LDN282Corona, keine Überlastung des Gesundheitswesens? Ihr jetzt auch noch?

Hallo, Sie sagen das Gesundheitswesen sei nicht überlastet. Und fügen gleich hinzu, die Krankenschwester oder die Ärztin würden das anders sehen. Da kann ich Ihnen nur voll und ganz zustimmen. Wie sich die Lage an meinem Klinikum darstellt - welch dramatische Ausmaße das angenommen hat können Sie sich in folgendem kurzen YouTube-Video angucken: Corona-Update aus dem Klinikum vom 16.03.22 - YouTube
Und das nach zwei Jahren Dauerausnahmezustand und fehlender Ausgleichsmöglichkeiten wg. vielen Einschränkungen im Freizeitbereich, weglaufenden Kolleginnen. Ich habe das Gefühl, da will keiner mehr hinschauen. Es frustriert noch mehr, das auch von Ihnen zu hören. LG P.

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Das Statement in dem Video deckt sich sehr mit den Schilderungen einer guten Freundin, die ebenfalls als Pflegerin im Gesundheitswesen arbeitet und vollkommen überlastet ist.
Von Ihr weis ich aber auch, dass ein fast alle Kolleginnen ausfallen, entweder weil sie überlastet sind oder weil sie nach einem positiven Covid-Test nicht mehr arbeiten dürfen, obwohl sie keine oder nur sehr schwache Symptome haben.

Daher fällt es mir extrem schwer der Idee zu folgen, weiterhin die Gesellschaft runter zu fahren, um das Gesundheitswesen zu entlasten, ohne innerhalb des Gesundheitswesens nach Möglichkeiten zu suchen, dieses zu entlasten. Warum kann denn eine infizierte aber körperlich gesunde Pflegekraft nicht mit ebenfalls infizierten Patienten arbeiten? Selbstverständlich unter Einhaltung der sowieso vorherrschenden Schutzmaßnahmen.

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Die juristische Bewertung, eine Überlastung sei aktuell nicht gegeben, stellt immer nur auf genau jetzt ab.

Die Zahlen steigen wieder, seitdem kürzlich 2G und 3G-Regeln gelockert wurden. Dieser Anstieg wird sich - wenn wir nichts tun - exponentiell beschleunigen. Allerdings lockern wir jetzt. Das wird ohne Zweifel dazu führen, dass die Inzidenzen sich noch schneller beschleunigen werden.

Der Saisonalitätseffekt hat in Südafrika die Omikron-Welle auch nicht verhindert.

Es ist also absehbar, dass das Gesundheitssystem damit sehr bald an eine Grenzen kommen wird.

Wieso reicht dies nicht aus als Rechtfertigung zumindest für niedrigschwellige Maßnahmen?

M.E. ist die juristische Begründung nur Rhetorik, die FDP hat sich hier schlicht durchgesetzt.

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Ich prognostiziere: es geht uns sehr bald wie Österreich.

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Ist das ein ernst gemeinter Vorschlag? …weil das ein körperlich sehr anstrengender Beruf ist und er/sie eine Virusinfektion hat?!? Was sollen denn die Beschäftigten im Gesundheitswesen/ in den Pädagogik / im Verkauf etc. noch alles stemmen?

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Danke @Stelli, genau das habe ich mir auch gedacht, als ich das im Podcast gehört habe. Die eigentliche Frage ist doch, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit wir vermelden können „Gesundheitssystem überlastet“?

  • Corona-Patienten mit Fliegern der Bundeswehr in andere Länder verlagern?
  • Mitarbeiter im Rettungsdienst die lange telefonieren müssen um überhaupt eine aufnahmebereite Klinik für ihren Patienten zu finden?
  • Ärzte und Pflegepersonal die einen riesigen Berg an Überstunden vor sich her schieben?

Ich denke, wir haben alle diese Kriterien schon erfüllt und vor allem das letzte Kriterium ist ja das schlimmste. Die Menschen im Gesundheitswesen sind ja keine Bürokraten oder Handwerker denen pünktlich zum „Feierabend“ ihr Werkzeug aus der Hand fällt und dann geht man eben heim. Ich lese so viel von Ärzten und Pflegekräften die einfach weiter machen obwohl sie eigentlich mit ihrer Schicht längst fertig sind. Aber wenn sie nicht weitermachen, dann stirbt vielleicht ein Mensch. Und klar, keiner will mit dem Gedanken leben „Ja, nur weil ich pünktlich Feierabend gemacht habe ist Patient XYZ gestorben“. Das Pflegepersonal wird so quasi emotional erpresst.

Und diese Überlastung ist ja nicht erst mit Corona gekommen, die war ja schon lange da. Jetzt verschärft sich die Situation und ja, auch wenn ich nicht im Gesundheitswesen arbeite kann ich sehr gut nachfühlen, wie sich die Menschen dort fühlen wenn die Politik wieder von „Wir haben eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden“ schwafelt.

Vielleicht einfach mal eine „Messlatte“ definieren und wöchentliche oder monatliche „Scorecards“ erstellen, wie es tatsächlich objektiv betrachtet aussieht. Solange die Auslastung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen ständig deutlich größer als 100% ist kann keiner ernsthaft behaupten wollen, das Gesundheitssystem wäre nicht überlastet.

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Das ist in der Tat die eigentliche Frage.

Mit „Überlastung des Gesundheitssystems“ ist vermutlich der akute Zustand gemeint, in dem nicht mehr alle Patienten versorgt werden können, es daher zu einer Triage kommt. Das ist der Punkt mit der Überlastung.

Dass im Gesundheitssystem bereits vor Corona eine hohe und seit Corona eine extrem hohe Belastung gegeben ist, wird denke ich von niemanden bestritten…

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Der „Vorschlag“ kam unabhäng voneinander von zwei Frauen, die im Gesundheitswesen arbeiten.

Ja, hier gibt es definitiv Definitions- und Monitoringbedarf. Nur an die Intensivbetten zu denken ist weit zu kurz gedacht. Leider scheint niemand daran zu denken, dass es auch Menschen gibt, die im Gesundheitswesen unter kaum erträglichen Bedingungen arbeiten. Im produzierenden Gewerbe hätten wir längst massive Streikwellen gesehen. :frowning:

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Und was ist für Sie Triage?

wenn der Herzinfarktpatient an drei Kliniken mit Herzkatheterlabor vorbeigefahren wird, weil es dort keine Aufnahmekapazität gibt und dann, 55 Minuten, nachdem er im ersten Krankenhaus den lebensrettenden Stant schon hätte gerade mal in der Notaufnahme ankommt…

wenn die junge Frau mit dem Eierstockkrebs mehrmals aushalten muss, dass die OP nicht stattfindet…

wenn die Pflegekräfte der Intensivstation ein, zwei oder drei Patienten mehr betreuen müssen, als der Pflegeschlüssel zulässt…

Das findet alles immer wieder statt! Jede/r kann jederzeit davon betroffen sein. Wir sollten nicht mehr wegsehen.

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Das stimmt, aber bei uns „sterben immer Menschen. DAS GEHT JA GAR NICHT“ Finde den Fehler!

Hello , ich habe mich ebenfalls wie viele der Kommentatorinnen hier schwer mit eurer Einschätzung bzw. dem Kommentar zum „Gesundheitssystem“ getan: „Ja ist am Limit, aber bricht noch nicht zusammen“. Eben weil Ulf hinzu gesetzt hat, dass ihr ja wüsstet, wie belastet alle sind, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten, verstehe ich nicht, wieso ihr am Ende diese sehr kapitalistische Logik in der Differenzierung zwischen „be- aber nicht überlastet“ in euren Worten übernommen habt. Was ist das für ein Maßstab, an dem wir die Belastung als „noch auszuhalten“ messen? (Zumal als Personen, die nicht in Bereich arbeiten?) So wie ich es in den letzten zwei Jahren (und davor ja auch schon) wahrgenommen habe, läuft „das System“ ja nur, weil die Individuen, die es ausmachen eben AM LIMIT arbeiten, persönlich zusammenbrechen oder sich eben über ein gesundes Maß hinaus aufopfern. Dass auf diese Weise das „System“ noch läuft, kann man meines Erachtens nur so interpretieren, wenn man die Ausbeutung der Einzelnen im System akzeptiert und in den Betrieb mit einrechnet. Am Limit sollte kein modus operandi der care work sein!
Aus eigener Erfahrung kann ich zum Bereich „Kita“ sagen, dass da das System seit einem Jahr massiv und definitiv immer wieder zusammenbricht. Also klar, die Kita hat zweitweise auf (tageweise auch ganze Gruppen geschlossen, weil zu viele Erzieher
innen gleichzeitig positiv sind), aber es wird Personal von anderswo ausgeborgt und zusammengesucht - es kam teilweise 1 festangestellte Person auf über 10 Kinder im Krippenbereich - das ist doch keine Fürsorge und frühkindliche Erziehung, die „läuft“. In meinen Augen ist da schon ein erheblicher Teil „zusammengebrochen“.

Ich fänd es toll, wenn ab und an der sehr verschleiernde Begriff „System“ ganz konkret in die Akteur*innen übersetzt wird, die ihn füllen. Ein „System“ kann vielleicht länger „irgendwie laufen“, als wenn man ganz genau hinschaut und die Menschen im Blick hat, die darin wirken und sich konkret fragt, wie deren Alltag aussieht, wie sie wohl nach Hause gehen nach einer Schicht. Wie sie die zusätzliche care work auffangen, die nicht von den anderen „Systemen“ grad abgedeckt wird usw. Erfahrungsberichte dazu gibt es ja genug.

Vielen Dank fürs Lesen :slight_smile:

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Vielen Dank für den tollen Kommentar. Das bringt es für mich auf den Punkt. Es gibt Fachgesellschaften, die genau hinschauen, nur dass das niemand wissen will.

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