Danke für eure ausführliche Diskussion des Themas, allerdings fand ich eure Überlegungen etwas zu undifferenziert. Konkret beziehe ich mich auf eure Position, dass es allerhöchste Zeit wurde, dass Twitter/Facebook Trump nun gesperrt haben.
Um vorweg klarzustellen: ich bin ein absoluter Gegner Trumps und finde es sowohl verheerend als auch erschütternd, wie Trump Social Media für Desinformation und Aufwiegelung seiner Anhängerschaft genutzt hat.
Allerdings gibt es aus meiner Sicht sehr gute Gründe dafür, dass gewählte Politiker (insbesondere Abgeordnete oder Mitglieder einer Regierung) Immunität genießen, die sie prinzipiell vor Sanktionen erst einmal schützt. Zum zweiten gibt es aktuell (auch durch die Immunität Trumps unterstützt) kein Gericht, dass geurteilt hätte, dass Trumps Social-Media-Accounts gesperrt werden müssten.
Daher stellt sich natürlich die Frage, ob wir es wirklich möchten, dass große Tech-Unternehmen wie Twitter/Facebook/Google/You name them nach eigener Einschätzung handeln und Mitgliedern der Exekutive oder Legislative eines Staates den Account sperren. Denn was hätte das zur Folge? Ist das nicht ein Dammbruch, der sehr schnell zu Forderungen führen wird, auch ausländischen Regierungsmitgliedern die Social-Media-Accounts zu entziehen? Oder ausländischen Oppositionellen? Oder inländischen Oppositionellen, indem wir ihnen „Hassrede“ vorwerfen? Wo liegt die Grenze? Wo ist die Rechtsgrundlage?
Ich glaube, es ist absolut wichtig, dass wir diese Diskussion führen und nicht unserem Reflex, „gut dass Trump nun gesperrt ist“, so leicht nachgeben. Denn am Ende steht natürlich das große Gut der Redefreiheit zur Disposition – und gerade Social Media ist heute eines der wichtigsten Mitteln, um die eigenen Anhänger erreichen zu können.
Insofern kann ich es nur begrüßen, dass sich erst jetzt, als ein offensichtlicher Angriff auf die Demokratie der USA unterstützt wurde, die Unternehmen entschlossen haben, Trumps Accounts zu sperren. Eine geringere Schwelle hätte aus meiner Sicht einen deutlich höheren Eingriff in die Redefreiheit bedeutet.
Ich glaube, wir müssen andere Wege finden, mit Desinformationen umzugehen als sie schlicht zu unterdrücken – denn ob das wirklich gelingen wird, ist fraglich. Allerdings wird das vermutlich eine Generationenaufgabe, die viel mit wissenschaftlicher Bildung, einer Medienkultur, journalistischem Ethos, politischem Ethos, etc. zu tun hat.
Viele Grüße
Rafa