LdN229 Autofreie Innenstadt

Ich finde die Diskussion um die autofreie Innenstadt sehr spannend und beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit dem Thema. Ich finde den Ansatz die Fahrten pro Bewohner*in zu beschränken auch richtig. Jedoch scheint mir die vorgeschlagene Lösung zu radikal. Alleine schon, weil die unterschiedlichen Gründe für die man ein Auto brauchen könnte zu individuell sind. Ich könnte mir eher vorstellen, dass es ein System mit sharing-Fahrzeugen gibt, deren Nutzung auf eine bestimmte Zahl pro Monat beschränkt ist. Selbstverständlich sollten Personen die ein Auto angewiesen sein sollten unbegrenzten Zugang bekommen. Auch könnten zum Beispiel alte Menschen oder Familien mehr Fahrten erhalten. Man könnte zudem ein Bonussystem für nicht genutzte Fahrten einführen, das würde zusätzlich Anreize schaffen, die Fahrten nicht voll zu nutzen.
Die Anzahl der Fahrten müsste an einem durchschnittlichen Bedarfskatalog ermittelt werden (also Z.B. Großeinkäufe, Möbelkauf, Mülldeponie, Arztbesuch, etc.). Die Anzahl kann ja durchaus auch mit der Zeit angepasst werden. Für Fernreisen könnten auch längerfristige Mietzeiten geschaffen werden.
So könnte die Anzahl der Autos und der Fahrten deutlich reduziert werden. Und wenn die Sharing-Autos auch noch einer öffentlichen Organisation gehören (ähnlich den Stadtwerken) würde man sich auch nicht in die Fänge der Konzerne begeben.
Zudem könnten an den S-Bahnhöfen, außerhalb der autofreien Zone Park-and-Ride Stationen errichtet werden, an denen Menschen die in schlecht erschlossenen Gebieten ihr privates Kfz abstellen und den ÖPNV in die Innenstadt nutzen können.
So ein System wäre vielleicht auch eher durchsetzbar als der aktuelle Vorschlag.

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So charmant der Gedanke sein mag und so problematisch unser Autoverhalten auch ist, so halte ich den Ansatz mit den rationierten Fahrten für totalen Unfug.
Er stellt einen unfassbaren administrativen Aufand dar und benötigt eine ebenso aufwendige Gesetzesgrundlage.
Wieso kann man das nicht über die Preisschraube regeln? Eine entsprechende City-Maut und ein deutlich verknappter Park- und Verkehrsraum ist in meinen Augen ebenso effektiv und deutlich einfacher umsetzbar.

Auch ich finde das Thema sehr interessant. Ich bin selber in Bonn in der Kommunalpolitik im Bereich Verkehr aktiv. Von daher sind Beispiele aus anderen Städten für mich sehr hilfreich, bei Überlegungen, was man in Sachen Verkehrswende machen kann.
Der in Berlin gewählte Ansatz ist in der Tat sehr radikal. Die in der Lage besprochenen weniger restriktiven Ausnahmen bzw. ein Stufenmodell halte ich auch für besser und dürfte auf mehr Akzeptanz stoßen.
Aber auch hier wird sicher die Struck-Regel gelten: kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es eingereicht wurde.
Wichtig ist aber, dass die (Ausnahme-)Regelungen, also wann man doch in die Stadt fahren darf, praktikabel und einfach zu händeln sein müssen. Bonussysteme halte ich da z.b. in der Durchführung für schwierig.

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Das ist bei einem Volksbegehren allerdings ein Problem: Es gibt gerade keinen Mechanismus mehr, etwas Grundlegendes an der Initiative zu ändern … das AGH kann die Ini zwar mit Änderungen annehmen, aber dann ist die Frage, ob die Menschen hinter dem Projekt das ausreichend finden oder auf der Durchführung des Begehrens bestehen.

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Achja stimmt, danke für den Hinweis. Ich bezog mich auf die in deiner Antwort und im Podcast gemachte Aussage, der Möglichkeit der Annahme mit Änderungen.
Aber in der Tat möglicherweise kommt es dann trotzdem zum Volksentscheid.
Es bleibt spannend und interessant, daher bitte an dem Thema dranbleiben.
Es ging auch gar nicht durch die bundesweite Presse, sondern war bisher mehr nur in Berlin ein Thema.

Eine Regelung über den Preis finde ich aus Fairness-Gründen immer eine suboptimale Lösung. Das führt vor allem dazu, das das Einkommen über die Nutzung eines KFZ entscheidet. Jemand der sehr gut verdient könnte so weiterhin unbegrenzt fahren, das ist ja nicht der Sinn der Sache.
Außerdem ist Autofahren in der Innenstadt eh schon sehr Teuer und Parkplätze sind rar (auch wenn es tatsächlich noch viel zu viele gibt), das führt aber dennoch nicht zur Reduktion. Die deutschen lassen sich ihr Auto halt gerne was kosten.

Weil das nur wieder dazu führt, dass die reichen Leute sich freikaufen können… Und Geringverdiener das Nachsehen haben…

Aber so wie es jetzt designt ist, wird das Projekt scheitern… Mit 100%iger Sicherheit!

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Ich frage mich, wie das bei Leuten gehandhabt werden soll, die eigentlich nicht gewerblich auf ein Auto angewiesen sind, es aber im semiprofessionellen Bereich trotzdem brauchen. Ich denke da zuerst an Künstler, Musiker etc., die hauptberuflich etwas anderes machen. Liebhaberei auf hohem Niveau sozusagen, aber natürlich dennoch für die Ökosysteme von Subkulturen sehr wichtig. Ein ganzes Schlagzeug transportiert sich in der S-Bahn eher schlecht… wird dieser Bereich von der Initiative mitgedacht?

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So sehr ich die Ziele der Initiative auch befürworte finde ich doch die Forderungen viel zu dogmatisch und halte es, mit Blick auf einen Bürgerentscheid, auch taktisch nicht besonders klug solche Maximalforderungen zu stellen.
Was mir in der Lage zu dem Thema noch ein bisschen gefehlt hat ist der Blich auf die soziale Gerechtigkeit und die Geschlechtergerechtigkeit in dem Zusammenhang. Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen sind vielleicht eher darauf angewiesen am Wochenende einen großen Wocheneinkauf zu erledigen, für den oft ein Auto gebraucht wird (Lastenräder muss man sich auch erst mal leisten können). Oder die meisten Alltagswege werden von Frauen zurückgelegt (Kinder zur Kita/Schule bringen, Einkaufen, etc), was je nach Wohnort ohne Auto auch schwierig sein kann.
Das spricht alles nicht per se gegen einen weitgehend autofrei Innenstadt, aber es muss doch auch mitbetrachtet werden.
In dem Artikel aus dem SZ Magazin legt Teresa Bücker das noch mal ganz anschaulich dar.
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/freie-radikale-die-ideenkolumne/staedte-autofrei-verkehr-mobilitaet-teresa-buecker-89695

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Naja - das ließe sich auch über eine entsprechende Erstattung für Geringverdienende in der Steuererklärung regeln.

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Theorie beiseite in die Praxis alle die jeden Tag zur Arbeit müssen wären in dem autofreien Utopia bei der nächsten Pandemie gekniffen vor allem im Winter. Ja wer in einer NGO oder in der Verwaltung arbeitet kann leicht auf Homeoffice umschwenken nur Maschinen bauen sich nicht im Homeoffice. Und mit diesen Maschinen verdient Deutschland noch sein Geld. Solange die nächste Pandemie genauso verheerend sein wird wie die jetzige sollte man die eine Risikominimierung des motorisierten Individualverkehrs nicht verbieten. Euer Utopia gabs schonmal nannte sich DDR und ist zu recht gescheitert. Die Menschen wollen den Komfort vom eigenem PKW, eigenem Haus, Flugreisen etc. wenn die Alternativen inklusive E-auto besser wären würden sie sich ohne staatlichen Einfluss durchsetzten.

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Ich finde die Diskussion super, würde mir es auch sehr gerne für unsere Stadt (Rostock) wünschen. Hier gibt es auch Bewegungen in die Richtung, aber der Weg ist noch weit.

Was ich in dem Entwurf und auch in der Diskussion in der Lage vermisse, ist der Blick zu unseren Nachbarn nach Dänemark, genauer gesagt Kopenhagen! Hier wird das schon seit Jahren erfolgreich umgesetzt. Wenn man sich also fragt „Wie soll das im Detail funktionieren?“, warum schauen wir es uns dann nicht am Beispiel an?

In Kopenhagen wurde es m.E. sehr einfach und effektiv umgesetzt. Es gibt Zonen, in denen kein öffentliches Parken erlaubt ist. Für Einkäufe oder Besuche von außen gibt es Parkhäuser, die sind aber absichtlich entsprechend teuer und somit nur für den Notfall und nicht als prinzipielle Lösung zu verstehen. Öffentlicher Nahverkehr, Handwerker, etc. können weiterhin fahren und man kann auch ohne eine Genehmigung etc. die Straßen für Umzüge o.ä. nutzen. Aber alleine dadurch, dass es in diesen Zonen nicht mehr möglich ist zu parken, macht ein Auto im Normalfall einfach keinen Sinn mehr. Und dadurch dass die wenigen Parkmöglichkeiten in Parkhäusern teuer sind, bleibt man freiwillig außerhalb der Zonen auf P&R-Plätzen und fährt mit Öffis rein. Und es führt zu einer verstärkten Nutzung des Fahrrads. Kopenhagen hat dafür die Infrastruktur der Öffis ausgebaut und gute Radwege geschafften.

Ich war wirklich sehr positiv beeindruckt von der Umsetzung und der Wirkung und würde mir wünschen, dass dies „einfach“ abgeschaut und auf andere Städte übertragen würde.

Vielleicht könnt ihr Kopenhagen als Beispiel nochmal in der Lage ergänzend zu diesem Thema einbringen.

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Die autofreie Idee finde ich super! Ich habe mich selber letztes Jahr von meinem Auto verabschiedet und komme gut zurecht.

Aber: der Übergang fehlt, es gibt ja noch keine verlässlichen Alternativen zum Auto. Die Berliner Fahrradwege sind gefährlich, marode und zugeparkt, eine fahrradfreundliche Kultur fehlt (wie z.B. in Dänemark oder den Niederlanden).
Bei Fahrten mit den Öffis werden noch zu häufig Anschlüsse verpasst, die Beschilderung ist verwirrend, Züge und Busse fallen aus.

Mehr Zuspruch für autofreie Städte wird es geben, wenn gleichzeitig überzeugende und verlässliche Alternativen geschaffen werden. Wie wär’s mit einem Blick in die Nachbarländer? Dänische Radstraßen, Osloer-Parksystem (Parkverbot in Innenstädten), ein Fahrradministerium. Wir müssen ja nicht immer alles neu erfinden.

Grüße aus Aalborg, DK

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Naja wenn die Straßen wenig bis kaum noch Autoverkehr beherbergen, wird es automatisch sicherer und weniger zugeparkt. Zudem könnten die frei werdenden Flächen leicht in Radspuren verwandelt werden. Auch die Verspätungen (vor allem Bus/Tram) würden sich deutlich verbessern, da der ÖPNV nicht
mehr im Stau steckt. Dennoch müsste man die Stadt und vor allem der ÖPNV natürlich deutlich umbauen. Dabei sind Dänemark und die Niederlande sicher ein gutes Beispiel

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Ich stimme Ihnen zu. Ich hoffe dass die Initiative möglichst schnell auf die Lebensrealität vieler Menschen trifft - dann hat es sich auch schnell erledigt. Ich finde es gut neue Ideen zu haben und diese auszuprobieren - wir brauchen eine offene Fehlerkultur und eine gute Rückkopplung um schnell zu lernen - also Fail Fast :dash:

Ein spannendes Thema, bei dem man richtig kreativ werden kann.
Die Idee aus der Lage jedem Bürger einfach 12 Coupons zu geben finde ich gut.
Wie wäre es wenn man die Dinger auch noch handelbar machen würde? Jeder Berliner erhält zu Beginn des Jahres 12 Coupons in eine Blockchain (jawoll, let’s digitalise it!) gebucht und kann die Dinger je nach Bedarf entweder seinem Nummernschild zuordnen oder handeln?

Ich finde die Grundidee sehr sympathisch. Neben allen Problemen die in der Lage angesprochen wurden, sehe ich vor allem zwei großen Probleme - es setzt kaum Anreize für die Menschen, sondern führt zu einer größtenteils qualitativen Minderung der mobilen Freiheit. Ich glaube schon, dass die Mehrheit der Menschen die saubere Luft und die Ruhe in der Stadt bevorzugen wird - Mobilität wird aber sicherlich höher geschätzt werden. Dazu kommt: Warum setzt man nicht als grundlegende Ausnahme Leichtbau-Eletkro (oder Wasserstoff) Autos? Das führt dann auch zu mehr Marktanreiz, verringert den Anteil der großen Fahrzeuge in der Stadt und führt eben auch zu einer ruhigeren (E-Autos machen zumindest keinen Motoren-Lärm) und saubereren Stadt.

Zweites und aus meiner Sicht am größten schwerwiegendes Problem ist die Realisierung für wahre Lebensrealitäten. Klar, als Single ohne Kind, wenn ich quasi neben meiner Arbeit wohne und der Supermarkt mehr oder minder über die Straße gehen muss and thats it. Aber Familien / Partnerschaften mit Kindern führt dazu: Muss das Kind in die KiTa, müssen Eltern früher raus, oder später zur Arbeit. Sie müssen früher von der Arbeit usw. Das Problem wird graduell schlimmer, je mehr Kinder man hat. Großeinkäufe für eine größere Familie wird dadurch einfach unmöglich. Ich habe da eher die Befürchtung, damit das handlebar werden würde, würden derzeit große bereits bestehende strukturelle Probleme noch schlimmer werden. Oder im Klartext: Ich fürchte, dass dieses Problem der Familienbetreuung dann auf dem Rücken der Frauen ausgetragen werden würde - da diese zumindest im Schnitt weniger verdienen, damit Kinderbetreuung und Besorgungen irgendwie machbar bleiben. Die Überlegungen, Wege in eine lebenswertere Stadt zu gehen halte ich für absolut sinnvoll - und es wird so oder so gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es sollte nur stark beachtet werden, auf wessen Rücken das zu welchem Grad am Ende passieren könnte.

LG

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Naja Freiwilligkeit ist ja son ne Sache, funktioniert bisher auch nicht wirklich. Und reduzieren reicht nicht. Vor allem da Elektro und Wasserstoff keine alternativen sind. Wir müssen weg von dem motorisierten Individualverkehr, anders gehts halt nicht. Ich denke wir müssen dringend weg von der „Klimaveränderung bekämpfen ohne Abstriche in der Lebensqualität“-Mentalität. Unser Lebensstil ist schließlich das Problem. Auch mit vermeintlich besseren technischen Lösungen bleibt noch ein zu hoher Ressourcenverbrauch, der, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen verringert werden muss.

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…können sich wieder nur Reiche den PKW leisten.

Imo sollte eine Lösung nicht primär darin bestehen, Autofahren zu bestrafen, sondern Anreize zu setzen, den ÖPNV zu nutzen…

Einfach eine sexy Flatrate anbieten: Tageticket 1 Euro, oder so. So dass es einfach SO dermaßen günstig ist, dass die Leute da nicht mehr drüber nachdenken

Leider wird immer wieder der Ansatz gefahren, dass sich ÖPNV für die Betreiber rechnen muss, aber das funktioniert einfach so nicht… Solange da irgendjemand versucht noch „Gewinn“ mit zu erwirtschaften ist das imo eh zum Scheitern verurteilt…

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Es ist heute schon so, dass Menschen mit wenig Geld tendenziell eben nicht mit dem Verkehrsmittel das am meisten Ressourcen verbraucht. Sie leben dafür an den Hauptverkehrstraßen mit den entsprechenden Emissionen. Das ist kein Argument gegen sozialen Ausgleich falls er nötig ist, aber mal als Hinweis zur Lebensrealität.

Mehr dazu u.a. in der Untersuchung zur Moblität in Deutschland.

Es wird nicht über Anreize allein gehen, wenn man gleichzeitig über die Verteilung von Platz und verkehrsbezogenen Subventionen (Parkplätze, kostenfreie Straßen, nahezu keine wirksame CO² Bepreisung, keine Bepreisung der externe Effekte von weiteren Emissionen etc.) das private Auto massiv bevorteilt gegenüber anderen Verkehrsmitteln. Gerne auch konkret: Wer einen städtischen Parkplatz mit Kosten von 19.000 Euro kostenlos oder für 30 Euro im Jahr an Anwohner abgibt, kann sich über „Parkdruck“ nicht wirklich wundern. Über entsprechende realitätsgetreue Bepreisung von Parkflächen würen die Carsharing Angebote nicht nur für die Verkehrsplanung attraktiv wirken, sondern auch in der Umsetzung vor Ort besser angenommen werden. In der Regel ist die Akzeptanz mehrere Hundert Euro für etwas zu bezahlen, was gar nicht genutzt wird, sehr gering.

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