LdN230 Schulöffnungen, False Negatives bei Schnelltests?

Hallo Philip und Ulf,

LdN230 war wieder sehr informativ und spannend, vielen Dank dafür!

Ich hätte eine Frage zu den Schnelltests. Ihr habt wiederholt die False Positives erwähnt und das Rechenexempel mit einer Schule von 500 Schülerinnen, bei denen es eine False Positive Rate von 1% gibt, genannt. In dem Fall würden fünf Schülerinnen unnötigerweise nach Hause geschickt.

Wäre denn nicht der Schaden bei einer False Negative Rate von 1% viel höher? In dem Fall würden fünf Schülerinnen mit nicht entdeckter Corona-Infektion in ihre jeweiligen Klassen geschickt und dort das Virus an je ca. 20 Mitschülerinnen weitgeben, so dass am Ende des Tages im worst case rund 100 Neuinfektionen stehen würden?

Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Ihr die False Positives, nicht aber die False Negatives betont? Z.B. eine nachgewiesenermaßen sehr niedrige False Negative Rate bei den Schnelltests?

Viele Grüße,
Heiko

Lieber Heiko, vielen Dank für deine Rückfrage. Wir haben das nicht explizit vorher geplant. Meine Intuition ist, dass wir nur über die false positives bei Schnelltests gesprochen haben, weil ja ohne Schnelltests quasi alle Schülerinnen und Schüler false negatives sind, die in die Schule gehen, obwohl sie infiziert sind, weil sie bisher keine Symptome zeigen. Wenn man sich also fragen will, welche Vor- und Nachteile die Schnelltests haben, dann sind nur die false positives ein Problem. False Negatives bedeuten lediglich, dass die Tests nicht ganz so toll wirken, wie sie idealerweise wirken könnten, sind aber kein Nachteil der Tests.

1 „Gefällt mir“

Also es ist generell schon so, dass für wirklich infektiöse Leute die falsch-negative Rate bei diesen Tests sehr niedrig ist. Außerdem ist der aktuelle Stand ja, dass jede:r Schüler:in und Lehrer:in ohne irgendeine Info zur eigenen Infektiösität in die Schule geht, sodass eigentlich jede richtig erkannte Infektion von Vorteil ist.

1 „Gefällt mir“

Alles richtig. Auch ich bin unbedingt für möglichst flächendeckende, regelmäßige Schnell/Selbsttests.

Man muss nur im Auge behalten, was das mit unseren PCR Kapazitäten macht. Jeder positive Schnelltest sollte durch einen PCR Test verifiziert werden, um keine False Positives unnötig lange in Quarantäne zu stecken. Bei ca 11 Mio Schülern an allgemeinbildenden oder Berufsschulen und einer wöchentliche Testung kommen bei einer False Positive Rate von 3% neben den True Positive auch noch 90.000 Tests ins Labor, die dann negativ ausfallen. Gemessen an den Laborkapazitäten ist das m.E. noch überschaubar. Wenn wir jetzt aber noch alle Arbeitnehmer mit Kunden- und Kollegenkontakt, alle Besucher von Einzelhandel, Dienstleister, Restaurants und Konzerten/Theater dazu nehmen, rollt da ganz schön was auf die Labore zu.

Nur: Dann sollten wir schleunigst die Kapazitäten schaffen. Denn sinnvoll ist das auf jeden Fall:

Interessanter Punkt, so hatte ich das noch nicht gesehen. Ja, ohne Tests sind quasi alle False Negatives, das ist richtig - insofern haben die Tests hier kein zusätzliches Risiko, da stimme ich Dir zu.

Ich finde die Betrachtung der False Negatives aber noch aus einem anderen Grund wichtig, und das ist die gefühlte Sicherheit, die das Testen vermittelt. Dass ein Szenario wie oben trotz Test (Infektionen aufgrund von False Negatives) eintreten kann und wird, muss man m.E. vorher kommunizieren. Da wird die Erwartungshaltung von vielen Menschen eine andere sein, die im Kopf „Schnelltests in der Schule = absolute Sicherheit des Schulbesuchs“ assoziieren.

Hallo Jan42,

danke! Weißt Du zufällig, wie hoch die False-Negative-Rate für infektiöse Personen geschätzt wird?

Viele Grüße,
Heiko

Bei der Frage, ob allen positiven Schnelltests auch zwingend einem PCR folgen sollte, könnte ich mir allerdings auch eine größere Flexibilität vorstellen.

Wie ja auch schon von der Lage beschrieben, sind false positives deutlich häufiger (Spezifität) als false negatives. Man könnte also bei einem ersten positiven Test, ein „best of three“ durchführen und bei 3 Tests mit z.B. jeweils 30 min Abstand schauen, ob das Ergebnis weiterhin positiv ist.
Wenn der zweite Test auch positiv ausfällt, macht man einen PCR Test und geht in Quarantäne, wenn die beiden weiteren Tests negativ ausfallen, gilt man als gesund.

Mir ist bewusst, dass das Verfahren sehr nach: Wir testen, bis uns das Ergebnis gefällt klingt.

Ich habe die Situation False-Positiver-Test allerdings schon im privaten Freundeskreis erlebt, bei dem wir uns vor einem Zusammentreffen alle zusammen getestet haben. Die betreffende Person hatte damals 3 Tests gemacht, von denen 2 negativ waren und einer positiv (der Erste). Da wir uns unsicher waren, haben wir mit einem offiziellen Test Gewissheit bekommen: Die Person war glücklicherweise negativ.
Grundsätzlich hätte uns aber auch das Gedeck aus mehreren Tests Gewissheit gegeben. (Ohne PCR)

Was ich sagen möchte: Wenn Schnelltests deutschlandweit im Einsatz sein werden, wird man nicht umhin kommen dass Tests auch false positive sind.
Wenn alle mit einem einzigen positiven Test bitte nach Hause in Quarantäne gehen sollen und womöglich noch den PCR selbst zahlen müssen (Nur der offizielle Schnelltest gilt ja als Grund für einen PCR) wird die Teststrategie nicht aufgehen. Ich plädiere daher für pragmatische Ansätze, bei denen so viele BürgerInnen mitgenommen werden, wie es geht und dafür lieber 1-2 positive Tests übersehen werden, anstatt alles durchzuplanen und am Ende nur 10 % der Bevölkerung mitzunehmen.

2 „Gefällt mir“

Hallo Heiko Paulheim,
Ich glaube Ulfs Argument ist schon mal ein ziemlich wichtiges.

Zusätzlich wollte ich Dir noch eine kleine Ergänzung zur verschiedenen Bezugsgröße von falsch positiven und falsch negativen geben, vielleicht hilft Dir das auch sonst noch zum Verständnis
Während die falsch positven sich grundsätzlich auf die nicht-Infizierten beziehen, die dann doch positiv getestet ziehen, beziehen sich die falsch negativen auf die Infizierten, d.h. auf typischerweise viel weniger Menschen.
Ein Beispiel:
Wir haben eine Test mit einer Falsch postiv-rate und einer falsch negativ Rate von jeweils 1%
Deine Schule hat 500 SuS. Nehmen wir an, von den 500 SuS sind 10 infiziert:
Die falsch-postiv rate sagt dir jetzt, das 1 % der 490 nicht-Infizierten SuS (also ca 5 Kinder) dennoch als positiv registriert werden.
Die falsch-negativ Rate sagt dir jetzt, das 1 % der 10 nicht-Infizierten SuS nicht als positiv registriert werden. Das heißt (wenn Du jeden Montag testest und jede Woche 10 (andere) SuS infiziert sind) du würdest im Schnitt alle 10 Wochen eine infizierte SuS verpassen.

Wie „schlimm“ eine hohe falsch-negativ Quote ist hängt also davon ab wie schlimm eine nicht erkannte positive prson ist, und aber auch wieviele so in Deiner Stichprobe rumhängen. Wenn 100 deiner SuS infiziert sind dann verpasst du jede Woche einen, dann bekommst Du damit natürlich nichts gestoppt. Aber dann solltest Du vielleicht die Schule eh zu haben :wink:

Leider kenne ich keine Zahlen über false positives /false negatives bei Schnelltests.

1 „Gefällt mir“

Hallo Hasenkoettel,

danke für Deine Richtigstellung. Mein Prof pflegte immer zu sagen, dass die confusion matrix (an der man fpr und fnr abliest) deswegen so heißt, weil sie so verwirrend ist :wink:

Viele Grüße,
Heiko