Ich möchte mich hier einmal als Mitglied der Verwaltung zum 1. Punkt einlassen, weil mich dieser schon mehrfach in der Lage gestört hat. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es bezüglich Quarantäne wie Fallzahlen nicht so einfach ist, wie die Lage es sich hier wiederholt macht.
1.) Gibt es durchaus Ländern, wie z.B. NW, die die Quarantäne aufgrund der Vielzahl der Fälle im Verordnungswege regeln. Das heißt, grundsätzlich befindet sich jeder positiv Getestete in Quarantäne auch ohne individuelle Verfügung. Das hilft vielleicht nicht bei der Kontaktpersonennachverfolgung, aber es ist auch nicht so, dass jeder zunächst auf den ÖGD warten müsste.
2.) Kontaktpersonennachverfolgung und ganz allgemein rechtliche Regelungen setzen auch voraus, dass eine Kontrolle des Regelungsrahmen realistisch erfüllbar ist. Wir haben heute ca. 46.000 Neuinfektionen, ich runde einmal auf 50.000. Nehmen wir an, diese Personen haben gemittelt nur 5 Kontakte gehabt, reden wir von 250.000 Quarantänen pro Tag, die mit jedem Tag weiter aufwachsen. Wer genau soll diese wie über das Stichprobenartige hinaus kontrollieren? Und was genau ist der epidemiologische Mehrwert eines zB einmaligen Besuchs in einem Zeitraum von 10 oder bald 5 Tagen? Und wie viele Personen, die die Regeln nicht zu befolgen gedenken werden sich abhalten lassen, weil z.B. 5% aller Quarantänisierten einmaligen Besuch erhalten?
Die Erwartungshaltung ist bei den derzeitigen Infektionszahlen „out of the world“. Man kann das recht gut mit der StVO vergleichen: wieviel Prozent der Verstöße werden wohl geahndet? Und wie sehr motiviert dies die Verkehrsteilnehmer zum Regelbefolgen?
3.) Die leidigen Fallzahlen über Weihnachten. Bevor man auf den ÖGD oder allgemein die Exekutive gesamtglobal einschlägt, muss man sich bitte auch klarmachen, wie die Fallzahlen zustande kommen. Ich stelle gar nicht in Abrede, dass es sicherlich Gesundheitsämter gibt, die ihren Mitarbeitern über Weihnachten auch frei geben (das würde ich, wäre ich GA-Leitung übrigens zwingend auch tun), aber es liegt nicht nur an diesem Ende der Meldekette. Auch Labore geben ihren Mitarbeitern über Weihnachten frei und nicht jedes Labor ist an ein Krankenhaus oder eine 24/7-Versorgung angeschlossen, sodass es jederzeit Abstriche auswerten könnte und dies auch tut. Auch Hausarztpraxen, die neben Bürgerteststellen einen Großteil der Abstriche durchführen dürften, haben über die und auch zwischen den Feiertagen geschlossen, sodass allgemein einfach die Zahl der Tests sinkt und damit auch die Zahl der überhaupt meldbaren Infektionen. Und wir haben zu diesem Zeitpunkt noch nicht darüber gesprochen, ob Personen, die sich über Weihnachten/Silvester krank fühlen überhaupt zum Arzt oder Test gehen.
Es ist also ein multifaktorielles Problem, was eben nicht nur bei Akteuren liegt, auf die staatliche Institutionen oder auch nur Berufsvertretungen (Ärztekammern etc.) unmittelbaren Zugriff hätten. Und es ist eben nichts, was man mal eben „in den Griff bekommen“ könnte, auch wenn ich hier für jegliche streamlinenden Vorschläge offen bin, die unterhalb einer vollständigen Reorganisation des Gesundheitssystems bleiben.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die völlige Fallzahlexplosion bis dato ausgeblieben ist, der Einfluss der Meldeverzüge also so massiv nicht gewesen sein kann. Auch sei darauf hingewiesen, dass die Arbeit in Verwaltung natürlich ebenso „grau“ ist wie überall sonst. Es gibt gute, weniger gute und alle Schattierungen dazwischen und darüber hinaus. Aber „mehr Personal“ allein löst überhaupt kein Problem, zumal man dieses nicht nur finden muss, sondern an sehr vielen Stellen der Systeme einsetzen müsste und am Ende je nach Maßnahmenpolitik trotzdem für jeden Infizierten eine neue Stelle bräuchte.
Viele Grüße