LdN288 Grund und Boden versteuern

Im Interview mit Prof. Dr. Marcel Fratzscher wurde gesagt, dass Grund und Boden sowie Erbschaften mehr besteuert werden sollen. Gleichzeitig wird aber auch über zu hohe Mietpreise gesprochen. Führt die stärkere Besteuerung von Grund und Boden nicht zwangsläufig zu hören Mieten? Die Steuern werden doch eh an die Mieter weitergegeben. Und damit schadet man durchaus auch den Ärmsten. Hier hätte ich mir etwas mehr Nachhaken gewünscht, wie man das gerecht gestalten kann.

Wenn man gleichzeitig an anderer Stelle Steuern reduziert, z.B. Konsumsteuern oder die Einkommensteuer, also die Steuer auf Arbeit, dann könnte man das durchaus so austarieren dass der typische Mieter oder auch Inhaber einer kleinen Eigentumswohnung zum Selbstnutzen damit am Ende besser steht, während Besitzer (mehrerer) großer Häuser oder Villen signifikant mehr zahlen - insbesondere wenn sie sich den Luxus leisten, die nicht zu vermieten, sondern Zweit- oder Drittwohnungen für sich selbst zu unterhalten, die 90% der Zeit leer stehen.

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Vielleicht wäre dann eine Option vor allem auf vermieteten Wohnraum hohe Steuern zu verlangen. Damit wurde man gleichzeitig Anreize setzen diesen zu vermieten und dabei sogar Steuern zu sparen :grin:

Mir ist es nach wie vor ein Rätsel, wie Grund und Boden überhaupt jemandem „gehören“ können. Da liegt für mich der Fehler im System.

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Die Grundsteuer mildert diesen Fehler doch ab. So muss der Grundstücksnutzer eine Pacht dafür zahlen, dass er/sie exklusiv den Grund nutzt.

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Das Hauptproblem ist, dass der Staat mit dem Verkauf von Grundstücken die Macht abgibt, was mit denen passiert.
Zum Beispiel beim Hochwasserschutz stellen die Gemeinden gerade fest, dass Gewerbegebiete in gefährdeten Regionen oft zu wenig Sickerfläche bieten, da alles versiegelt ist. Grünstreifen in Parkplätzen könnten das abmildern, aber ohne Unterstützung der Unternehmen geht da gar nichts mehr. Jetzt versucht man es, indem die Versicherungen sensibilisiert werden und das dann ihrerseits fordern oder sonst die Prämien erhöhen.
Renaturierung von Innenstädten: schwer, wenn dir dort nichts mehr gehört. Und, und, und
Die katholische Kirche darf nur im Notfall verkaufen, der Rest wird für 99 Jahre verpachtet. So behält sie die Handlungsfähigkeit. Der Staat könnte dann für Planungssicherheit der Pächter ja nach fünfzig Jahren bereits eine Bedarfsprüfung machen und eventuell verlängern.
Stattdessen versilbert der Staat, beziehungsweise seine stets eingesetzten Vertreter, gerne seine Besitztümer. Um die Einnahmen in die Amtszeit zu holen, wird die Zukunft verscherbelt. Gleichzeitg werden Ausgaben gerne in die Zukunft verschoben durch Sale-and-Lease-Back, Pensions- und Rentensystemen, Anleihen usw. ich schweife aber gerade ab

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Jup, das sind die allgemeinen Probleme.
Aber wer hier einen Systemwandel fordert - selbst wenn es sich nur auf dieses Teilsystem bezieht - riskiert ja direkt, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. :wink:

Um wieder auf das Ursprungsthema zurückzukommen:

Wir haben hier im Forum ja schon vielfach das Thema „Preisentwicklung im Wohneigentum“ diskutiert. Der Wert einer Immobilie richtet sich i.d.R. nach der Höhe der mit dieser zu erzielenden Kaltmieten. Und dort liegt das Problem, wenn wir über „hohe Mieten“ klagen.

Betriebskosten (wie Entwässerung, Müllentsorgung, Hausmeisterservice und eben auch die Grundsteuer) sind in diesem Sinne nicht relevant, da sie für den Vermieter erfolgsneutral sind und weitergegeben werden, also kein Gewinn damit erzielt wird. Im Zweifel könnte man auch diese Weitergabe unterbinden, wodurch effektiv der Wert der Immobilien sinken würde, wenn man gleichzeitig Mieterhöhungen unterbindet (Mietpreisbremse, Mietendeckel u.s.w.).

Zu hohe Mieten sollten daher hier kein Argument sein.

Ich weiß nicht… Klingt so als ob die kleinen und mittleren Sparer darunter am meisten leiden. Wenn ich eine kleine Einzimmerwohnung habe als Altersvorsorge, würdest du mir damit auf einmal extrem die Jahrzehnte angesparte Rente kürzen. Wenn man auf einmal z.B. 300€ statt 500€ hat, macht das die private Rentenplanung kaputt und ist eine Katastrophe. Die Wohnung rentiert sich ggf gar nicht mehr, weil es auch verdammt teuer ist so eine Wohnung in Stand zu halten (z.b. spontane Kosten in 10000€ Höhe, weil ein Dach renoviert werden muss). Mir fehlt da noch die Fantasie wie das ohne effektive Mieterhöhung passieren soll. Im Endeffekt wäre es doch für den Wohnungsmarkt besser, wenn die Kosten für die vermieteten Wohnungen niedriger sind und nicht höher. Wie gesagt, wenn es darum geht Reiche mehr zu besteuern und etwas für den Wohnungsmarkt zu tun, müsste man eher Zweitwohnsitze oder Leerstand besteuern. Aber letzteres kann auch problematisch sein für Leute, die ihre Bruchbude nicht los werden.

Ich sehe einen großen Minuspunkt an der Grundsteuer, dass sie die Leistungsfähigkeit des Einzelnen sehr schlecht abbildet.
Während die Einkommenssteuer und die Konsumsteuer immer mit dem verfügbaren Einkommen schwankt, bleibt die Grundsteuer gleich. Da zukünftig auch noch die Lage deutlich stärker betrachtet wird,kann es hier zu einem Schereneffekt kommen. Was ich damit meine: Das Einkommen des einzelnen kann sich aufgrund verändernder Lebenssituationen verringern (Arbeitslosigkeit, Rente, Berufsunfähigkeit etc.). Die Grundsteuer reagiert hierdrauf gar nicht, im schlechtesten Fall steigt sie da sich die Lage verbessert.

Es gibt Bebauungspläne, Grundflächenzahlen, Regelungen zum Fällen und Pflanzen von Bäumen, teilweise wird selbst festgelegt welche Farbe das Dach und die Fassadenwände haben. Die Aussage das der Staat „die Macht abgibt“ ist falsch.

Die Gewerbegebiete wurden von den Gemeinden ausgewiesen, die Bebauung auf diesen von den Gemeinden genehmigt. Wenn der Hochwasserschutz nicht bedacht wurde ist das ein Planungsfehler der Gemeinde.
Öffentliche Bauvorhaben hatten in der Vergangenheit oft auch keinen Wert auf eine ökologische und nachhaltige Gestaltung der Flächen gelegt. Das ist kein exklusives Problem des Privateigentums an Grund und Boden, sondern eher ein bislang fehlendes gesellschaftliches Interesse an diesen Themen.

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Umm, also nur, weil sich der Staat einige Rechte zurückbehält, macht das die Aussage, dass er einen großen Teil seiner Entscheidungsmacht über privat verkaufte Grundstücke abgibt, nicht falsch.

Fakt ist, dass einige notwendige Vorhaben (z.B. beim Ausbau der Infrastruktur) regelmäßig daran scheitern, dass die Eigentümer der Grundstücke, die dieser Ausbau betrifft, sich dagegen wehren.

Ich würde hier eher kritisieren, dass der Fokus des Staates (und der Kommunen) im Hinblick darauf, welche Rechte man sich zurückbehält, ein falscher ist. So wird regelmäßig über Satzungen in der Tat in rein ästhetische Aspekte hineingeregelt (Form und Farbe der Bauvorhaben) und damit jede Individualität zu Gunsten eines „uniformen“ Aussehens von Wohngebieten verhindert, während die wirklich wichtigen Dinge ungeregelt bleiben (weil die wirklich wichtigen Dinge auch nicht über einfache Satzungen geregelt werden können…).

Das Problem ist hier meines Erachtens schon ein ganz anderes, nämlich ein rein betriebswirtschaftliches. Eine Wohnung als Mietobjekt zur Altersvorsorge zu kaufen ist grundsätzlich ein Fehler, wenn man nicht das Kapital (oder zumindest die Kreditwürdigkeit) hat, die damit erwartungsgemäß spontan anfallenden, oft höheren Instandhaltungskosten decken zu können. Das ist einfach ein betriebswirtschaftliches No-Go.

Zudem gibt es aktuell keinen Bereich, in dem die Renditen höher sind, als in der Vermietung. Gerade zu Niedrigzinszeiten ist es nahezu immer lohnenswert, Kredite aufzunehmen, um Mietwohnungen zu kaufen. Und genau deshalb steigen die Immobilienpreise auch so stark, weil die Rendite der Vermietung weit über den durchschnittlichen Fremdkapitalzinsen liegen und dieses Delta zwischen Vermietungsrendite und Fremdkapitalzinssatz zu einer hohen Nachfrage unter Investoren führt.

Und auch hier gilt, dass man große Gefahr läuft, wenn man sich deshalb denkt: „Hey, das spricht doch für eine Mietwohnung als Altersvorsorge“. Nein, denn sobald die Niedrigzinsphase endet und die Zinsbindung des jeweiligen Kredites bei der Bank ausläuft kommt dann plötzlich der Zinsschock und die Zinsen fressen den Großteil der Mieten auf.

Kurzum:
Wer eine einzelne Wohnung als Altersvorsorge hat und über kein Kapital verfügt, um das abzusichern, hat einfach schon einen großen betriebswirtschaftlichen Fehler gemacht bzw. ist ein enormes Risiko in Erwartung einer hohen Rendite eingegangen. Wenn sich hier das Risiko statt der Rendite verwirklicht, weil plötzlich wieder die Zinsen erhöht werden oder große Instandhaltungen notwendig werden, muss das akzeptieren, weil es eben ein „High Risk, High Reward“-Szenario ist. Es ist hier nicht die Aufgabe des Staates, Menschen, die ein „High Risk, High Reward“-Szenario eingehen, im Notfall vor der Verwirklichung des Risikos zu schützen, sonst setzen wir nur Anreize, dumme Risiken einzugehen. Denn das schlimmste, was letztlich passieren kann, ist, dass der Rentner seine Mietwohnung verkaufen muss.

Das klingt jetzt alles vielleicht etwas kalt, aber man muss hier halt rational rangehen. Klar würde ich mir wünschen, dass Mieteigentum in der Breite verstreut wäre, statt in Konzernen wie der Deutschen Wohnen, Annington, Vonovia, Vivawest und co… Aber das gibt unsere aktuelle Wirtschaftsordnung einfach nicht her.

Dem stimme ich voll und ganz zu.

Dem wiederum würde ich deutlich widersprechen.

Die Miet-Kauf-Schere ist in den letzten Jahren so weit auseinandergegangen, dass Vermieter inzwischen in vielen Gegenden 35-40 Jahre Kaltmiete benötigen, um den Kauf zu refinanzieren - trotz günstiger Kreditkonditionen. Das ergibt, insbesondere dann, wenn man noch Instandhaltungskosten miteinbezieht, schon rein rechnerisch eine sehr mickrige Rendite ganz tief unten im einstelligen Prozentbereich. Der Aktienmarkt schlägt diese Renditen in der Langzeitbetrachtung um Welten.

Der wesentliche Grund, warum trotzdem viele Leute auf Pump in vermietete Immobilien investiert haben, war, dass die Kaufpreissteigerungen die Renditen auf akzeptables Niveau gebracht haben - unter Berücksichtigung der Hebelwirkung des Fremdkapitaleinsatzes sogar ein enorm profitables Niveau. Dazu musste man aber davon ausgehen, dass es mit den Preissteigerungen im hohen einstelligen Prozentbereich weitergeht. Bis dato war diese Annahme korrekt, aber selbstverständlich gibt es keine Garantie dafür in der Zukunft.

Ein zweiter Aspekt ist die Tatsache, dass Immobilien so ziemlich der einzige Weg sind, auf dem Privatpersonen schuldenfinanziert gehebelte Investments tätigen können. Keine Bank leiht dir Summen weit jenseits deines Vermögens, um damit Aktien zu kaufen. Selbst kleinere Kredite zu dem Zweck kommen mit weit schlechteren Konditionen als Baudarlehen. Bei Immobilien hingegen ist es irgendwie selbstverständlich, hochriskante gehebelte Investments mit enormem Fremdkapitaleinsatz zu tätigen. Und der Treppenwitz daran ist, dass die Beteiligten oft sogar der Meinung sind, das seien besonders solide und sichere Investitionen.

Hier wiederum: vollste Zustimmung! Gerade bei Immobilien ist die Tendenz zu „dummen Anreizen“ leider latent, weil die Betroffenen gerne die existenzielle Bedeutung der Frage „wo wohne ich?“ mit der nicht ganz so existenziellen Thematik der Altersvorsorge durch Vermieten von nicht selbst bewohnten Immobilien in einen Topf werfen und auf hohem Niveau herumjammernd ihre Risiken versuchen zu vergemeinschaften.

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Das macht die Vorgänge schwierig und langwieriger da hast du Recht. Aber es ist auf der anderen Seite ein wichtiges Korrektiv um staatliches Handeln einzuschränken. Ohne diesen Widerstand hätten wir jetzt noch mehr Autobahnen, größere Braukohletagebaue und und andere „Segnungen“ moderner Infrastruktur.

Was man als „wichtige Dinge“ ansieht ist ja immer eine Betrachtungsfrage. Es wird bestimmt irgendwelchen Entscheidungsträgern wichtig sein welche Farbe ein Dach hat (ich verstehe aber auch nicht warum).

Bezüglich Rendite bei Immobilien hier mal ein klasse dargestelltes Video. So simpel wie du es darstellst ist es nicht:

Und warum sollte das in unserer Wirtschaftsordnung nicht gehen gegen die Zentrierung von Wohnungen in Konzernen vorzugehen? Man braucht doch keinen Sozialismus dafür… Mal davon abgesehen, dass die meisten Immobilien in Privatbesitz sind und nicht bei den Konzernen.

Das stimmte bis in die 1950er Jahre, seit 1980 schlägt Aktien Immobilien um längen.

Quelle: The rate of return on everything. 1870-2015

Okay, bezüglich der Renditen müssen wir vielleicht noch mal darüber reden, wie wir sie messen.

Von Slartie wurde ja korrekterweise schon angemerkt, dass man halt diskutieren muss, ob man bei der Rendite auch die Wertsteigerung berücksichtigt oder nicht. Letztlich gehört auch die Wertsteigerung zur langfristigen Rendite, auch wenn dieser Wertzuwachs natürlich erst durch den Verkauf verwirklicht wird. Aber er kann durch Verkauf halt jederzeit verwirklicht werden, es ist so gesehen eine zwangsmäßig „gesparte“ Rendite.

Alleine die jährliche Wertsteigerung von Immobilien lag die letzten Jahre im Bereich von 10% - und man kann wohl kaum bestreiten, dass das eine mächtig hohe Rendite ist.

Wenn man das natürlich ausklammert kommt man zu mickrigen Renditen - aber das ist halt keine betriebswirtschaftlich sinnvolle Betrachtung. Denn das wäre eine Betrachtung, die nicht den Kauf einer Immobilie, sondern die Pachtung einer Immobilie zu Kaufpreisen beschreiben würde. Und das würde sich tatsächlich nicht lohnen…

Die Wertsteigerungen werden normalerweise in den Kalkulationen mit einbezogen. Zum Beispiel auch in dem Video von Finanztip. Von kontinuierlichen 10% Wertsteigerung pro Jahr kann man wohl kaum ernsthaft ausgehen.

Also die Postbank geht von 9,6% für 2020 aus. Andere Quellen, die ich spontan gefunden habe, gehen von ähnlichen Größenordnungen aus.

Wo würdest du die Kaufpreissteigerungsraten denn aktuell verorten?

Die Annahme, man könne allein aus den letzten 10 Jahren Erfahrung darauf schließen, dass 7-10% Wertsteigerung pro Jahr über mindestens weitere 20 Jahre zu erwarten seien, ist aber auch in keiner Weise sinnvoll. Das wäre nur dann möglich, wenn die allgemeine Verbraucherpreisinflation ebenfalls über diesen Zeitrahmen bei einem solchen Wert verharrt; ansonsten trocknet schlicht der Käufermarkt für Immobilien innerhalb einiger weiterer Jahre aus, weil sich das kaum jemand mehr leisten kann. Und die Immobilien werden dann entweder illiquide oder fallen gezwungenermaßen im Preis.

Bei breit gestreuten Aktienfonds gibt es meines Wissens Langzeit-Betrachtungen über ein ganzes Jahrhundert, die auf 4-7% Rendite in mehreren Jahrzehnten langen Zeiträumen innerhalb dieses Rahmens hinweisen (wobei die genaue Zahl natürlich vom exakten Kauf- und Verkaufzeitpunkt abhängt, da in dem Zeitrahmen mehrere starke Markteinbrüche zu verzeichnen sind).

Mir sind leider keine ähnlichen Berechnungen für Immobilien bekannt, die über ähnlich lange Zeiträume dieselbe Rechnung aufmachen: was bekomme ich real an Rendite über einen mehrere Jahrzehnte dauernden Anlagezeitraum, wenn ich zu unterschiedlichen Zeiten ein- und aussteige und die historischen Miet- und Kaufpreise zugrunde lege? Kennt da zufällig jemand was in der Richtung?