Das Interview mit Frau Kemfert dürfte bei den Hörern, die nicht tief in der Materie drin stecken, leider zu einem ziemlich verzerrten Bild der Realität führen. Teilweise spricht Frau Kemfert wie eine Solar-Lobbyistin (z.B. die Bezeichnung der EEG-Umlage als „sogenannte Solarsteuer“), was einer objektiven Bewertung meines Erachtens nach eher abträglich ist. Nach dem Hören des Interviews dürfte der nicht-fachkundige Hörer wahrscheinlich den Eindruck haben, dass EE-Anlagenbetreiber (und insbesondere PV-Anlagenbetreiber) gegenüber anderen Akteuren benachteiligt seien und mit der EEG-Novelle 2021 sich die Situation grundsätzlich noch weiter verschlechtere. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall – EE-Anlagenbetreiber sind (meines Erachtens nach auch richtigerweise) gegenüber „konventionellen“ Anlagenbetreibern besser gestellt und die EEG-Novelle verbessert tendenziell die Situation für die EE-Anlagenbetreiber im Vergleich zur gegenwärtig gültigen Rechtslage. Worüber man sicherlich diskutieren kann, ist die Fragestellung, ob die Verbesserungen ausreichend sind, oder ob nicht weitergehende Verbesserungen notwendig und/oder sinnvoll wären.
Nach der derzeitig gültigen Rechtslage (dem EEG 2017), müssten Anlagenbetreiber nach Auslaufen der Förderung nach 20 Jahren sich selbständig um die Vermarktung ihres Stroms kümmern, bzw. sich selbst einen Dienstleister („Direktvermarkter“) dafür suchen. Das dürfte insbesondere bei kleinen PV-Anlagen kaum realistisch sein, da die mit den Aufwänden verbundenen Kosten wohl in vielen (wahrscheinlich bei kleinen Anlagen in den allermeisten) Fällen zu hoch sein dürften (dies ist aber keine Sonderregelung, um EE-Anlagenbetreiber zu diskriminieren, sondern dies gilt für alle „konventionellen“ Anlagen im Prinzip immer). Wenn es den Anlagenbetreibern nicht gelingen würde, einen Vermarkter für ihren Strom zu finden (oder ihn selbst zu vermarkten), müssten die Anlagen nach heutiger Rechtslage wohl abgeklemmt werden, um sogenannte wilde Einspeisungen zu vermeiden (was natürlich den Zielen der Energiewende entgegen laufen würde und sicherlich nicht gewollt sein kann). In der EEG-Novelle 2021 ist nun vorgesehen, dass „ausgeförderte Anlagen“ (d.h. Anlagen, für die die zwanzigjährige Vergütungsdauer abgelaufen ist) weiterhin die sogenannte „Einspeisevergütung“ (d.h. die Vermarktung durch die Übertragungsnetzbetreiber) in Anspruch nehmen dürfen (wobei sie dafür nicht mehr den ursprünglichen Förderbetrag, der in vielen Fällen ein vielfaches des eigentlichen Marktwerts des Stroms entsprach, bekommen, sondern nur noch den Marktwert, d.h. den Preis, den der Strom an der Strombörse wert ist). Diese Regelung soll für Anlagen > 100 kW nur bis Ende 2021 gelten, für kleine Anlagen bis Ende 2027 (§ 25 Abs. 2 im Regierungsentwurf zum EEG 2021). Hier kann man sicherlich darüber diskutieren, ob man diese Möglichkeit nicht zeitlich unbefristet vorsehen sollte – andererseits gibt es (zumindest für die kleinen Anlagen) bis 2027 auch noch genügend EEG-Novellen, in denen die Regelung angepasst werden kann. Die Anlagen, die in der Einspeisevergütung bleiben, müssen auch kein Smart-Meter einbauen, dies ist nur dann der Fall, falls der Strom teilweise selbst verbraucht werden soll (dieses „Verbot“ des Eigenverbrauchs ist in § 21 Abs. 2 RegE EEG 2021 geregelt). Von daher wäre die korrekte Antwort auf die Frage, ob eine voll funktionsfähige Anlage ohne Smart Meter abgebaut und verschrottet werden müsste ein ganz klares Nein (und nicht wie von Frau Kemfert geäußert ein Ja).
Das Thema Eigenverbrauch an sich ist auch viel komplizierter als von Frau Kemfert dargestellt. Die EEG-Umlage als „sogenannte Solarsteuer“ zu bezeichnen ist meines Erachtens nach populistischer Unsinn – anders als die Bezeichnung „Solarsteuer“ impliziert, bezahlen grundsätzlich alle Eigenverbraucher die EEG-Umlage, nicht nur die PV-Anlagenbetreiber. EE-Anlagenbetreiber zahlen im Gegensatz zu den konventionellen Anlagenbetreibern auch nicht die volle Umlage, sondern „nur“ 40% (bzw. bei Anlagen < 10 kW für die ersten 20 Jahre gar keine Umlage), sind also nicht schlechter-, sonder bessergestellt (was ja durchaus auch sinnvoll und richtig sein kann, nur sollte man halt nicht den Eindruck erwecken, als sei das Gegenteil der Fall). Dass mit der EEG-Umlage zu einem großen Teil auch die (zumindest für die älteren Anlagen) deutlich über dem Marktwert des Stroms liegende Förderung der PV-Anlagenbetreiber bezahlt wird, hätte man durchaus auch erwähnen können… (so gesehen könnte man sagen, dass der Begriff „Solarsteuer“ nicht ganz falsch ist, allerdings nicht so, wie er gemeinhin verstanden wird).
Das Problem mit der Eigenversorgung ist, dass diese hauptsächlich deshalb finanziell lukrativ ist, weil Eigenversorger gewisse Kosten nicht (Netzentgelte und KWKG-basierte Umlagen) oder eben nur zu einem Teil (EEG-Umlage) tragen müssen. Das wäre volkswirtschaftlich dann effizient und sinnvoll, wenn diese Kosten bei einer Eigenversorgung gar nicht erst anfallen würden – dies ist aber (zum allergrößten Teil) nicht der Fall: die Kosten für die Netzanschlüsse werden weniger durch die Arbeit (die gesamte Strommenge), als vielmehr durch den maximalen Leistungsbezug bestimmt. Da die Höchstlast meist im Winter gegen Abend auftritt, kann Eigenverbrauch aus PV-Anlagen tendenziell keinen oder nur einen geringen Beitrag leisten, diesen Maximalbezug und damit auch die mit der Dimensionierung des Netzes zusammenhängenden Kosten zu senken. Das gleiche gilt für die Kosten, die über die verschiedenen Umlagen auf die Letztverbraucher umgelegt werden. Im Ergebnis führt Eigenverbrauch somit (leider) nicht zu einer nennenswerten Reduktion der Gesamtkosten, sondern nur zu einer anderen Verteilung (warum in diesem Zusammenhang von Kritikern des Eigenverbrauchs auch von einer „Entsolidarisierung durch Eigenverbrauch“ gesprochen wird). Es ist sicherlich sinnvoll, zu diskutieren, ob die gegenwärtige Netzentgeltsystematik (Umlage der Kosten über die Strombezugsmenge und nicht die maximale Leistung) und die Verteilung von Förderkosten über Umlagen richtig oder falsch ist (m.E.n. gibt es diesbezüglich sowohl Argumente, die dafür, wie Argumente, die dagegen sprechen), das ist aber eine ganz andere und viel komplexere Diskussion wie nur die Abschaffung der „Solarsteuer“ zu fordern. Eine Abschaffung der EEG-Umlage für Eigenverbrauch (ohne grundlegende Reform der Abgaben/Umlagen) würde zu einer Erhöhung der indirekten Förderung von Eigenverbrauchsanlagen führen (durch gesparte Abgaben / Umlagen). Diese indirekte Förderung ist mittlerweile oftmals deutlich höher als die Fördersätze für PV-Anlagen, die den Strom komplett in das Netz einspeisen. Im Ergebnis führt die indirekte Förderung durch Eigenverbrauch dazu, dass nicht unbedingt die günstigsten Anlagen gefördert werden. Rein volkswirtschaftlich gesehen führt der (umlagenfreie oder reduzierte) Eigenverbrauch somit zu einer ineffizienten Förderung und wäre bei einer rein volkswirtschaftlichen Kostenbetrachtung entsprechend abzulehnen. Allerdings gibt es neben den Kosten natürlich auch noch andere Aspekte, die es bei der Diskussion zu berücksichtigen gilt. Ein valides Argument pro Eigenverbrauch ist aus meiner Sicht, dass Eigenverbrauch einen wichtigen Teil zur Akzeptanz der Energiewende beitragen kann.