Liebes LdN-Team, liebe alle,
ich höre soeben die neueste Ausgabe der Lage der Nation und freue mich, dass ihr in der Besprechung der Ereignisse aus den USA auch auf den Sieg der US-Demokraten bei der Stichwahl im Bundesstaat Georgia eingegangen seid. Wie ihr erwähnt haben die Demokraten dort die beiden ausstehenden Senatssitze gewonnen, wodurch nun in beiden Kammern des Kongresses eine demokratische Mehrheit zustande kommt. Im Podcast habt ihr dies als die gute Nachricht der Woche aus den USA bezeichnet, da der zukünftige US-Präsident Regierungsvorhaben mit einer demokratischen Parlamentsmehrheit einfacher durch den Kongress wird bringen können bzw. sich weniger auf ein Regieren mittels „executive orders“ verlassen muss.
Ich würde dieser Ansicht zustimmen und denke, dass der historische Wahlsieg in Georgia für Bidens Präsidentschaft sowohl konkrete Möglichkeiten schafft als auch generell hoffnungsvoll stimmen kann. Insbesondere ist es sicherlich ich auch ein politisches Signal, dass mit Raphael Warnock erstmals in der Geschichte des Bundesstaates ein schwarzer Bürger einen Senatssitz für Georgia übernimmt.
Zugleich möchte ich an dieser Stelle in die Diskussion einbringen, dass die neu erlangte Mehrheit der Demokraten in beiden Kongresskammern in Bezug auf die möglichen Konsequenzen für das politische Amerika auch Herausforderungen mit sich bringen könnte. Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution hat diese Woche im Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass die neuen Mehrheitsverhältnisse es Biden zwar erleichtern werden, demokratische Gesetzesvorhaben zu verabschieden. Allerdings wies sie auch darauf hin, dass progressive Kräfte innerhalb der demokratischen Partei mit den politischen Gewichtsverschiebungen zu Gunsten der Demokraten nun weitgehendere Forderungen innerhalb der eigenen Partei stellen könnten. Progressive Strömungen können in einer demokratisch dominierten Legislative nun viel offensiver politische Projekte voranbringen, als dies im Falle eines „geteilten“ Kongresses der Fall gewesen wäre, in dem man viel häufiger den Kompromiss mit zumindest einigen republikanischen Abgeordneten oder Senatoren suchen müsste.
Dieses neue „Oberwasser“ für progressive Kräfte der demokratischen Partei, von dem Stelzenmüller spricht, kann für das politische Amerika unter Bidens Präsidentschaft meiner Einschätzung nach zu einer echten Herausforderung werden. Insbesondere ist ja in den vergangenen Wochen vielfach (auch in eurem Podcast) die Rede davon gewesen, Bidens hauptsächliche Aufgabe liege darin, das Land zu einen. Angesichts der Polarisierung der politischen Lager ist dies in der Tat eine große Herausforderung. Aber die Differenzen verlaufen dabei nicht nur zwischen Demokraten und Republikanern, sondern auch ganz deutlich innerhalb der (politisch sehr diversen) demokratischen Partei. Biden gilt als moderater Politiker, dessen Antwort auf Trump vermutlich darin bestehen wird, eine politische Mitte auch innerhalb der Wählerschaft zurückzubilden und diese wieder stärker sichtbar zu machen. „Konsens bilden“ wird wohl eine seiner Devisen sein. Der stärker linksorientierte, demokratische Flügel sieht darin aber nur bedingt eine politische Zukunft und möchte progressivere Projekte vorantreiben. Die Kongressmehrheit gibt diesen Akteuren eine noch stärkere Stimme.
Inwiefern die neue demokratische Mehrheit also zu einer Einigung des politischen Amerikas beitragen wird und die Polarisierung der multiplen politischen Lager in den Vereinigten Staaten überwinden kann, bleibt abzuwarten.