LdN283 - Energiewende macht Deutschland unabhängig von Importen?

Die Dartstellung zur Importunabhängigkeit von Energierohstoffen durch die Energiewende ist in der aktuellen Lage vielleicht etwas missverständlich bzw. optimistisch dargestellt. Auch wenn wir auf erneuerbare Energien umstellen, werden wir weiterhin Importe zur Deckung unseres Bedarfs benötigen. Ginge es nur um den Strommarkt, dann wäre die Eigenproduktion noch möglich. Nur, den ganzen Wasserstoff, den wir zusätzlich in der Industrie brauchen, können wir nicht ausschließlich in Deutschland erzeugen. Nicht umsonst wurde auf der letzten Reise von Robert Habeck in die VAE nicht nur über Gas gesprochen, sondern auch eine Wasserstoffkooperation initiiert.
Zu hoffen, dass wir durch die Energeiwende vollständig unabhängig werden, ist leider Augenwischerei. Aber wir können natürlich unabhängiger als jetzt werden. Im Jahr 2020 hat Deutschland ca. 70% seiner Primärenergieträger importiert (Quelle: BMWK - Energiedaten: Gesamtausgabe). Wenn wir das im Zuge der Energiewende halbieren könnten, wäre das schon ein Fortschritt. Und wir können die Importe vielleicht etwas besser über mehrere Länder verteilen und uns nicht nur von einem Land abhängig machen. Da sollten wir natürlich nicht die gleichen Fehler wieder machen.

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Das kommt darauf an. Natürlich können wir komplett unabhängig werden und auch grünen Wasserstoff selber erzeugen. Das bedeutet nur noch mehr Windkrafträder und PV Anlagen.
Jedoch wird dieser Wasserstoff weniger effizient produziert, als wenn er aus Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung kommt, wie Chile, VAE usw.
Es ist also mehr eine wirtschaftliche Frage, als eine technische.

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Der Transport bedeutet aber wieder Verluste, was den Vorteil der Effizienz zumindest teilweise wieder negiert.
Auch muss der Wasserstoff stärker komprimiert werden, was größeren Energieaufwand bedeutet. Da sind wir dann wieder im technischen Bereich.

Ich glaube du wirst hier ein Stück weit 2 Sachen zusammen. Wasserstoff ist ja nur dann ein Energierohstoff, wenn er z.B. in Kraftwerken zur Stromerzeugung eingesetzt wird.

Bei dem „grünen Wasserstoff“ für beispielsweise die Stahlindustrie geht es aber um die Verwendung als Rohstoff, der in einer chemischen Reaktion verbraucht wird.

Das mag wie Haarspalterei klingen, aber als Energierohstoff ist Wasserstoff natürlich viel universeller und wichtiger, als der Wasserstoff, der nur in einer Industrie, z.B. Stahlherstellung, eingesetzt wird.
Hinzu kommt, dass wir bei der Stahlherstellung wegen des Eisenerzes ja sowieso auf Importe angewiesen sind und dann kann man auch ruhig den Wasserstoff dazu auch importieren.

Und rechnet man die Wasserstoffmengen heraus, die von Chemie- und Stahlindustrie als stofflicher Rohstoff verwendet werden, dann sieht es mit der Eigenversorgung von Deutschland mit tatsächlicher Primär-Energie auch gar nicht mehr so schlecht aus.

Wenn jemand Interesse an der Energiewende im Stromsektor hat, darf sich gerne mal den Szenariorahmen und Netzentwicklungsplan der ÜNBs anschauen. Hier werden mehrere Szenarien bis 2045 aufgezeigt und es wird auch Stellung genommen zur Abhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland. Es wird klar, dass sowie gerade geplant wir auch noch in Zukunft von Energieimporte abhängig sein werden, aber in deutlich geringeren Maße. Die Netzentwicklungspläne sind auch für Laien gut verständlich und sollen den möglichen Weg in eine Erneuerbare Zukunft aufzeigen. Netzentwicklungsplan Strom | Netzentwicklungsplan Das ist die offizielle Seite der ÜNBs . Die Dokumente haben schon einiges an Länge, also einen Abend darf man da schon investieren, aber es lohnt sich um sich in diesem Bereich weiterzubilden.
Gruß David

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Ein kleiner Nachtrag zur Einordnung. Die Übertragungsnetznetzbetreiber haben die Verantwortung für das Höchstspannungsnetz. Das sind in Deutschland die 380/220 KV Spannungsebene. Sie sind somit wichtige Akteure im Energiesektor. Zum Einlesen empfiehlt sich zuerst den Szenariorahmen anzuschauen, da auf diesem die Netzentwicklungspläne sozusagen basieren.
Gruß David

Hallo @UlfH :slight_smile: Im Wesentlichen stimmen die meisten Ausbauszenarien für Klimaneutralität mit Deiner Einschätzung überein, dass ab einem gewissen Punkt der massive Import von grün erzeugtem Wasserstoff eingeplant wird:

Es gibt sicherlich noch mehr Studien und Dokumente, wie etwas den von @Davidus erwähnten Netzentwicklungsplan Strom und wahrscheinlich hat Agora Energiewende auch Konzeptpapiere und Habecks Ministerium wird ebenfalls an einem Rahmenplan basteln, in denen auch an irgendeiner Stelle dann „den Rest muss grüner Wasserstoff leisten“ auftaucht. Für mich hat dies immer etwas von Deus Ex Machina und es scheint sich um den in der Regel am wenigsten spezifizierten Teil der Energiewende zu handeln. Importländer, Infrastruktur, die Frage, wie man Etikettenschwindel vorbeugt und wie man sich hier diversifiziert, scheinen mir noch diskutiert werden zu müssen.

Man bekommt allerdings beim Lesen der Studien auch den Eindruck, dass die VerfasserInnen automatisch davon ausgegangen zu sein scheinen, dass der künftige Ausbau Erneuerbarer (insbesondere der Windenergie) auf jeden Fall behindert werden wird. Besonders deutlich wird das in der obigen Studie des Fraunhofer ISE, bei welcher die simulierten Szenarien danach strukturiert werden, wie stark der Windkraftausbau tatsächlich ausgebremst werden wird (die meisten Dokumente stammen noch aus der Zeit, als im Wirtschaftsministerium eine Menge dafür getan wurde, dass die Energiewende scheitert und z.B. die Ausbaumengen immer weiter gedeckelt wurden. In den Studien wird angeommen, dass dieser Trend nicht völlig umgekehrt werde und in Zukunft zu Versorgungslücken führe, die mit Importen gestopft werden müssten.

Inzwischen kann man, angesichts des Regierungswechsels, in dem die Grünen relativ freie Hand bei der Gestaltung des künftigen Energiesystems bekommen haben (unter anderem dadurch, dass sie die Verkehrswende geopfert haben) und nun auch durch Russlands Krieg gegen die Ukraine eine Dynamik ergibt, die dem Ausbau der Erneuerbaren noch einmal mehr Dynamik verleiht. Ob damit 100% Versorgung des Primärenergiebedarfs Deutschlands durch im Land erzeugte erneuerbare Energie mittelfristig möglich sein wird, ist schwer zu beurteilen, aber ich denke, dass obige Szenarien eher pessimistisch sind. Hinzu kommt, dass die Maßzahl „Primärenergie“ vielleicht nicht mehr das beste Maß ist, um über zukünftige Energiesysteme nachzudenken: Die Verluste beim Umwandeln fossiler Energieträger in Endenergie sind enorm, was deren Anteil am Primärenergiebedarf unnötig aufbläht. Salopp gesagt ersetzt z.B. 1TWh Strom, mit dem E-Autos betrieben werden ca. 5 TWh Öl. 1TWh Windstrom ersetzt 2-3 TWh Gas oder 3 TWh Kohle in Kraftwerken.

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Die Fraunhofer Studie sagt ja für alle vier betrachteten Szenarien einen signifikanten notwendigen Primärenergie-Import (z.B. Wasserstoff aber auch Syn-fuels etc.) voraus. Nur dass es im Szenario Inakzeptanz (wo Windkraft kaum noch ausgebaut wird) ~1000 TWh/Jahr sind und im Szenario Suffizienz ~300 TWh/Jahr. Dabei ist letzteres Szenario fast schon unrealistisch optimistisch. In allen Fällen ist es allerdings erheblich weniger Import als heute (~2500 TWh in Form von Kohle, Gas, Öl).

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Alles richtig. Man muss halt die Effizienzen gegenüberstellen und schauen was besser ist.

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Sehe ich auch so. Man sieht ja auch, dass die Diskussion hin zu mehr Windkraft-Flächen geht:

Auch die Flächenregelungen in Bayern werden wohl früher oder später fallen.

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@MarkusS Ich verstehe schon Deine Skepsis. Man darf ja auch nicht vergessen, dass es bisher nur Konzeptpapiere auf Seiten der Wissenschaft und Absichtserklärungen seitens der Politik gibt. Dadurch wird noch kein einziges Windrad gebaut.

Aber um mein obiges leicht optimistisches Gefühl ein wenig zu untermauern, habe ich noch einmal die Ausbauziele für Erneuerbare bis 2030 in den vier Szenarien aus obigem Fraunhofer-Bericht herausgesucht (Abbildung 3 auf Seite 13): In der

wird eine installierte Kapazität von Solar- und Windenergie in Deutschland zwischen 301 und 346 GW installierter PV- und Winderzeugungskapazität im Jahr 2030 angenommen, wobei zwischen 64 und 119 GW aus Windenergie stammen sollen (Der konkrete Mix hängt vom betrachteten Szenario ab - kann man im Detail im Original nachlesen, falls man interessiert ist :slight_smile: ).

Halte ich das Dokument zur Eröffnungsbilanz Klimaschutz des BMWK daneben, welche die bisher aktuellste Absichtserklärung der Regierung zur Energiewende darstellt, die mir bekannt ist, dann werden darin 330 GW installierter Leistung PV+Wind bis 2030 angepeilt, wovon 130GW Windenergie sein sollen (100 GW an Land und 30 GW offshore).

Da der Kapazitätsfaktor von Windenergie mehr als doppelt so hoch ist, als der von PV, würde in den Plänen der Bundesregierung schon 2035 deutlich mehr grüner Strom erzeugt und der Überschuss chemisch eingespeichert, als in allen vier Szenarien aus der Fraunhofer-Studie.

Wie gesagt sind das alles nur warme Worte von PolitikerInnen und bis 2030 wird noch viel Wasser den Dnieper herunterfließen, aber es begründet meine Hoffnung, dass wir uns einen beträchtlichen Teil der befürchteten Wasserstoffimporte in ein paar Jahrzehnten sparen können.

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Hätte ich bisher auch unterschrieben. Aber, …
für ganzen Umwandlungsverluste + Transport führen dazu, dass wahrscheinlich der gelieferte grüne Wasserstoff nicht bezahlbar ist in Deutschland.
Sonne Strom Entsalzung Wasser Elektrolyse Verdichtung Transport Stromerzeugung in Deutschland
Solange die anderen Länder nicht selbst zu 100% Energie aus regenerativen Quellen gewinnen, solange wird jeglicher Wasserstoff der geliefert wird, nicht grün sein. Außerdem, warum erlauben wir uns wieder den Blick nach Afrika und belegen dort Flächen für unseren Energiehunger anstatt dies bei uns zu Hause zu tun?

Sehr guter Punkt. Den hatte ich nicht auf dem Schirm.

Weil Afrika sehr, sehr viel Fläche zur Verfügung hat. Diese Fläche ist Wüste und kann nicht anders bewirtschaftet werden.
Eine Wüstenfläche von 300 x 300 Kilometern soll ausreichen, um die ganze Welt mit Strom aus Photovoltaikanlagen zu versorgen, berechnete das Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt vor einigen Jahren.

Und man könnte sogar anfangen die Wüste wieder zu begrünen, wenn man wollte. Es scheitert einfach an politischen Entscheidungen bzw. Stabilitäten

Nochmal zum Thema Optimismus/ Pessimismus bezüglich des Ausbau Erneuerbare Energien. Habe mir letztes Jahr mal die Mühe gemacht aus dem Marktstammdatenregister Daten zur In Betrieb genommenen WEA Onshore Leistung pro Jahr herauszuarbeiten.

Die Daten sind nicht immer 100 prozentig genau und korrekt können aber eine ungefähre Tendenz angeben. Man erkennt hier deutlich das bis 2017 ein enormer Zuwachs zu verzeichnen ist, es danach aber nicht mehr so wirklich rosig aussieht. Das deckt sich auch zum Teil mit den Zuschlagsmengen, welche auf der BNetzA Seite aufgeführt sind. Wie viel von der installierten WEA Leistung Repowering ist, habe ich aber nicht untersucht.
Was aber eigentlich gesagt werden soll ist, dass mit den heutigen Zubauraten wir die gesteckten Ziele weit verfehlen werden. Wie bräuchten schon Zubauraten über der von 2017 und das jedes Jahr. Ich würde es mir wünschen aber die erklärten Ambitionen spiegeln sich bisher nicht in den Zahlen wieder……

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P.S : wenn Interesse besteht könnte ich auch mal in ruhigeren Zeiten mir nochmal die Daten anschauen und etwas ausführlicher verschiedene Aspekte
, wie zum Beispiel Low- und Highperformer der Bundesländer in Sachen Ausbau dezentraler Energieerzeugung, herausarbeiten. Die staatlichen Institutionen sind da doch recht transparent und stellen einiges an Daten zu Verfügung.
Gruß David

Und das reicht bei weitem nicht. Wie sich die Bundesregierung das vorstellt sieht man in der von @cors verlinkten Absichtserklärung des Bundes.


Ausbauraten bis 2030 für Wind ca. verachtfachen :slightly_smiling_face:. Für Solar vervierfachen. Da kommt mir der Habeck’sche Faktor 3 irgendwie leicht untertrieben vor :thinking:

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Sehr gute Angaben zum Windkraftausbau findest du in dieser Studie des Bundesverbandes Windenergie:
Status des Windenergieausbaus an Land in Deutschland
Dort ist auch das Thema Re-Powering aufgeführt.

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Danke für den Link. Super spannend, da als Datenbasis ebenfalls die Ausschreibungen der BNetzA und das Marktstammdatenregister genutzt werden. Ich werde in den nächsten Tagen mal sowas für das 1.Quartal 2022 erstellen. Wenn’s gut wird kann ich es ja hier zu Verfügung stellen :slight_smile: