Hallo,
Ich habe gerade das erste Kapitel der LdN230 über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der katholischen Kirche angehört.
Ich finde es richtig und gut, dass ihr das Thema an eine so prominente Stelle gesetzt habt.
Leider habe ich das Gefühl, dass die Beschränkung des „Tatbereichs“ auf die katholische Kirche der Schwere des Themas ganz und gar nicht gerecht wird: Sexueller Missbrauch an Minderjährigen ist ein sehr großes Tabuthema in unserer Gesellschaft und omnipräsent (sicherlich nicht nur in der katholischen Kirche).
Zu den Zahlen: 16.000 Fälle von sexueller Gewalt an Kindern in 2019, Tendenz steigend, hohe Dunkelziffer wird von der Polizei angenommen [1].
Das ganze Ausmaß können wir uns sicherlich nicht einmal erahnen, auch wenn in den letzten Jahren das Bewusstsein zum Thema sexueller Gewalt gewachsen ist.
Neben den „klassischen“ Problemen bei der Aufklärung (z.B. Täterinnen sind sich keiner Untat bewusst, Schamgefühl der Opfer, Wegschauen des Umfelds, Opfern wird ein gewisser „Schuldanteil“ zugeschrieben) kommt es bei Kindern zu noch mehr Problemen: sie werden oft nicht ernst genommen (es wird ihnen unterstellt zu lügen oder zu fantasieren) und Kinder haben meist ein noch größeres Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Täterinnen [wobei ich mir das gendern hier eigentlich sparen könnte…], der*die in den allermeisten Fällen aus dem engeren Bekanntenkreis kommt.
Um die Perspektive etwas zu weiten: In Frankreich erhält das Thema gerade vermehrt Aufmerksamkeit. Insbesondere das Buch „La Familia grande“ von Camille Kouchner hat für einige Medienpräsenz geführt [2].
Hierzu in deutscher Sprache einen kurzen Artikel in der Berliner Zeitung [3].
Das Thema hat inzwischen einen eigenen Hashtag (#MeTooInceste) und zeigt vorallem eins: Sexuelle Gewalt an Minderjährigen ist ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft, das mit der aktuellen Corona-Situation deutlich verschärft wird.
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/missbrauchszahlen-1752038
[2] La Familia grande , Camille Kouchner, L... | Editions Seuil
[3] Frankreichs neues #MeToo: Aufschrei über Inzest-Enthüllungen