LdN272 - Kritik an staatlichen Institutionen in der Covid-19 Pandemie

Hallo,
Erneut eine spannende Folge. Danke dafür.

Mir ist an zwei Stellen aufgefallen, dass ihr „das System“ recht stark kritisiert. Mir fehlen hier allersings Lösungsansätze:

  1. Kontrolle von Quarantäne und Arbeit der Gesundheitsämter

Wer soll die Aufgaben übernehmen? Ich finde auch, dass hier mehr getan werden müsste, aber die kommunalen Haushalte sind nicht gerade finanziell gut ausgestattet und es fehlt einfach an Personal an allen Ecken und Enden. Die reine Feststellung ist also richtig, aber eine Lösung ist m.E. nicht ansatzweise in Sicht.

  1. Polizei und Spaziergänge

Natürlich wäre es gut, wenn die Polizei hier stärker vorgehen könnte. Aber: es ist ja nicht so blöd von den Spaziergängern, überall gleichzeitig zu Märschen aufzurufen, auch wenn ich die meisten Mitläufer ansonsten schon für blöd halte. Auch hier sind die Kapazitäten der Polizei endlich und jeder Einsatz kostet massiv Geld. Ich fände es gut, wenn „wir“ uns die Sache entsprechend leisten würden als Gesellschaft, aber auch hier ist die reine Feststellung zu kurz gedacht. Zunächst müssten die Mittel und das Personal da sein. Der Schwarze Block, von dem ihr spricht, macht alle paar Monate in einer Stadt irgendetwas. Da kann man Kapazitäten besser bündeln, als bei diesen unsäglichen Montagsdemos der Schwurbler. Daher hinkt der Vergleich. Wir sind uns aber einig, dass härteres Vorgehen wünschenswert wäre.

Gruß aus dem Nordwesten

Weil hier direkt wieder nach mehr Mitteln für die repressiven Institutionen gefordert wird, was letztlich dazu führen wird das gewisse Gruppen mehr poliziert werden und das werden sicherlich nicht rechte Gruppen sein werden, Frage ich mich dann doch welches Bild der Polizei dem zu Grunde liegt. Eigentlich sollte es nicht so schwer sein infos aus rechte Gruppen und offenen Telegramm Gruppen so zusammen zu führen dass man eine Idee der Lage bekommt. Die Polizei hat schon Erfahrung mit dezentraler Organisation von Aktionen, schließlich machen die linkne das seit je her und viele zivilgesellschaftliche Akteure scheinen sogar in ihrer Frezeit dazu in der Lage zu sein nen Überlick zu bekommen.

Was die Mittel angeht: An Hardware kann es kaum mangeln, wenn man sich anschaut was gegen linke Demos aufgefahren wird. An Personal und Zeit scheints auch nicht so richtig zu mangeln, wenn man in Hamburg eigene Einheiten abstellen kann um Sticker und Graffitis zu entfernen. Wenn man in Köln relativ willkürlich Leute festsetzen, in Hamburg linke auch mal für 13 Stunden kesseln oder in München jeden mit Stickern oder Northface Jacken kontrollieren kann, scheinen die rechtlichen Vorschriften sofern überhaupt noch Vorhanden (die neuen Polizeigesetzte ermöglichen mittlweile auch Sachen jenseits der verfassung) mehr oder minder für den einzelnen Einsatz egal zu sein. Schließlich hatte auch der Hamburger Kessel trotz gerichtlich festgestelltem Rechtsbruchs keine Konsequenzen, außer dass es selbst einige Polizisten gruselte, was möglich ist bzw. die eigenen Kollegen so treiben.

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Hier würden bessere Informationen für Bürger mit Eigenverantwortung schon helfen.
Ich komme immer wieder an den Punkt wo das Gesundheitsamt als Informationsquelle genannt wird aber ein Durchkommen unmöglich ist.
Ein Lösungsansatz wären einfach auffindbare FAQs für wiederkehrende Fragen.

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Das Herausfinden, wo bzw ob etwas stattfindet, ist vermutlich kein Problem, das sehe ich auch so. Aber das Vorgehen dagegen und der massive Einsatz von Personal ist dann schon eine andere Hausnummer. Die Anzahl der gleichzeitig stattfindenden Demos ist auch definitiv ein Kapazitätsproblem. Hier in der Ecke werden im Übrigen alle Aktionen ganz ordentlich begleitet von der Polizei. Dies ist zumindest mein Gefühl.

Die Infos sind schon vorhanden, aber sie müssen doch nicht von jedem GA gepflegt werden. Ein Verweis auf die landesweiten Regeln sollte so lange reichen, so lange es keine Besonderheiten in dem Landkreis gibt. Auf den Seiten der Landesministerien sind die Infos meiner Ansicht nach vorhanden. Dies herauszufinden, unterstützt durch Verlinkungen, sollte für den Großteil der Menschen möglich sein.

Ressourcenaufteilung in der Situation ist aber auch möglich. Es werden schon gefahren und risiko einschätzung gemacht, die Basis dieser Einschätzung ist letztlich das Problem da ich infragestellen würde dass die einfach nur fehlerhaft wären. Es gibt genug Beispiele Wo man lieber frühzeitig Gegendemos gekesselt hat.

Letzten wurde in Leipzig sogar ne linke Demo abgesagt und Trotzdem war die Stadt voll mit Polizisten aus anderen Bundesländern. Denn selbst ein abgesagte Linke Demo scheint gefährlicher zu sein als eine Stattfindende rechte…

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Bei manchen Infos sucht man sich halt einen Wolf, deshalb wäre es förderlich die Infos einfach und niederschwellig zu finden.

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Ich möchte mich hier einmal als Mitglied der Verwaltung zum 1. Punkt einlassen, weil mich dieser schon mehrfach in der Lage gestört hat. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es bezüglich Quarantäne wie Fallzahlen nicht so einfach ist, wie die Lage es sich hier wiederholt macht.

1.) Gibt es durchaus Ländern, wie z.B. NW, die die Quarantäne aufgrund der Vielzahl der Fälle im Verordnungswege regeln. Das heißt, grundsätzlich befindet sich jeder positiv Getestete in Quarantäne auch ohne individuelle Verfügung. Das hilft vielleicht nicht bei der Kontaktpersonennachverfolgung, aber es ist auch nicht so, dass jeder zunächst auf den ÖGD warten müsste.

2.) Kontaktpersonennachverfolgung und ganz allgemein rechtliche Regelungen setzen auch voraus, dass eine Kontrolle des Regelungsrahmen realistisch erfüllbar ist. Wir haben heute ca. 46.000 Neuinfektionen, ich runde einmal auf 50.000. Nehmen wir an, diese Personen haben gemittelt nur 5 Kontakte gehabt, reden wir von 250.000 Quarantänen pro Tag, die mit jedem Tag weiter aufwachsen. Wer genau soll diese wie über das Stichprobenartige hinaus kontrollieren? Und was genau ist der epidemiologische Mehrwert eines zB einmaligen Besuchs in einem Zeitraum von 10 oder bald 5 Tagen? Und wie viele Personen, die die Regeln nicht zu befolgen gedenken werden sich abhalten lassen, weil z.B. 5% aller Quarantänisierten einmaligen Besuch erhalten?

Die Erwartungshaltung ist bei den derzeitigen Infektionszahlen „out of the world“. Man kann das recht gut mit der StVO vergleichen: wieviel Prozent der Verstöße werden wohl geahndet? Und wie sehr motiviert dies die Verkehrsteilnehmer zum Regelbefolgen?

3.) Die leidigen Fallzahlen über Weihnachten. Bevor man auf den ÖGD oder allgemein die Exekutive gesamtglobal einschlägt, muss man sich bitte auch klarmachen, wie die Fallzahlen zustande kommen. Ich stelle gar nicht in Abrede, dass es sicherlich Gesundheitsämter gibt, die ihren Mitarbeitern über Weihnachten auch frei geben (das würde ich, wäre ich GA-Leitung übrigens zwingend auch tun), aber es liegt nicht nur an diesem Ende der Meldekette. Auch Labore geben ihren Mitarbeitern über Weihnachten frei und nicht jedes Labor ist an ein Krankenhaus oder eine 24/7-Versorgung angeschlossen, sodass es jederzeit Abstriche auswerten könnte und dies auch tut. Auch Hausarztpraxen, die neben Bürgerteststellen einen Großteil der Abstriche durchführen dürften, haben über die und auch zwischen den Feiertagen geschlossen, sodass allgemein einfach die Zahl der Tests sinkt und damit auch die Zahl der überhaupt meldbaren Infektionen. Und wir haben zu diesem Zeitpunkt noch nicht darüber gesprochen, ob Personen, die sich über Weihnachten/Silvester krank fühlen überhaupt zum Arzt oder Test gehen.

Es ist also ein multifaktorielles Problem, was eben nicht nur bei Akteuren liegt, auf die staatliche Institutionen oder auch nur Berufsvertretungen (Ärztekammern etc.) unmittelbaren Zugriff hätten. Und es ist eben nichts, was man mal eben „in den Griff bekommen“ könnte, auch wenn ich hier für jegliche streamlinenden Vorschläge offen bin, die unterhalb einer vollständigen Reorganisation des Gesundheitssystems bleiben.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die völlige Fallzahlexplosion bis dato ausgeblieben ist, der Einfluss der Meldeverzüge also so massiv nicht gewesen sein kann. Auch sei darauf hingewiesen, dass die Arbeit in Verwaltung natürlich ebenso „grau“ ist wie überall sonst. Es gibt gute, weniger gute und alle Schattierungen dazwischen und darüber hinaus. Aber „mehr Personal“ allein löst überhaupt kein Problem, zumal man dieses nicht nur finden muss, sondern an sehr vielen Stellen der Systeme einsetzen müsste und am Ende je nach Maßnahmenpolitik trotzdem für jeden Infizierten eine neue Stelle bräuchte.

Viele Grüße

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Ich habe diese Anmerkungen auch als eine grundsätzliche Kritik verstanden. Es scheint so zu sein, dass die Suche nach der schwarzen Null und einer schlanken Verwaltung dazu geführt hat, Personal abzubauen. Darum steht man vor dem Dilemma, dass der Staat mehr Aufgaben hat als er bewältigen kann und dies aus meiner Sicht auch schon ohne diese Pandemie. Man bedenke nur die geringe Kontrolldichte in der fleischverarbeitenden Industrie.

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ja, so war es auch gemeint. In den USA gibt es für die fundamental-liberale bis konservative Strategie ein schönes Schlagwort: „starving the beast“, also „das Ungeheuer verhundern lassen“. Man finanziert staatliche Einrichtungen so schlecht, dass sie einen schlechten Job machen, dann wächst die Unzufriedenheit, man kann weitere Kürzungen durchsetzen etc, bis idealerweise der Staat so gut wie nichts mehr selbst macht und alles privatisiert ist.

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Umso wichtiger erscheint es mir, sehr differenziert zu sein, wenn es darum geht, wer wo einen schlechten Job macht. Sicherlich gibt es vielfältige Ansatzpunkte für Kritik, aber idR ist es mit mehr Mitteln oder Personal eben nicht getan.

Es muss letztlich nicht nur mehr oder zusätzliches Personal gefunden werden, sondern es gibt sowohl bei der Polizei als auch im ÖGD Qualitätsprobleme, die durch ein einfaches „Mehr“ eher verstärkt als behoben würden.

In NW wurden und werden zT so viele Polizeianwärter eingestellt, dass jeder 4. bis 5. Bewerber angenommen wird. Das ist natürlich Ergebnis schlechter Personalplanung nach politischer Wetterlage, aber ich helfe niemanden, wenn ich einfach jeden nehme, der sich bewirbt.

Und es muss auch klar sein, dass die wenigsten staatlichen Institutionen ihre Personalausstattung nach absoluten Sonderereignissen ausrichten. Es ist ein extrem vielschichtiges Thema, was sicherlich der Behandlung verdient, aber m.E. differenzierter als „wieso kriegen die es nicht hin?“

Ich bin absolut dafür, Personalpolitik mit mehr Augenmaß und langfristigem Blick zu betreiben. Die Frage ist, ob der ÖD dafür aufgestellt und attraktiv genug ist. Und die mir wichtigere Frage ist, welche Entscheidungen ich politisiere und welche nicht.

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