LdN224 Hochschulprüfungen

Hallo zusammen,

als Doktorand an der RWTH Aachen mit sehr großen Studiengängen darf ich regelmäßig Klausuren mit ca. 600 Studierenden organisieren. Das ist sicherlich schon viel, aber für unsere Uni nicht das Maximum: (Die Maschinenbauer haben Klausuren mit mehr als 1000 Studis). Wir haben hier in Aachen (und das wird an manchen anderen Unis ähnlich sein) eine Massenabfertigung an Studierenden.

„Nicht-Präsenzklausuren“ mit so vielen Teilnehmern sind natürlich absolutes Gift für uns. Wir können als Lehrstuhl schlecht 600 Hausarbeiten korrigieren oder Studierende per Webcam bei einem Online-Test überwachen. Dafür sind (vor dem Hintergrund der „Massenabfertigung“) einfach keine Ressourcen vorhanden.

Gleichzeitig wird es selbstverständlich keine Präsenzformate mit so vielen Studis in der aktuellen Zeit geben (zumindest an unserer Uni). Das hat unser Krisenstab heute noch einmal klar gestellt (nebenbei: das wird nicht durch die Profs entschieden) und eine Verschiebung der Klausuren in Aussicht gestellt (wird höchstwahrsch. auch eintreten, da Klausurenphase bereits Mitte Februar startet). Was anderes ist leider organisatorisch nicht möglich. Die Studis, Doktoranden und Profs können also nur drauf hoffen, dass die Zahlen endlich runtergehen…

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ist nachvollziehbar. Irgendwie müssten die Universitäten aber dennoch Ressourcen schaffen, um das bewältigen zu können. Nicht alle Studierende können einfach so ein Semester länger studieren. Das ist für viele eine enorm finanzielle Belastung und gefährdet mitunter sogar ihren Studienerfolg.
Corona hat leider auch im Bereich der Universität die Wirkung, dass Menschen aus armen Verhältnissen benachteiligt werden.

In meinem letzten Fachsemester im Sommersemester 2020 war es an meiner Universität so, dass vor allem große Unterschiede zwischen den Fakultäten vorzufinden waren. Dies hatte nicht unbedingt etwas mit deren Größe zu tun. Manche haben schnell und sehr flexibel alternative Lehr- und Prüfungsformate angeboten andere haben teilweise ihre Lehre ausgesetzt (nicht ganz offiziell, einige Professor*innen haben einfach nicht „mitgemacht“) und an Präsenzklausuren festgehalten (bei 300 Leuten, 5 Stunden lang, ohne trinken zu dürfen, im Sommer)… Ich war sehr froh, dass ich Glück hatte und zu denjenigen gehörte, die an flexible Menschen und Institutionen gelangt sind…

Die Massenstudiengänge sind da natürlich ein Problem. Aber gibt es nicht dort die Möglichkeit eines alternativen Formates? Open Book oder ähnliches? Das ginge online ohne Webcam-Überwachung.

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An unserer medizinischen Fakultät sind wir auch >300 pro Jahrgang. Alle Einzelprüfungen konnten hier punktetechnisch in die Multiple-Choice-Klausuren integriert werden, diese wurden aber erstmal abgesagt.

Die Studis sind größtenteils unzufrieden mit der Kommunikation des Dekanats zum Thema. Ich verstehe, dass man jetzt schlecht Prüfungstermine festlegen kann, aber es wäre schon angenehm, wenigstens einen regelmäßigen Einblick in die Gedanken der Verantwortlichen zu haben, um etwas von dieser Willkürlichkeit zu nehmen. Da passt es nicht, dass eine E-Mail mit Infos ersatzlos nicht an dem Tag kommt, zu dem sie angekündigt wurde.

Da es sich um Staatsprüfungen handelt, müssen Prüfungen natürlich auch mit dem jeweiligen Landesprüfungsamt abgesprochen werden. Da gibt’s dann wahrscheinlich auch wieder in jedem Land andere Anforderungen in Bezug auf Termin, Format und Inhalt der Prüfungen, und damit andere Ausnahmeregelungen.

Aktuell sind die Prüfungen für Mitte März angekündigt. Wir sollen dann alle gemeinsamen in einer großen Turnhalle unsere Klausuren ankreuzen, mitten in der Zeit, für die sich viele schon ihre Pflichtpraktika organisiert haben. Die ZahnmedizinerInnen, die eigentlich ihr Examen schreiben sollten, fahren jetzt sogar ein Null-Semester, weil sie die nötigen Praxiskurse nicht absolvieren konnten.

Insgesamt also eine knifflige Lage mit den oft eher faktenbasierten (:roll_eyes:) Ankreuzfragen, den strengen staatlichen Anforderungen an die Prüfung(-steilnahme) und den ganzen Praktika drumherum.
Bei all dem Frust, ich komme zum gleichen Schluss wie @Lukas3, die Zahlen müssen (sehr weit!) runter.

Auch Student der RWTH hier: aus meiner Sicht sind Präsenzklausuren zumindest mal in den technischen Fächern, wo es u.a. auch um schnelles identifizieren der Problemstellung und ebenso schnelles Rechnen geht, alternativlos. Online Formate sind aus den oben genannten Gründen zu aufwendig und auch aus der Studentenperspektive einfach keine gute Experience. Open Book oder take-Home Formate sind hier auch nicht wirklich anwendbar, weil innerhalb von 30min im Internet die Diskussion aller Klausurteilnehmer starten würde und spätestens am Abend eine Musterlösung gezogen werden kann. Plagiatssoftware wäre hier natürlich sinnlos, weil im Idealfall ja jeder die gleiche Lösung vorweist.

Ein anderer Punkt ist auch noch einer aus der praktischen Perspektive: zumindest bei uns besteht die Klausurvorbereitung in der „heißen Phase“ 1-2 Wochen vor der Klausur vor allem daraus, Altklausuren zu rechnen und zu verstehen. Dies ist auch von den Lehrstühlen so vorgesehen, oft finden sich in den Übungen keine Aufgaben gleichen Niveaus, die eine gute Vorbereitung ermöglichen. Wenn jetzt radikal das Klausurformat geändert werden würde, wäre also die Chance auf eine gute oder sehr gute Note viel kleiner als normal, es sei denn die Klausur wird mit Absicht sehr leicht gestellt, was wiederum nicht den Anspruch der Studenten widerspiegeln würde.

Eine Verschiebung der Klausuren ist für viele Studenten auch ein großes Problem, manche haben für die Zeit in der die neuen Termine fallen würden vielleicht bereits einen Auslandsaufenthalt geplant oder gehen in ein Praktikum. In meinem konkreten Fall müsste ich jede Klausur schieben, die im April oder später nachgeholt werden würde. Das würde mich wiederum ein halbes Jahr kosten, um die sich das Studium verlängern würde.

Das ganze ist wirklich schwierig und ich habe auch keine wirklich befriedigende Lösung parat. Ich könnte mir aber zB vorstellen, dass man Schnelltests vor den Klausuren macht. Jedenfalls bin ich der Meinung, dass wenn es die Zahlen einigermaßen zulassen, die Klausuren in Präsenz geschrieben werden sollten und in ihrer Wichtigkeit mit den „Abschlussprüfungen“ der Schüler gleichgesetzt werden.

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Moin.
Ich hab vor 10 Jahren mein Maschinenbaustudium beendet und schon damals waren fast alle Prüfungen Solche, so man alle Bücher und Formelsammlungen etc benutzen durfte. Dass das ein Problem darstellen soll, weil in anderen Studiengängen nur „Wissen“ abgefragt wird, lässt mich echt an der Qualität dieser Abschlüsse zweifeln.

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Hallo, ich studiere seit Ende Oktober online per Fernstudium an der iubh. Hier ist es auch möglich, dass ich eine Online-Klausur, mit entsprechend rechtzeitiger Anmeldung, jederzeit schreiben kann. Daneben kann man natürlich auch an einem der Prüfungsorte in präsent schreiben. Da der für mich nächste Prüfungsort weiter weg ist, habe ich für die erste Prüfung die Online-Klausur gewählt.

Das Ganze funktioniert per Proctoring und ich brauche einen PC oder Laptop, eine externe Kamera und einen leeren, hellen Raum. Im Vorfeld der Klausur muss ich mich authentifizieren, einem Zoom-Meeting mit dem Proctor beitreten und ihm meinen Bildschirm samt Steuerung freigeben. Anschließend mache ich mit ihm einen 360 Grad Roomscan um unerlaubte Hilfsmittel und andere Personen auszuschließen. Selbstverständlich muss ich während der ganzen Prüfungszeit alleine im Raum sein und darf nicht gestört werden. Andernfalls darf der Proctor die Klausur abbrechen. Die externe Kamera richte ich so aus, dass ich samt Hände auf der Tastatur und mein Bildschirm zu sehen bin.

Natürlich war das eine neue und auch eigenartige Erfahrung im Vergleich zu herkömmlichen Prüfungsformen. Dennoch empfand ich die Online-Klausur als angenehm, einfach(in der technisch-organisatorischen Durchführung ;-)), zeitgemäß und aktuell als eine praktizierbare Alternative in der aktuellen Situation.

@holgerkrupp Folgendes basiert auf meiner Erfahrung an der Uni in den letzten 4 Jahren. Es ist viel aufwendiger Leuten etwas richtig beizubringen, als sie einfach die Folien auswendig lernen lassen. Vorlesungen in der klassischen Form befördern halt gerade dieses Auswendig lernen, da die aktive Denkzeit der Studis während den (meisten) Vorlesungen gegen 0 geht. Trotzdem führt man diese antiquierten Veranstaltungen durch und raubt damit allen beteiligten sehr viel Zeit.

An der Uni Halle ist dieses und das gesamte nächste Semester nur remote (auch Klausuren). Es gibt nur sehr sehr wenigen Fällen Ausnahmen.

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Servus,
bei uns an der Hochschule München (FK02) wurden alle Präsenzprüfungen von der Hochschulleitung untersagt. Es gab dabei einige Professor*innen die davon nicht begeistert waren, sich natürlich dennoch gefügt haben.

Wir haben nun ein zweites Semester mit digitalen Prüfungen.
Um mal ein positiv Beispiel zu geben, hier der Ablauf.
Moodle Raum nur für Teilnehmer der Prüfung wird erstellt. Hochladen der Datenschutzerklärung, alle die, die diese nicht ausfüllen wollen, werden nicht zur Prüfung zugelassen.
Am Tag der Prüfung wird ein oder mehrere Zoom Meetings (je nach Gruppenstärke) freigeschaltet. In jedem Zoom Meeting befinden sich ein oder mehrere Aufsichten (wie in einer normalen Prüfung auch).
Es wird eine Identitätskontrolle durchgeführt und der Arbeitsplatz begutachtet. Nach Abschluss wird im Moodle Kurs die Prüfung (passwortgeschützt) freigeschaltet. Nachdem alle Studierende sich diese runtergeladen haben, wird das Passwort ausschließlich über den Chat bekanntgegeben. Alle Studierende drucken sich die Prüfung aus, wenn alle fertig sind beginnt die Bearbeitungszeit mit Videoüberwachung. Nach Ende der Prüfung werden dann die Prüfungen vor Augen der Aufsichten eingescannt und wieder in dem speziellen Prüfungs-Moodle-Kurs hochgeladen. Die Professor*innen bestätigen in der Regel dann den Eingang und den Anzahl der Seiten.

Für alle Studierende, die nicht die Möglichkeiten haben wird eine alternative Präsenzprüfung unter Videoüberwachung angeboten. Dies zielt vor allem an die Studierende die nicht die Räumlichkeiten oder technischen Möglichkeiten haben. Dabei werden Abschlusssemester bevorzugt, damit diese ihr Studium beenden können.
Außerdem besteht die Möglichkeit sich für die Zeit der Prüfung vereinzelt Drucker aus der Hochschule zu leihen.

Ich finde, dass damit die Hochschule München an der Fakultät 02 ein sehr gutes und faires System erschaffen hat.
Natürlich hat man als Studierender immer ein wenig Sorge, dass der Drucker nicht funktioniert oder das Internet abbricht. Jedoch besteht auch bei einer Präsenzprüfung immer das Risiko, dass alle U-Bahnen ausfallen oder man einen Unfall auf dem Weg hat. Und bislang zeigt sich, dass diese Sorgen unbegründet sind. Viele Professor*innen verstehen die Sorge und bei einigen Druckerproblemen durften Studierende Prüfungen auch schon vom Laptop abschreiben.

Bei Prüfungen mit allen Hilfsmitteln besteht sowieso keine große Problematik mit Unterschleif. Bei Prüfungen ohne Hilfsmittel gibt es bei uns oft ein 2 Kamerasystem (von vorne und hinten filmen).
Des Weiteren wurden einige Prüfungen durch Präsentationen, Referate und/oder mündliche Prüfungen ersetzt.

Ich kann mich daher als Studentin wirklich glücklich schätzen an einer Hochschule zu studieren, welche sehr bemüht ist es allen zu ermöglichen ihre Prüfungen zu schreiben und den Infektionsschutz dabei nicht vernachlässigen.

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Liebes Lageteam,

als Hochschullehrer an einer juristischen Fakultät kann ich nur sagen, dass ich den Eindruck hatte, dass die Uni-Klausuren in unseren Veranstaltungen, die wir seit April 2020 ausschließlich als Fernklausuren (Open Book) gestellt haben, relativ reibungslos abgelaufen sind. Wir hatten am Anfang technische Probleme und alles musste sich finden. Aber nach ca. einem Monat hatten wir alles soweit im Griff. Es gab auch nur wenige Beschwerden von Seiten der Studierenden. Ich habe allenfalls geringe Unterschiede zwischen der Bearbeitung in Präsenz und als Open Book feststellen können. Auch die Qualität war nicht anders. Es zeigt mal wieder, dass Auswendiglernen in Jura nichts bringt. Ob hier jemand Klausuren für einen anderen geschrieben hat, weiß ich natürlich nicht, aber das Problem haben wir bei Hausarbeiten schon immer gehabt, das ist schlicht nicht kontrollierbar. Wir arbeiten da schon seit vielen Jahren mit Versicherungen die Arbeit selbst angefertigt zu haben.

Da sind wir in Jura aber auch insofern privilegiert, als die Leistungen im Studium nur in sehr geringem Umfang in die Examensendnote einfließen. Wer bei einer Klausur in „den Scheinen“ pfuscht, schadet nur sich selbst…

Mit dem Staatsexamen sieht es anders aus. Da haben wir das Problem, dass das Landesjustizprüfungsamt verständlicherweise kein Risiko bei der Prüfungsechtheit eingehen will, man dann aber gewisse Gesundheitsrisiken eingeht.

In dieser Woche hatte ich das Vergnügen einer mündlichen Examensprüfung, bei fast durchgehendem offenen Fenster und mit Masken während einer ca. dreistündigen Prüfung, das war nicht so schön.

Doktorprüfungen funktionieren im Übrigen per Zoom o.ä. ganz prima.

Beste Grüße
Jens

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Liebe Lage,

Ich habe im Sommer eine Sprachprüfung via Zoom und examee abgelegt. Das hat fantastisch funktioniert. Examee hat einen „Schummelalarm“. Sobald man einen anderen Tab öffnet kommt groß Schummelalarm und der Dozentin wird das auch angezeigt. (Wohl auch beim Korrigieren wann der kam). Wir hatten da eh das Hörverstehen über Zoom und haben das nebenbei laufen lassen. Das war bei mir auch besonders wichtig, da mein Partner Muttersprachler ist und so sichergestellt wurde, dass nicht er meine Sprachprüfung macht. Außerdem war das ein höheres Niveau bei dem es einfach aufgefallen wären, wenn meine Texte plötzlich fehlerfrei gewesen wären.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin nehme ich Momentan keine Prüfungen ab - weiß aber, dass mehr und mehr Kollegen jetzt auf digitale Prüfungen umstellen, damit die Planungssicherheit gegeben ist. Das Uni interne Programm hat tatsächlich mehrer Optionen um Schummeln zu verhindern: Fragenpool, wechselnde Reihenfolge der Fragen, Zeitlimit für die Bearbeitung einzelner Fragen, nur einmalige Bearbeitung der Fragen erlauben etc. Das kombiniert mit offenen Fragen wird Schummeln vermutlich schwerer machen.

Ich weiß auch, dass Verteidigungen über Zoom oder Halbdigital laufen. Ein Beispiel tatsächlich sogar aus der Virologie: Da saß die Prüfungskommission in einem riesen Hörsaal mit Abstand und Masken und die Doktorandin vorne ohne und bei offenem Fenster. Alle anderen waren via Videokonferenz zu geschaltet.

Soweit mein Erfahrungsbericht mit verschiedenen Blickwinkeln.

Liebe Grüße

Ich denke es kommt ganz auf den Fachbereich und ob Bachelor oder Master an. Medizin und Naturwissenschaften im Grundstudium sind absolute Wissensfächer. Da geht es nur darum Fakten einzuprägen. Das wird nie in Form einer Kofferklausur (aka Open Book) realisierbar werden.
Allerdings sehe ich nicht, warum man nicht online kreuzen kann. In Medizin sind 30sec bis 1min Bearbeitungszeit/Frage bei Multiple-Choice üblich. Da kann ich mir schwer vorstellen Wikipedia anzuschmeißen, oder mit Kommilitonen zu chatten. Und zur Sicherheit: es gibt ja noch eidesstattliche Erklärungen. Die sind bei Bachelor-/Masterarbeiten/Dissertationen auch üblich.
Und gerade in Medizin ist es nahezu vollkommen egal, was im Studium gelernt wird. Wer nicht durch das Staatsexamen kommt, kommt nicht durchs Staatsexamen. Das wäre dann das einzige was joch in Präsenz bzw. “Datenschutz-schwierig” mit kompletter Video/Audio/Keyloggin Aufzeichnungen stattfinden müsste.

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Hallo zusammen,

ich bin ein Student der Universität Stuttgart. Hier werden leider auch nur Präsenzklausuren geschrieben, obwohl im letzten Semester Klausuren online möglich waren.
Mein Professor hatte sich schon ein Konzept für eine online Klausur überlegt und war sehr entschlossen dieses umzusetzen, allerdings wurde dies von der Unileitung unterbunden. Auf Nachfrage einer Kommilitonin verwies die Uni auf die Coronaverordnung des Landes Baden-Württemberg. In dieser steht jedoch nur, dass Präsenzprüfungen angeboten werden KÖNNEN.

Für mich und meine Komiliton:innen ist es unverständlich wieso Präsenzklausuren abgehalten werden müssen, selbst wenn der/die Dozent:in bereit ist eine Onlineklausur durchzuführen. Dadurch werden die Studierenden und deren Angehörigen völlig unnötig in Gefahr gebracht. Das halte ich nach einem Jahr Pandemie für völlig inakzeptabel.

Viele Grüße
Simon

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Hallo Zusammen,

ich bin Dozentin und Doktorandin an der Universität Düsseldorf (Philosophische Fakultät). Obwohl ich dem, was in der Lage zu den Prüfungen gesagt wurde in vielem zustimme, möchte ich einmal die Sicht einer Dozentin in Bezug auf die Umstellung der Prüfungsform erläutern. Faktenabfragen werden bei uns in der Regel in den ersten 2 Semestern angehalten, da wir das erfahrungsgemäß sehr viele Studierende haben, von denen nur ein Bruchteil weiter als das 2 oder 3 Semester bei uns studiert. Dadurch wird es uns möglich die vielen Erst- und Zweitsemester angemessen zu prüfen und gleichzeitig den weiter fortgeschrittenen Studierenden themenbezogenen und damit anspruchsvollere Prüfungsformen zu bieten. Es ist schlicht und ergreifend nicht möglich, jede Prüfung und jeden Test der auf Faktenabfrage basiert in eine andere Prüfungsform umzuwandeln weil wir nicht genug Dozierende haben, die diese Prüfungen korrigieren und benoten könnten. Wie soll ein Professor Hausarbeiten von 300 Studierenden korrigieren und dem gerecht werden, plus die Zeit, in der diese Arbeiten vor- und nachbesprochen werden? Auch für Dozierende mit kleineren Kursen ist das nicht leistbar, schon gar nicht bei halben oder dreiviertel Stellen mit einer zeitlichen Begrenzung von 1-3 Jahren. Eine Hausarbeit von 15 Seiten erfordert ca. 1,5h Korrekturzeit, dazu 1,5 h Vor- und Nachbesprechung mit den Studierenden und deren Betreuungsbedarf während des Schreibprozesses. Dazu kommen die Kursvorbereitung, das eigentliche Unterrichten, mündliche Prüfungen (über Video), alle Aufgaben die am Lehrstuhl anfallen und die eigene Forschung (denn wer nicht zügig daran arbeitet hat am Ende seines Vertrages im schlechtesten Fall eine halbe Doktorarbeit und kein Einkommen mehr). Dazu kommt der Mehraufwand, den die Pandemie für uns bedeutet, denn die Kurse brauchen mehr Vorbereitungszeit (Einarbeitung in neue Systeme und Plattformen, Abändern und Erstellen von Aufgaben, damit sie remote funktionieren und ein höherer Korrekturaufwand etc.). Hinzu kommt die Beratung und Fürsorge für die Studierenden, die sich verstärkt nicht nur mit Problemen im Studium an uns wenden und die wir dann beispielsweise an den psychologischen Dienst der Uni vermitteln oder in einem einstündigen Telefonat davon überzeugen, nicht wegen der Pandemie ihr Studium abzubrechen. Reihenweise haben die Dozierenden ihre privaten Telefonnummern an die Studierenden rausgegeben weil eine Mailkonversation einfach viel länger dauert als ein Telefonat und soweit ich sehen kann, haben viele von uns seit Monaten kein freies Wochenende gehabt. Natürlich gibt es andere Berufe, die in der Pandemie wesentlich mehr leiden als Angestellte an Hochschulen und das will ich nicht schmälern. Aber ich weiß schlicht und ergreifend nicht, wo die zeitlichen und menschlichen Kapazitäten für eine drastische Erhöhung des Prüfungsaufwandes noch herkommen sollen.

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Ich bin ebenfalls Student der RWTH und kann das Ganze aus einem anderen Blickwinkel beleuchten. Gleichzeitig arbeite ich als Hiwi an einem Lehrstuhl, der eine der größten Klausuren der Maschinenbauer stellt. Die Klausur soll im Februar von mehr als 1000 Studenten absolviert werden. Momentan herrscht größte Unsicherheit, da die RWTH sich wohl auf die Verordnungen des Landes berufen möchte und hofft, dass Klausuren in Präsenz stattfinden können. Weitere Informationen gab es für Studierende und Lehrstühle bisher nicht, sodass größte Planungsunsicherheit herrscht. Scheinbar überlegt der Krisenstab nun mit den Dozenten gemeinsam, ob Online-Formate nicht doch umsetzbar sind - meiner Meinung nach hätte das viel früher geschehen sollen, sofern man ernsthaft Online-Klausuren in Erwägung zieht. Die Klausur bei uns am Lehrstuhl wurde als Präsenz-Klausur erstellt und ein Umschwenken auf eine Online-Klausur wird planungstechnisch so kurzfristig nicht mehr möglich sein. Dies bedeutet, dass diese Klausur mit mehr als tausend Studenten in Präsenz geschrieben werden muss, oder wenige Tage/Wochen vor dem Prüfungsdatum verschoben werden muss. Sowohl unter den Studenten als auch unter den Doktoranden herrscht mittlerweile größter Frust, da die RWTH sehr undurchsichtig handelt und keine wirkliche Planung erkennbar ist. Hinzu kommt ein aktueller Corona-Ausbruch in einem Studentenwohnheim der RWTH, welcher die Sorge des Studenten, die in der aktuellen Podcastfolge adressiert wurde, bestätigt. Mal sehen, was die nächsten Tagen und Wochen noch so mit sich bringen. Ich habe wenig Hoffnungen dieses Semester meine Klausuren ablegen zu können.

Hallo,

ich möchte noch eine Perspektive als Dozent ergänzen, die in der Folge nicht vorkam und die mit „Datenschutz“ nicht erfasst ist: Mittels Videoprüfungen und 360° Vorab-Schwenk durch den Raum gibt man als Studentin ggf. ziemlich viel seines Wohnraumes preis. Das ist gerade in großen Städten und in Wohnheimen meistens der einzige Raum, der eben nicht nur den Schreibtisch enthält, sondern auch alle anderen Ecken und Bereiche, die mitunter die persönlichste Lebensführung abbilden.
Schon bei Videokonferenzen in Vorlesungen etc. bekommt man als Dozent Einblicke in Kinderzimmer, auf Betten (wohl auch schon inkl. Partnern darin) und die gesamte Gestaltung des Wohnraums. Hier können Studierende aber wenigstens den Ausschnitt frei wählen, den sie zeigen, oder die Kamera ausschalten.
Bei einer Prüfung mit Rundumschwenk muss aber vieles davon offengelegt werden. Das kann die sexuelle Identität sein, die religiöse Zugehörigkeit, aber auch mein Wohnort oder sonstige private Dinge, die Prüfungsaufsichten nichts angehen und wenn ich Frau
, Migrant*in, BIPoC, LGBTQI etc. bin auch Schutzräume schwächen.
Dann eine Präsenzprüfung anzubieten, mag das Problem mildern, aber es fordert wieder nur bestimmte Personengruppen zu gesondertem Aufwand auf.

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Ich bin Masterstudierender an der Uni Münster. Hier wird alles, was irgendwie geht digital geschrieben.
Soweit, so gut und so vernünftig - in der Theorie hat man die Ressourcen, gut.

Praktisch gesehen ist die Situation jetzt so:

  • viele Studis sind schon in der Prüfungsphase (zb Psychologie), viele sind kurz davor (zb Wirtschaft)

  • Die Tools zur digitalen Prüfung sind da, sind gut, aber haben nicht genug Kapazitäten

  • Die Tools lassen theoretisch Closed Book inkl. VPN Überwachung zu - dafür fehlen aber einerseits die Kontrollkapaziten, andererseits verfügen nicht alle Studis über eine ausreichene Internetverbindung, die einen VPN „ertragen“ kann.

  • das allerwichtigste: Die Dozenten haben gar keine Lust auf Open Book (neue Aufgaben, neuer Erwartungshorizont = Arbeit) und versuchen alles, um die geringen Kapazitäten der Softwares, die closed book erlauben, nutzen zu können.
    en detail heißt das: Viele Januarklausuren wurden verschoben, Februarklausuren noch nicht terminiert; Die Lehrstühle und Prüfungsämter mauern und die StudentInnen zahlen die Zeche.

Mein Problem damit: Man weiß doch schon spätestens seit Dezember, eigentlich aber seit langer Zeit dass dieses Problem auftreten könnte. Es kann einfach nicht sein, dass den Universitäten WÄHREND bzw KURZ VOR der Prüfungsphase einfällt, dass es ja Kapazitätsprobleme geben könnte und man EVENTUELL ja Open-Book Formate (die tatsächlich vom Lernfaktor her viel sinnvoller) sind vorbereiten könnte.

Kommt auf den Studiengang an, aber ja. Wenn ich in Organischer Chemie etwas abfragen will bringt es nichts, wenn das Skript danebenliegt. Im Großteil der Studiengänge der Geistes- und Wirtschaftswissenschaften jedoch liegt es mMn dann an der fehlenden Bereitschaft der Lehrstühle, die Klausuren anzupassen. Open Book ist halt mehr Arbeit - liefert aber mMn auch ein erheblich höheres Verständnis der Inhalte beim Studi!

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Wann wurde denn diese Klausur konzipiert? Hätte es nicht die Möglichkeit gegeben, in weiser Voraussicht open Book o.Ä. zu planen?

Hallo zusammen,

danke an Philip und Ulf, dass ihr nochmal auf das Thema der Prüfungen an Universitäten und Hochschulen eingegangen seid.
In der aktuellen politischen Debatte, wo es vor allem um Schulen geht, fühlt man sich da als Student doch teils sehr außenvorgelassen, was man insbesondere an diesem Regelungschaos sieht.
Was genau ich mit dem Chaos meine, möchte ich am beispiel der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hambug erläutern:

Die Universität Hamburg hat eine Dienstanweisung erlassen, wonach keine Präsenzprüfungen stattfinden dürfen. Aus Sicht des Infektionsschutzes nachvollziehbar, aber meiner Ansicht nach etwas undifferenziert (wie ich noch darlegen werde).

I. Grund- und Hauptstudium
Anfangen möchte ich bei den Prüfungen im Grund- und Hauptstudium (1.-5. Semester). Diese finden ausschließlich digital über ein Online-Portal der Uni statt. Das hat letztes Semester weitestgehend gut funktioniert, allerdings wird dieses Portal von allen anderen Fakultäten und Fachbereichen auch genutzt, sodass von Seiten der Organisation eine zeitweise Überlastung befürchtet wird. Das führt dazu, dass die Fakultät den ursprünglichen Klausurenplan nicht einhalten kann und sich was die Zeitfenster der Klausuren angeht, null Flexibilität hat. Im Ergebnis bedeutet das, dass einige Studierende mehrere Klausuren zur selben Zeit oder jedenfalls mehrere Klausuren am selben Tag haben. Aus meiner Sicht ein inakzeptabler Zustand, insbesondere vor dem Hintergrund, dass man nach inzwischen 10 Monaten Pandemie durchaus erwarten könnte, dass die Technik etwas mehr Kapazitäten aufweist.

I. Schwerpunktbereich
Im Schwerpunktbereich (6. & 7. Semester) sieht das hingegen noch schlechter aus. Dieser ist für die Studierenden von erheblicher Relevanz für die Endnote. Eine gute Umsetzung wäre daher sehr wünschenswert. Leider ist genau das Gegenteil der Fall.
Ulf wird den groben Studienaufbau kennen, dennoch möchte ich diesen einmal kurz darstellen.
Es gibt eine schriftliche Klausur und Hausarbeit und nach deren erfolgreicher Teilnahme eine abschließende mündliche Prüfung. Da anschließend direkt die Examensvorbereitung beginnt ist es von besonderem Interesse der Studierenden zeitnah nach den schriftlichen Prüfungen die Note zu bekommen, um anschließend zur mündlichen geladen zu werden. Was passiert also?

  1. Während des Homeoffice setzt das Prüfungsamt (welches für den Schwerpunkt zuständig ist) nach eigener Auskunft die Notenzustellung aus. Zwar sieht die Prüfungsordnung eigentlich eine 10 Wochenfrist für die Korrektur der schriftlichen Prüfungen vor, in der Praxis haben aber viele Studierenden ihre Note von den Klausuren aus Mai oder August 2020 noch nicht. Planungssicherheit ist also faktisch nicht vorhanden und mangels Ergebnis ist es nichtmal möglich die Anmeldefristen zur (ggf. notwendigen) Nachschreibeklausr einzuhalten.

  2. Apropos Planungssicherheit: Anfang März findet der nächste Durchgang der Schwerpunktsklausuren statt. Stand jetzt ist noch nicht bekannt, ob sie stattfindet. Die Prüfungsordnung verbietet Online-Prüfungen, die Dienstanweisungen der Uni verbietet Präsenzprüfungen. Eine einzelne Klausur, für die man sich ein halbes Jahr vorbereitet, die zu erheblichen Teilen in die Examensnote einfließt und dennoch weiß man einen Monat vor dem Termin noch nicht, ob die letzten Monate der Vorbereitung umsonst waren.

  3. Sollte man nach 5 Monaten doch mal eine Note und Ladung zur mündlichen Prüfung erhalten haben, kann diese jetzt jedoch auch in Folge des Lochdowns nicht stattfinden. Auch hier führt die Fakultät als Argumentation an, dass die Prüfungsordnung die Durchführung von digitalen Prüfungen nicht vorsieht. Ein aus meiner Sicht nicht überzeugendes Argument, da man durchaus erwarten könnte, dass diese in den letzten zehn Monaten der Pandemie geändert werden konnte. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass mündliche Examensprüfungen oder Disputationen von Promovierenden stattfinden können (soweit ich weiß wurde extra dafür die Promotionsordnung geädert).
    Während also ein Vieraugengespräch mit Maske, Abstand und offenen Fenstern nicht stattfinden darf (die Dienstanweisung der Uni sieht hier keine Differenzierung vor), auf der anderen Seite aber eine fünfstündige Examensklausur mit Maske stattfindet (diese unterliegen einer anderen Prüfungsordnung), ist die Uni nach 10 Monaten Pandemie nicht in der Lage ein einheitliches Prüfungskonzept vorzubringen.

Dass selbst innerhalb eines Studiengangs so viele unterschiedliche Regelungen und Probleme vorliegen ist für die aktuelle Situation sehr symptomatisch. Universitäts übergreifend kommt es zwangsläufig zu noch größeren Differenzen, sodass das allseitsangeführte Argument der Chancengleichheit in meinen Augen nur noch ein ausgehöltes Scheinargument ist.

Es wäre daher sehr wünschenswert, wenn sich die Politik auch diesen Problem der Studierenden widmet und sich nicht nur um die Schüler sorgt. Denn dieser Freiraum, den die Universitäten bzw Fakultäten im Moment haben, wird aus meiner Sicht nur mit Kompetenzversagen gefühllt.

In diesem Sinne nochmal danke an Philip und Ulf, dass ihr euch dem Thema annehmt, denn es sind sehr viele davon betroffen.

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Ich glaube das die oft Jahrzehnte lang recycelt werden.