegen werden für Stellenanzeigen auch 4.000€ in Fachzeitschriften ausgegeben und horrende Boni für weitere Rekrutierungen gezahlt. Anstelle aber die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wird nur blind akquiriert und sich gewundert, warum das Personal wieder geht. Eben weil keine Maßzahl der Personalbemessung da ist, wieviel Personal vorgehalten werden muss. Das fehlt. In anderen Ländern sind das Gesetze.

Das Thema ist extrem komplex und ich habe nur einen Bruchteil von dem erklärt, was eigentlich abgeht.

Wenn euch das wirklich interessiert, dann lege ich euch unsere Podcast-Folge mit Notruf-NRW ans Herz, da werden Einblicke gegeben: ÜG094 – Pflege streikt! (Paula Klaan) – Übergabe Podcasts

Liebe Grüße,

Christian (Pflegewissenschaftler)

Das muss ich richtig stellen. Die Ärzteschaft ist nicht beteiligt, da sie nicht von Verdi repräsentiert wird.
Dass sich die Gewerkschaften an dieser Stelle nicht koordiniert haben ist sicherlich eine verpasste Chance. Viele der strukturellen Probleme wirken sich für alle Berufsgruppen negativ aus (Personalmangel, horrende Arbeitsbelastung, systematische Verletzungen des Arbeitsrechts durch die Unikliniken etc.) und das zusätzliche Gewicht einer streikenden Ärzteschaft würde den Druck nicht unerheblich erhöhen.
Auch nach außen würde das Signal von Einigkeit gesendet, und gegenüber den Kliniken klargestellt das man die Gruppen nicht gegeneinander ausspielen kann, wie es im Moment der Fall ist.

Schade.

Die Uniklinik Bonn hat übrigens ernsthaft versucht den Streik der Pflegenden gerichtlich verbieten zu lassen, weil die Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.

Verdi sollte sich dringend überlegen ob sie weiterhin auch Notaufnahmen und Intensivstationen bestreiken wollen. Den Umsatz der Kliniken beeinträchtigt das eher wenig, der Schaden an den Patienten ist dagegen überproportional.

Habe den Beitrag zum Pflegestreik heute erst gehört und leider muss ich sagen, das war schwach. Ihr habt die gleichen Gerüchte weiterverbreitet, denen auch einige Pflegekräfte hier im Forum aufsitzen. Von den Übeln des DRG-Systems etc.
DRGs sind seit dem Pflegebudget, also seit über 3 Jahren, für dieses Thema völlig irrelevant. Jens Spahn hat Pflegekräfte bestellt und zu bezahlen versprochen und in vielen Kliniken sind viele Menschen neu eingestellt worden. Gerade erleben wir aber, dass die Krankenkassen die Zeche prellen, indem sie das Pflegebudget nicht wie versprochen auszahlen wollen. Das wäre ein viel lohnenderes Thema für die Öffentlichkeit.
Was die Streiks an den Unis in NRW bewirken sollen, leuchtet mir nicht ein. Wenn die Kliniken Pflegekräfte fänden, würden sie die doch längst einstellen, nach Pflegebudget müsste ja alles bezahlt werden. Mindestbesetzungen in der Pflege wären bei leergefegtem Arbeitsmarkt daher tatsächlich Obergrenzen für die Leistungen: Wenn die Zahl erreicht ist, wird nicht mehr aufgenommen. Und das über kurz oder lang in allen Kliniken. Wir hätten dauerhaft Zustände wie in der Pandemie: abgesagte Operationen, nicht durchführbare Behandlungen, Verschieben von Diagnostik, weite Transporte in die nächste freie Klinik, zu spät behandelte Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Natürlich ist es legitim, eine Klinik als Arbeitgeber zu betrachten und Mitarbeiterrechte zu fordern. Aber in erster Linie sollte sie für Patienten da sein, oder? Ist gar nicht versorgt besser als nicht 100%ig versorgt?

Das stimmt halt absolut nicht. Das jetzige System ist extrem von den DRG’s geprägt, und viele Entwicklungen, die zum heutigen Status Quo geführt haben, sind mit durch die DRG’s angestoßen worden. Ja, die Pflegekosten sind MITTLERWEILE ausgegliedert, lange waren sie es nicht. Weil sie es lange nicht waren, ist im Pflegebereich immer mehr gespart worden, weshalb der Beruf immer unattraktiver geworden ist. Da haben die letzten drei Jahre (inklusive zwei Jahre Covid-19…) lange nicht ausgereicht, um den entstandenen Schaden auch nur ansatzweise wett zu machen.

Richtig. Unter anderem auch, weil es keine gesetzlichen Vorgaben zur Personalbemessung im Gesundheitswesen gibt (die über reine Mindestbesetzungen hinaus gehen müssten!). Dementsprechend meinen die Krankenkassen über das Pflegebudget verhandeln zu können.

Du solltest dich dann vielleicht genauer mit den Forderungen der Streikenden in NRW beschäftigen! Im Wesentlichen geht es um verbindliche Personalbemessung für alle (!) Bereiche und Freizeitausgleich und/oder deutliche Ausgleichszahlungen (und damit ist nicht +10% gemeint…) für Schichten, in denen in Unterbesetzung gearbeitet werden muss. Das finde ich durchaus sehr legitim.

Richtig. Leistungen müssen nämlich auch qualitativ angemessen erbracht werden, nicht nur irgendwie. Ansonsten wird Patienten Schaden zugefügt (jenseits dem, den sie durch ihre Erkrankung ohnehin erleiden).

Korrekt. Wenn wir flächendeckende Mindeststandards und Bemessungsgrundlagen in der Pflegeplanung hätten, würde endlich zu Tage treten, wie marode und verrottet unser Gesundheitssystem eigentlich ist. Politisch wird sich immer damit gerühmt, wie gut doch unser Gesundheitssystem sei. Die Realität ist eher, dass die, die darin arbeiten, extrem leidensfähig und extrem aufopferungsbereit sind - das dahinterliegende System ist vollkommen marode. Nur wenn das flächendeckend zu Tage tritt, wird sich wirklich für nennenswerte Verbesserungen eingesetzt werden.

Tja, das ist eben das Problem. Bei den aktuellen Zuständen kann man nur zwischen „alle hilfsbedürftigen Patienten behandeln“ ODER „Mitarbeitende so einsetzen, dass sie nicht überlastet werden und ihre Arbeit fachlich gut ausüben können“ wählen. In dieser Wahl priorisierst du auf die rein mengenmäßige Versorgung aller Patienten. Kann man machen, klar. Führt aber dazu, dass immer mehr Beschäftigte völlig ausgebrannt und frustriert aufgeben, was das Problem weiter verschärft. Eigentlich müssen wir ein Gesundheitswesen anstreben, in dem die beiden durch „ODER“ getrennten Punkte keine Gegensätze mehr sind, sondern miteinander vereinbar.

Im Fall von vielen hochelektiven Eingriffen ja. Die postoperative/postinterventionelle Komplikationsrate steigt deutlich, wenn die Versorgung nicht adäquat ist. Es treten dann also Komplikationen auf, die es ohne den Eingriff, der nicht überlebensnotwendig war, nicht gegeben hätte - und die dummerweise teils tödlich sind.