LdN232 ambulante Psychotherapie

Liebes LdN-Team,
ich möchte euch ein großes Dankeschön dafür aussprechen, dass ihr die Versorgungssituation der ambulanten Psychotherapie in Deutschland so detailliert und pointiert dargestellt habt. Dafür, dass ihr auf die eklatante Unterversorgung aufmerksam gemacht habt und dieses Thema auf die öffentliche Agenda setzt.
Ich bin Psychologische Psychotherapeutin und habe mich beim Hören des Beitrags erschrocken, wie selbstverständlich für mich lange Wartezeiten schon sind. Es sollte keine Selbstverständlichkeit sein, es ist genau wie ihr sagt, ein absoluter Missstand. Empörung ist die angemessene Reaktion.
Eine kleine inhaltliche Ergänzung zu den niedergelassenen Psychotherapeutinnen ohne Kassensitz, zu denen ich auch gehöre: Wir können zum einen, wie ihr sagt, Selbstzahlerinnen behandeln. Aber auch privat Versicherte und Beihilfeempfängerinnen können eine Psychotherapie bei uns machen. Das führt dazu, dass meine Patientinnen vor allem Lehrerinnen, Anwältinnen, Medizinerinnen etc. sind. Auf der anderen Seite gibt es Kolleginnen mit Kassensitzen, die nur gesetzlich Versichterte aufnehmen, weil sie wiederum ihren sogenannten Versorgungsauftrag erfüllen müssen und damit ausgelastet sind. Es gibt die Ausgrenzung also in beide Richtungen. Ich schäme mich tatsächlich jedes Mal, wenn ich Anfragende nach ihrer Versicherung fragen muss, obwohl mir dieses System so widerstrebt. Es wäre ein Segen, diese Trennung nicht mehr machen zu müssen.
Viele Grüße aus Bonn,
Kerstin

Liebes Lage-Team,

ich melde mich als Arzt am Ende der Ausbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Erstmal Danke für den super recherchierten Beitrag. Ich wollte ein paar Anmerkungen zu eurem wertvollen Beitrag zu dem Thema machen, um vor allem noch einmal die Rolle der Psychiater etwas zu klären.
Es gibt drei Fachärzte, die vorrangig mit psychischen Kranken arbeiten:

  1. Psychiater
  2. Kinder- und Jugendpsychiater
  3. Fachärzte für Psychosomatik
    In allen drei Fachrichtungen ist es ausnahmslos verpflichtend für die Facharztprüfung eine (im Vergleich zu den psychologischen Kollegen) etwas veschlankte Psychotherapieausbildung in einem anekannten Psychotherapieverfahren abzuschließen (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische PT, systemische PT). Somit sind Psychiater in der Lage ambulante Psychotherapie anzubieten. Ich kann nun nur für mein Feld und meine individuelle Situation in einer großen Ambulanz sprechen, aber wir werden durch meinen Arbeitgeber (Ambulanz eines Bezirksklinikums) angehalten auch „reine“ ambulante Psychotherapie anzubieten (also wöchentliche Termine, mehr oder minder verfahrenstreu, zielgerichtet, supervidiert). Es sollte dabei nicht unerwähnt bleiben, dass für viele Patienten die Wartezeit auf eine dringend notwendige ambulante Psychotherapie durch niederschwellige, niederfrequentere Beratungs- und Gesprächstermine bei Psychiatern zumindest überbrückt werden kann. Für niedergelassene KollegInnen kann ich nun nicht sprechen, ich denke diese haben durch die Budgetierung nicht immer die Möglichkeit so häufig Termine anzubieten. Diese Gespräche haben bei gutem Beziehungsaufbau auch schon psychotherapeutischen Charakter und können sehr entlasten. Zudem können wir Psychiater bei der Koordinierung der weiteren Hilfen Unterstützung leisten, da die regionale Versorgungslandschaft bekannt ist.
    Also wir Psychiater verschreiben nicht nur Medikamente, vor allem im Kinder- und Jugendlichenbereich ; )

Herzliche Grüße,
Michael

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Das kann ich so nicht nachvollziehen. DIe Mindestanforderung bei einem vollen Kassensitz liegt bei 25 Stunden pro Woche. Damit sind nicht nur Therapiestunden gemeint, sondern auch alle Erstkontakte, Berichte für den Gutachter, Tests/Diagnostik etc. Und selbst die 25h werden kaum kontrolliert. Wenn zugelassene Therapeuten sich auf Kassenpatienten beschränken, tun sie das freiwillig. Eine Rolle dabei spielen könnte auch, dass anders als bei anderen Arztgruppen die GKV für Psychotherapie eine höhere Vergütung zahlt als die PKV (im Regelsatz) und es somit keinen Anreiz zur Bevorzugung von Privatpatienten gibt.