Hallo,
in 33:16 fordert ihr, dass auch die Kirchen zu Corona-Bekämpfung etwas beitragen müssen. Vielleicht habt ihr es nicht so gemeint, aber es klingt so, als würden die Kirchen sich da ganz raus halten. das Gegenteil ist der Fall. Gottesdienste finden nur mit starken Einschränkungen statt: kein Gesang, Abstand, die Heizungen werden 30 Minuten vorher abgeschaltet (es sind meist Umluftheizungen, die die Aerosole verteilen würden)… Viele Gemeinden gehen über die Verordnungen hinaus und tragen während des ganzen Gottesdienstes die Maske, auch wenn es nicht erforderlich ist. Jetzt vor Weihnachten wird sich an vielen Orten überlegt, wie coronakonforme Gottesdienste möglich sein können (zB im Freien auf dem Sportplatz, ökumenisch…)
Gottesdienste sind keine Freizeitveranstaltungen wie zB ein Kino- oder Saunabesuch eine Shoppingtour oder ein Fußballspiel, sondern sind durch Art 3 geschützt und darum nur bedingt vergleichbar.
Völlig richtig und der in meinen Augen einzige valide Grund.
Die ganzen Schutzmaßnahmen, die du oben aufführst, sind allerdings kein wirkliches Argument, weil andere Bereiche (z.B. Kirchenchöre um ganz nah dran zu bleiben) unter den gleichen Auflagen nicht proben dürfen.
Wenn man parallel dazu betrachtet, wie viele finanzielle Existenzen von den Einschränkungen betroffen sind und wie heftig die Auswirkungen der Pandemie selbst für Einzelne sind, schwindet einfach das Verständnis für die Ausnahmen und ein gewisser Neid stellt sich häufig auch ein, vermute ich.
In den meisten Fällen sind die Ausnahmen wirtschaftlich begründet, was bei den Kirchen nicht der Fall sein dürfte.
Den Kirchen, denen diese „Ausnahmen“ zugute kommen, kann man also auch mit einer gewissen Erwartungshaltung begegnen, was die Schutzmaßnahmen angeht. Ich hoffe einfach mal, dass die Schutzmaßnahmen gerade in der Stoßzeit um Weihnachten ausreichen. Und ich denke mal, in die Richtung ging auch der Kommentar im Podcast (ja, Spekulation).
Gottesdienste sind keine Freizeitveranstaltungen wie zB ein Kino- oder Saunabesuch eine Shoppingtour oder ein Fußballspiel, sondern sind durch Art 3 geschützt und darum nur bedingt vergleichbar.
Fairerweise muss man allerdings auch sagen das auch das Vereinswesen usw. grundsätzlich unter Schutz stehen. Und es gilt zumindest in Art. 3 Abs. 3 GG:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
„Nicht bevorzugt“ heißt auch das hier keiner Religion - nein auch dem Christentum nicht - Sonderrechte zugestanden werden. Gemeint ist vermutlich eher Art. 4 Abs. 2 GG:
Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
Die Abwägung der Grundrechte unteinander ist sicherlich auch eine politische Frage.
Ich denke gerade bei anderen Vereinen muss man sehr genau hinschauen, es kann ja nicht sein das man sich unter gleichen hygenischen Vorrausetzungen im (z.B.) Debattierclub nicht treffen kann, aber andere Versammlungen mit ähnlichen Charakter nicht erlaubt bleiben. Ich sage nicht das dem aktuell so ist, aber ich würde eine höheren Position des Grundrechtes auf Ausübung der Religion im Vergleich zu anderen Verieinen / Versammlungen ähnlichen Charakters ablehnen.
Im Grundsatz denke ich aber auch das viele (kath.und ev.) Kirchen sich gut auf die Situation eingestellt haben und ihr möglichstes tun ihre Gläubigen zu schützen.
Vielleicht ist es in meinem Umfeld irgendwie anders, aber ich selbst singe in einem Kirchenchor und dieser probte bis Anfang November (unter Auflagen natürlich) und hat auch wieder Proben terminiert für zwei Gottesdienste in der Weihnachtszeit. (Ich selbst nehme aber nicht teil, weil zu gefährlich.) Außerdem war ich in den letzten Monaten in mehreren Gottesdiensten und Andachten, in denen die Auflagen nicht so streng gehandhabt wurden. In den Gottesdiensten war ich teilweise der Einzige, der eine Maske in der Kirche trug. Abstand war auch teilweise auf den Gängen und auf den Bänken nicht gegeben. Gesungen wurde teilweise auch.
Ich finde die Frage ob Gottesdienste stattfinden dürfen bzw. sollten, ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Abwägung von Grundrechten in der Pandemie an Ihre Grenzen geraten.
Prinzipiell sollte jedem klar sein, dass unabhängig von Hygienekonzepten, Gottesdienste das Infektionsgeschehen negativ beeinflussen werden. Gerade in Städten, in denen viele Teilnehmer (insbesondere älteren Semesters) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, ist es viel zu kurz gedacht, wenn man sagt: Wir passen im Gottesdienst schon auf.
Ich finde schon, dass die Kirchen es hier verpassene eine Vorbildfunktion zu erfüllen und nicht auf ihr Grundrecht zu pochen. Grundrechte schützen nicht vor Infektionen und die Prämisse sollte sein, Kontakte zu beschränken. Insbesondere, da man durchaus gut argumentieren kann, dass ein Kirchenbesuch nicht zwingend erforderlich ist um seinen Glauben auszuüben. Anders als z.B. bei gewissen Hallensportarten (z.B. Tennis ), die zumindest noch von sich behaupten können, dass Sie sich positiv auf die Gesundheit auswirken.
Die Kirchen haben es in ihrer geistlichen Lethargie leider verpasst Alternativen zu bieten. Vorallem aber haben Sie es verpasst den Gläubigen klar zu machen, dass es in der Pandemie durchaus wichtigeres gibt als den sonntaglichen Gottesdienst in der Kapelle.
Im übrigen habe ich selbst erlebt, dass es nicht allerorts so genau genommen wird. Selbst den Friedensgruß konnte man sich im Gottesdienst nicht ersparen und die Maskenpflicht wurde alles andere als ernst genommen. Sicherlich ist meine persönliche, einmalige Erfahrung nicht auf alle Kirchen anzuwenden. Dennoch empfinde ich es schon so, dass es sich die Kirchen und Gläubigen mit dem Verweis auf die Grundrechte deutlich zu einfach machen und mit Ihrer Reichweite - gerade an die ältere Bevölkerung - deutlich mehr Gutes tun hätten können.
Es gibt eben auch Menschen, die an keinen Gott glauben und ihre seelische Ausgeglichenheit durch andere „Events“ aufrecht erhalten.
Das könnte ein Sportler sein, der gerade nicht in der Mannschaft spielen kann genauso sehen wie ein Musiker, der gerade nicht mit dem Orchester spielen darf. Selbst wenn es nur Training oder Probe ist, so tut der Mensch etwas, was seiner Psyche gut tut und trifft Menschen, die ihm wichtig sind.
Als Atheist fühlt man sich da tatsächlich benachteiligt. Oder man bekommt den Eindruck, dass Christen oder allgemeiner religiöse Menschen bevorzugt werden.
Vielleicht erklärt mir doch mal jemand, was der Unterschied zwischen einem Kirchenchor und einem, sagen wir mal, einem Shanty Chor ist, was die aktuellen Corono-Situation angeht.
Oder zwischen einem kirchlichem und atheistischem Begräbnis.Oder einem Treffen der annonymen Alkoholiker und einem Gottesdienst.
Wieso sollten die jeweils unterschiedlich behandelt werden?
Wobei die Grenze ja nicht „nur“ zwischen Atheisten und Gläubigen gezogen wird. Ich fühl mich auch ungerecht behandelt, weil ich nicht zum Yoga gehen kann während andere ins Fitnessstudio dürfen oder weil mein Laienchor sein Konzert absagen musste, während der Profichor weiter auftreten darf.
Die Einschränkungen und Lockerungen treffen halt immer nur einen Teil der Bevölkerung und nie alle im gleichen Umfang. Damit und mit der Tatsache, dass man die Konsequenzen für Handlungen/Lockerungen „der Anderen“ mittragen wird, muss man sich irgendwann abfinden.
Religiöse Einrichtungen (wie Bars und Fitnesscenter) können über Hygene-Konzepte verfügen, um den Schaden zu begrenzen.
Aber es gibt sehr starke Beweise dafür, dass Bars, Fitnesscenter und, ja, religiöse Einrichtungen Superspreader Orte sind.
Ja, wir alle vermissen Umarmungen etc, aber religiöse Zeremonien können stattdessen eine Zeit lang über das Internet stattfinden, um ihren Beitrag zur Reduzierung von Covid19 zu leisten.
Im Endeffekt ist es bei Gottesdiensten nicht viel anders als bei Restaurants oder Kunst/Kultur Veranstaltungen.
Es gibt viele die sich vorbildlich verhalten und mit viel Aufwand Infektionen vermeiden und digitale Alternativen bieten, und es gibt die die keine oder nur wenig Maßnahmen vornehmen oder diese unterlaufen und beliebig viele Abstufungen dazwischen
Ich halte wenig von der Methode des jetzigen Lockdowns, da dieser eben stark die bestraft die sich viel Mühe gegeben haben und wo es vermutlich keine Übertragungen gab.
Sinnvoller wäre meiner Ansicht nach eine strikte Kontrolle mit drakonischen Strafen bei Missachtung. Dies würde die belohnen die sich Mühe geben.
Ich wollte mich überhaupt nicht darüber beklagen, mit welchen Einschränkungen wir im kirchlichen - unter anderem im gottesdienstlichen - Bereich leben müssen. Ich finde das im Großen und Ganzen nachvollziehbar und richtig. Mir ging es zuerst einmal darum, dem Eindruck entgegenzuwirken, die Kirchen würden bisher keinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten. So klang es für mich zumindest in der Folge216.
Natürlich kann ich nicht für alle Kolleg*innen und erst recht nicht für alle Gemeindemitglieder die Hand ins Feuer legen, dass sie sich an alle Regeln und Vorgaben halten. Ich kenne nur die Dienstanweisungen unseres Bistums Speyer. Und da finde ich durchaus, dass sehr viel zur Bekämpfung der Pandemie getan wird und viel Selbstbeschränkung über die staatlichen Vorgaben hinaus betrieben wird. (Nur in Beispiel: Bis Ende Februar sind alle Konferenzen und Sitzungen „in echt“ verboten). Da möchte ich DavidA schon widersprechen und behaupten, dass die Kirchen vorbildlich handeln.
Nicht nachvollziehen kann ich diese Aussage von DavidA:
„Die Kirchen haben es in ihrer geistlichen Lethargie leider verpasst Alternativen zu bieten. Vor allem aber haben Sie es verpasst den Gläubigen klar zu machen, dass es in der Pandemie durchaus wichtigeres gibt als den sonntaglichen Gottesdienst in der Kapelle“
Es wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Alternativen entwickelt: Telefonandachten, Livestream von Gottesdiensten, Konzepte für Hausgottesdienste (alleine oder in der Familie), YouTube-Predigten… nicht alles ist handwerklich gut gemacht, da haben viele meiner Kolleg*innen noch einen größeren Lernprozess vor sich
Besonders für Heilig Abend wurden mit viel Kreativität nach Lösungen gesucht: Gottesdienste auf dem Sportplatz, Stationengottesdienste… alles im bemühen, große Menschenansammlungen zu vermeiden und trotzdem religiöse Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Dass es wichtigeres als den sonntäglichen Gottesdienst gibt, hat die Kirche schon alleine dadurch deutlich gemacht, dass die so genannte „Sonntagspflicht“ bis auf weiteres ausgesetzt ist. (Über die Begrifflichkeit (und den Inhalt) der Sonntagspflicht könnte man jetzt eine eigene Diskussion anfangen, aber das ist ein ganz anderes Thema).
Zusammenfassung:
Könnten die Kirchen mehr tun? Bestimmt.
Halten sich in den Kirchen alle an die staatlichen und kirchlichen Vorgaben? Vermutlich nicht (bedauerlich)
Leistet die Kirche einen Beitrag zu Bekämpfung der Pandemie? Auf alle Fälle.
Disclaimer: Ich bin als nebenberuflicher Organist in der Ev. Kirche tätig.
Ich stimme dem Geschriebenen zu. Alle Gemeinden, die ich kenne, gehen mit den Hygienevorgaben sehr sorgfältig und vorsichtig um. Dennoch gilt allgemein das Credo: Wer kann, der muss. Solange die Gottesdienste nicht verboten sind, besteht in den Gemeinden die implizit wahrgenommene Pflicht, die Dienste auch zu feiern. Auch dann, wenn PfarrerIn, MesnerIn, OrganistIn und andere Stakeholder sich dabei unwohl fühlen.
Der Umgang mit Gottediensten in der Pandemie hat für mich zwei Schwachpunkte der evangelisch landeskirchlichen und katholischen Gemeinden gezeigt:
Schwachpunkt 1 ist die fehlende Ausstattung mit digitalen Mitteln, um Gottesdienste zu streamen. Videogottesdienste finden statt, aber nur dort wo aus ehrenamtlichen Ressourcen und mit viel Privatinteresse die Möglichkeiten vorhanden sind. Meine Erwartung wäre, dass die Kirchenführung in den 8 Monaten der Pandemie eine grundlegende Ausstattung der Gemeinden mit Kameras und Schnittplätzen auf die Beine hätte stellen müssen. Das wäre auch eine große Chance gewesen, den Gottesdienst auch langfristig zugänglicher zu machen, gerade für die in der Seelsorge wichtigen Alten und Kranken.
Schwachpunkt 2 ist die parochiale Struktur. Gemeinden verstehen sich in den Ev. Landeskirchen und in der Kath. Kirche immer als Ortsgemeinde. Ein Gottesdienst findet immer für „die eigene“ Gemeinde statt. Die (gefühlte) Distanz zu einem Livestream aus dem Nachbarsort ist noch zu groß. Auch hier besteht dringender Bedarf, parochiale Strukturen zu durchbrechen und ortsübergreifende Gemeinden mit Profil zu entwickeln. Auch das hätte man in den 8 Monaten Corona gut machen können.
Ich bin hauptsächlich mit Freikirchen verbunden, jedoch habe ich mitbekommen, dass zumindest in Dortmund und Witten die evangelischen und teils auch die katholischen Gemeinde sowie die Freikirchen ihre Präsenz Gottesdienste haben ausfallen lassen.
Ansonsten kann ich nicht viel zu den Ausführungen sagen, außer dass es auch bei freikirchlichen Gemeinden häufig große Unterschiede gibt zwischen den einzelnen Gemeinden und es immer vom Engagement der Mitglieder abhängig ist was geht
Ich kenne nur die Situation in unserem Bistum Speyer, also der kath. Kirche in der Pfalz (und Saarpfalz) genauer. In der vorletzten Dienstanweisung wurde mehrfach und ganz ausdrücklich betont, dass niemand sich zu einem Gottesdienst gezwungen fühlen soll - kein Haupt- und kein Ehrenamtlicher. Es wird das Recht - fast schon als Pflicht - betont, dem Gottesdienst fern zu bleiben, wenn man kein gutes Gefühl dabei hat, selbst wenn dies bedeutet, dass der Gottesdienst ausfällt.
Mit der letzten Dienstanweisung hat sich das sowieso alles erübrigt, weil alle öffentlichen Gottesdienste während des Lockdowns verboten wurden.
Es gibt aktuell für praktischen nichts im privaten/gesellschaftlichen Raum irgendwelche Ausnahmen. Keine Party, keine Hochzeit, keine Beerdigung, kein Konzert, keine Lesung, kein Sport.
Viele dieser Dinge haben einen großen Nutzen für die psychische und soziale Gesundheit.
Es ist mir vollkommen schleierhaft, warum ausgerechnet für die Kirchen Sonderrecht erwartet werden.
Veranstaltungen mit mehreren Personen sind aktuell in jeglicher Form unverantwortlich und ausgesprochen egoistisch. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Gottesdienste nicht als Freizeitaktivität gelten sollten.