LdN210 - Anwendung von Szenarien

Lieber Philipp und Ulf,

auch wenn Ihr es x-mal hört: Ihr macht einen sehr geilen Podcast. Vielen Dank!

Aus der Folge 210 wurde ich bei der Frage um Szenarien der Bundesregierung zur zukünftigen Entwicklung der Pandemie in Deutschland hellhörig. Gut, zugegeben, ich arbeite als politischer Analyst und nutze Szenariomethoden recht intensiv, daher bin ich sicherlich etwas parteiisch. Aber zu Deinem Kommentar, Ulf, dass man mit Szenarien unflexibel wird. Paraphrasiert hast Du gefragt, was denn passieren würde, wenn eine Realität zu keinem vorher generierten Szenarien passen würde.

Auch wenn ich dem gefühlten leichten What-Ifsm dieser Frage nicht folgen, sind ernsthaft gemachte Szenarien nicht dafür da, Zukünfte zu zeichnen mit dem Claim, erstere vorauszusagen. Gut gemachte Szenarien machen Gründe für eine Projektion (VorausSCHAU nicht -SAGE) möglicher Zukünfte transparent, angreifbar und zerlegbar zum besseren Verständnis. Den Anspruch der Vorhersage ist einfach falsch. Abgesehen davon, dass ohne (gut gemachte) Szenarien stets besser Trends, „political patterns“ etc. nachzeichnen können, als der blinde Wildschuss in den Nebel: gut gemachte Szenarien geben Dir die Möglichkeit über mehrmonatige oder mehrjährige Anwendung Deine analytische Linse immer mehr zu schärfen.

Ich bitte Verzeihung für jegliches Klugscheißen, aber ich denke Deine Argumentation ist materiell einfach sehr schwach. Natürlich freue ich mich auf eine Rückmeldung hierzu. Falls Ihr Euch für Szenarienmethoden interessiert, meldet Euch gerne bei mir.

LG

Farshad

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Ich glaube wir reden hier von verschiedenen Dingen: Bei uns ging es um die gesetzliche Regelung von Reaktionen auf Pandemien. Deine Szenarien scheinen mir doch eher in den Bereich der Politikberatung zu gehören, denn so wie Du das schilderst werden sie ja nicht gesetzlich niedergelegt und dort zum Anknüpfungspunkt für bestimmte Befugnisse gemacht.

Danke für die Rückmeldungen. Aber Ihr habt folgende Optionen angesprochen:

  • Bundesregierung bildet Szenarien
  • Bundestag entwickelt Szenarien, auf deren Grundlage dann auf Pandemieverläufe reagiert wird.

Letztes kann man, so wie Du es gemacht hast, sehr eng fassen. Dann hast Du Recht und es würde zu unflexibel werden. Aber dafür sind, wie zuvor erwähnt, Szenarien nicht gemacht.

Du hast es selbst gesagt: die Übertragung von „Macht“ via Infektionsschutzgesetz an Land und Kommune ist sehr pauschal; so könnte ein Rahmengesetz eine Landesregierung verpflichten transparente Szenarien zu bilden, anhand derer exekutive Handlungen orientiert werden. Abweichungen sind immer ok, wenn sie begründet werden. Zudem, was machen wir denn momentan? Ab 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner passiert A, ab 50 passiert B, etc. De facto arbeiten wir schon mit Szenarien, jedoch legen wir sie nicht aus. Denn hinter den Zahlen, liegen Vermutungen über eine zukünftige epidemiologische Entwicklungen. In solch einer Lage und mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie laufen Entscheidungen Gefahr, intransparent zu wirken und nicht selten ineffizient (wenn nicht sogar ineffektiv) zu sein. Und wenn Parteien im Bundestag das ausschlachten wollen, gleicht die Pandemie-Policy eher einem verletzten Zebra, dass vor einer Horde von hungrigen Löwinnen flüchten muss. Ich würde sagen: Macht Eure Handlungen transparent und überprüfbar, nein sogar angreifbar, aber basierend auf Fakten und konsistenten Aussagen. Aus der eigenen Kritik sehe ich eher das Problem, dass wir nicht mal ansatzweise die Fehlerkultur in der Politik haben, die notwendig ist, um gewissenhaft mit solch einer Methode zu arbeiten. Einige Politiker (z.B. Jens Spahn) versuchen es, aber ich sehe da nicht genügend Köpfe, die da mitgehen würden.

Macht weiter so und liebe Grüße