LdN254 Inflation - Geldpolitik EZB

Hallo Philip und Ulf,

ich bin nun schon seit geraumer Zeit Lagehörer und daher erst einmal vielen Dank für euer tolles Format!

In der letzten Sendung zum Thema Inflation ging es ja auch kurz um das Thema Geldpolitik der EZB. Hier wurde dann kurz festgestellt, dass die Mietpreissteigerungen nicht an der großen Verfügbarkeit von Geld lägen. Ich möchte hier aber darauf aufmerksam machen, dass viele Ökonomen genau an dieser Stelle sehr wohl einen direkten Zusammenhang sehen und die Geldpolitik der EZB als den zentralen Treiber der Immobilienpreis- und damit einhergehenden Mietpreissteigerungen ausgemacht haben. Eine Änderung der Geldpolitik würde daher mE das Problem der Mietpreissteigerungen an einer der Ursachen bekämpfen und ist daher unabdingbar um diesen Trend langfristig umzukehren oder zumindest abzuschwächen. Unten dazu noch ein paar interessante Artikel.

Viele Grüße
Philipp

https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-08/wohnungsmarkt-geldpolitik-mieten-immobilienpreise-europaeische-zentralbank

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Eine katastrophale Rezession ausgelöst durch einen Zinsanstieg würde schon irgendwann den Anstieg von Mieten verhindern, stimmt. Lange vorher würde es aber eine politische Gegenreaktion geben, die sich gewaschen hat.

Es wird oft und gern unerwähnt gelassen, warum das Zinsniveau in nahezu allen entwickelten Volkswirtschaften inzwischen nahe null liegt.

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Wärst Du so nett auch zu erklären, warum denn?

Genau, daher sollten die Zentralbanken und Regierungen aufhören zu glauben sie könnten die wirtschaftlichen Aktivitäten mit Geldpolitik steuern. Konjunktupolitik per Geldpolitik führt immwer wieder zu hohen Kosten in Form von Ungleichheit und Krisen. Keine niedrig Zinsen, keine Hochzinsen sondern eine regelgebundender mittlerer Pfad und nicht die diskretionären Eingriffe, die wir seid Jahrzehnten beobachten können, würde diese Probleme eher vermeiden.

Das Zinsniveau ist niedrig, weil die Investitionen von privater und staatlicher Seite seit Jahrzehnten zu niedrig sind, um für nennenswerten Inflationsdruck zu sorgen.

Warum sind die Investitionen von privater Seite niedrig?

  • Alterung und absehbar Schrumpfung der Bevölkerung machen Produktionsausweitungen überflüssig, da kein deutliches Nachfragewachstum zu erwarten ist.
  • Umverteilung des Volkseinkommens von Arbeitnehmern (tendenziell hohe Konsumquote) zu Kapitaleigentümern (=tendenziell niedrige Konsumquote) schwächt zusätzlich die Nachfrage.
  • „Sparprogramme“ der öffentlichen Hand gehen in die gleiche Richtung.

Warum sind die Investitionen von privater Seite niedrig?

  • Ausbau der öffentlichen Infrastruktur (Autobahnen, Schienenwege, Bürgerhäuser, Freibäder, etc.) ist zumindest dem Anschein nach im Wesentlichen abgeschlossen.
  • Fehlannahmen bezüglich eines negativen Zusammenhangs von öffentlicher Verschuldung und Wirtschaftswachstum/wirtschaftliche Stabilität führten zu unnötiger Ausgabenzurückhaltung.

Dabei stellt die absehbare Überalterung und anschließende Schrumpfung der Bevölkerungen in der gesamten „entwickelten“ Welt den Megatrend dar, der wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen so stark prägen wird, wie Wiederaufbau und Babyboom in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein über der Inflationsrate liegendes Zinsniveau ist ein Phänomen dieser vergangene Periode. Unter den gegenwärtigen Bedingungen wird es das nie wieder geben.

P.S. Passend zum Thema: Subscribe to read | Financial Times

Finde ich interessant - aber wenn das hier der Hautgrund ist:

Ist dann eine künstliche Inflation durch billiges Geld wirklich das was hilft? Denn das begünstigt ja im Grunde den zweiten Punkt:

Das hört sich für mich nach einem Kreislauf an, der sich selbst mit der Zeit verschärft… Ist da die Geldpolitik der EZB nicht etwas kurzsichtig?

Die diversen Aktionen der Zentralbanken dienen erstmal dazu, das System zu stabilisieren. Tiefgreifende Änderungen wären Aufgabe der Politik.

Das vorrangige Ziel der EZB ist die Preisniveaustabilität in der Eurozone. Nur wenn das erfüllt ist, kann über Unterstützungen der Wirtschaftspolitik nachgedacht werden.

Preisniveaustabilität in der Eurozone setzt das Fortbestehen der Eurozone voraus. Damit sind wir bei Draghis „whatever it takes“ und haben jedwede Handlung der EZB legitimiert.

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Funktioniert die Vorgehensweise der EZB? Wieviele Mrd. wurden da bereits aufgebracht? Muss die jemand zurückzahlen?
Folgendes passiert:

  • EZB verleiht günstig Geld an die Banken
  • Banken kaufen Staatsanleihen, die mehr Zinsen bringen, als sie an die EZB für das geliehene Geld zahlen müssen
  • EZB kauft Staatsanleihen

Das klingt positiv nach Wirtschaftsförderung.
Zugleich klingt es negativ nach der Umwandlung von öffentlichem Vermögen in privates Vermögen.
(vgl.: Welzer, Harald (2013): Selbst denken, S. 238f.)