LDN261 - Verwaltungsdigitalisierung und Omlinezugangsgesetz

Wunderbar, dass Ihr das Thema Verwaltungsdigitalisierung aufgreift. Es ist wirklich notwendig und Euch geht es vermutlich so wie mir, wenn man sich mit einem Thema intensiver beschäftigt, baut man ggf. auch Vorbehalte und Vorurteile ab.

Ein paar Hintergrundinfos:

Das OZG ist nach den eGovernment-Gesetz der zweite Anlauf des Bundes. Ausgangspunkt: Der Bund hat sich beim Durchschlagen des Knotens beim Länderfinanzausgleich mittels Finanzspritze eine Grundgesetzänderung erkauft (14.10.2016 - Ergänzung des Art 91c Abs. 5 GG), die ihm Einflussmöglichkeiten bei der Verwaltungsdigitalisierung sichert [erstmalig, vorher Länderangelegenheit]. Auf dieser Grundlage ging es beim OZG zunächst um einen Portalverbund mit gegenseitiger Anerkennung der Konten (und damit irgendwie auch der Identitäten), aber man hat schnell gemerkt, dass Portale ohne „Verwaltungsdienstleistungen“ wenig bringen.
Damit kann der Bund Standards vorgeben, hat aber bisher in keinem einzigen Fall davon Gebrauch gemacht. Vielmehr sucht man Konsens im „IT-Planungsrat“, den es schon vor dem OZG gab und der auf einem Staatsvertrag fußt.

Kernprobleme sind beispielsweise

  • sichere und datenschutzkonforme Kommunikation,
  • gerichtsfeste Dokumentation aller Handlungen (grundsätzlich bei hoheitlichem Handeln hoher Anspruch, wichtig z.B. auch für Fristen etc.),
  • Schriftformersatz (statt eigenhändiger Unterschrift, da häufig Schriftform gesetzlich vorgegeben)
  • einfach handhabbarer Identitätsnachweis
  • nutzerfreundliche Formulare.

Dabei sind > 11.000 Kommunen, etwa 300 Landkreise + 107 kreisfreie Städte/Stadtkreise mit eigener Organisationshoheit und weitgehenden Selbstverwaltungsrechten zusammen mit hunderten von Landes- und Bundesbehörden umzubauen. Eine größere Kommune hat dabei schnell mal >600 sog. Fachverfahren.

Bei den 575 OZG-Leistungen handelt es sich eigentlich um Leistungsbündel (z.B. Kfz-An-/Ab/Ummeldung usw.) aus den insgesamt etwa 16.000 Verwaltungsleistungen des LeiKa (Leistungskatalog), wovon aber nicht alle einer direkten Digitalisierung zugänglich sind.

Zum Personalausweis: Es gibt neben dem Personalausweis auch zertifikatsbasierte Anmeldungen für Bürgerkonten (vgl. „ELSTER-Zertifikate“ bei der Steuer und für einfache Verwaltungsvorgänge auch die Möglichkeit der Nutzung mit nicht verifiziertem Namen (und PW). Im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen wurde beispielsweise die Kfz-Ummeldung auch ohne Anmeldung mit Personalausweis durchgeführt.
Nach der Ersteinrichtung (das „erste Mal“ ist immer aufregend!) ist die Verwendung des nPA (neuer Personalausweis mit eID) zur Anmeldung am Bürger:innen-Konto ( :grinning:) nicht mehr Aufwand, als an der Kasse mit EC-Karte zu zahlen. Ich führe das regelmäßig vor und beweise das auch gerne.

Das OZG wurde im Dezember 2020 geändert, so dass Unternehmenskonten/-portale auf der Basis der ELSTER-Zertifikate möglich wurden und seit kurz vor den Sommerferien stehen für die Wirtschaft deutschlandweit die Unternehmensportale zur Verfügung (Portalverbund - 1x anmelden, alle Leistungen nutzen / aber mit Rechte-/Rollenkonzept).

Und zuletzt: Gendern hat in der öffentlichen Verwaltung sein >25 (eher 35) Jahren Tradition und wir werden in aller Regel lächerlich gemacht, weil wir Verwaltungsleute das bis zum Exzess verinnerlicht haben - ich finde es echt lustig, wenn Euch das erst jetzt auffällt …

Ich habe >40 Jahre IT-Strategie und Verwaltungsdigitalisierung hinter mir und schule jetzt Rathausbeschäftigte [–> umschreiben ist auch ein Weg, um die Diskussion über die beste Schreibweise für Mitarbeiter_*:Innen zu umgehen] in ganz Bayern (>2000 Kommunen) als Multiplikatoren für die Digitalisierung („Digitallotsen“), halte Vorlesungen und Seminare (Uni, Hochschule) zur Verwaltungsdigitalisierung und bin als „unverbesserlicher Evangelist“ selbstverständlich auch für Gespräche mit Euch aufgeschlossen. Die Anmerkungen hier waren nämlich bestenfalls die Spitze des Eisbergs.

Herzliche Grüße aus München (ja ich kenne insbesondere die Situation in Bayern - und die Unterschiede in den Bundesländern sind erheblich)

PS: Der hier im Forum erwähnte Torsten Frenzel vom eGovernment-Podcast wäre wohl ein noch besserer Gesprächspartner für Euch - nehmt mal Kontakt mit ihm auf!
Und das Nationale E-Government-Kompetenzzentrum NEGZ hat ein Nachwuchsnetzwerk (N3GZ), bei dem es ganz, ganz viele Spezialist:innen und Verwaltungsmodernisierer:innen gibt (#Twitterverwaltung).

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