Die Frage, inwiefern eine stärkere Akademisierung der Gesellschaft nötig ist, wird oft diskutiert.
Ein Grund für den Trend zur Akademisierung ist eben die Professionalisierung. Berufsgruppen, die früher klassischerweise Ausbildungsberufe waren, kämpfen geradezu für eine stärkere Akademisierung. Beispiele dafür sind Hebammen, Altenpfleger und Ergotherapeuten. Grund für diesen Kampf ist neben der Aussicht auf eine höhere Bezahlung natürlich auch das höhere gesellschaftliche Ansehen.
Fakt ist auch, dass die meisten beruflichen Tätigkeiten im Laufe der letzten 20 Jahre deutlich komplexer geworden sind. Heute muss selbst der einfache Handwerker in der Regel mit hochkomplexen technischen Methoden und Werkzeugen umgehen können, vor 30 Jahren waren die Voraussetzungen deutlich niedriger. Auch die Pflegeberufe werden mit medizinischem Fortschritt immer komplexer.
Im IT-Bereich galt in Ermangelung einer frühen institutionalisierten Ausbildung natürlich stets das Prinzip, dass man alles auch selbst lernen kann. Das macht es z.B. für Quereinsteiger deutlich einfacher, auf der anderen Seite fehlt dadurch halt die Qualitätssicherung. Daher: Bei einem selbst-gelernten Quereinsteiger kannst du dich halt nicht darauf verlassen, dass er bestimmte Themenbereiche auch gelernt hat. Das Ziel einer stärkeren Akademisierung ist halt, genau das zu erreichen: Standards zu setzen.
Die Frage, ob ein Beruf zwangsläufig auch ein Studium voraussetzt, ist natürlich je nach Sichtweise völlig unterschiedlich zu beantworten. Generell geht der Trend dahin, berufliche Qualifizierung im Hinblick auf Tarifverträge mit Studienabschlüssen gleichzustellen - und das finde ich auch richtig und wichtig. Das bedeutet eben, dass derjenige, der eine Ausbildung gemacht hat und nach drei Jahren Berufserfahrung dann seinen Fachwirt oder Meister gemacht hat, das Recht auf die gleiche Bezahlung haben sollte wie jemand, der einen Bachelor studiert hat. Und wer dann noch einen Betriebswirt drauflegt, sollte halt auch das gleiche verdienen, was ein Master-Absolvent verdient. (siehe Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR))
Leider hat sich dieses Prinzip des DQR in der Wirtschaft noch nicht wirklich durchgesetzt. Selbst im öffentlichen Dienst werden nicht-studierte oft noch zu niedrig eingestuft. Aber das scheint sich langsam aber sicher zu ändern.
Sollte der DQR sich richtig und endgültig durchsetzen, würden wir tatsächlich in eine Situation kommen, in der nicht jedes Berufsbild versuchen müsste, sich zu „akademisieren“, um dadurch an eine angemessene Bezahlung zu kommen. Denn darum geht es meist bei der Akademisierung. Eine höhere Komplexität kann man auch durch Aus- und Fortbildungen bewältigen, aber wenn man von Menschen mit Ausbildung ständige Fortbildungen erwartet, muss man sie auch entsprechen bezahlen.