LDN206 218/218a

Bei dem Aspekt ging es mir hauptsächlich um das Argument mit der Lehre und der Forschung. Wenn sich bspw. eine Universität darauf beruft, man könne das nicht lehren bzw. daran forschen weil nicht legal, ist das ein Vorwand – es gibt ja völlig legale Gründe, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.

Eine andere Frage ist das Angebot – und hier dürfte eine Legalisierung erstmal nichts ändern, denn auch die würde die Praxen und Krankenhäuser ja nicht zwingen, diese Leistung anzubieten.
Wenn man eine Grundversorgung sicherstellen will, bräuchte es in jedem Fall zusätzliche Regelungen – die könnte man meines Wissens allerdings eben auch jetzt schon beschließen.

Also nein; ich glaube nicht, dass eine Legalisierung daran was ändern würde oder auch nur eine notwendige Voraussetzung wäre.
Ich muss allerdings auch als Disclaimer sagen, dass ich mich nur in das Thema reingenerdet habe und keine Juristin bin. Deshalb bin ich selber auf entsprechende aufbereitete Infos zu dem Thema angewiesen und kann natürlich nicht ausschließen, dass ich die falsch verstehe bzw. die falschen Schlüsse ziehe.

Ah, jetzt verstehe ich es besser, danke, dass du das nochmal ausgeführt hast. Ich stimme dir auch zu, dass es immer Vorwände geben wird, für Menschen, die danach suchen. Aber gerade machen wir es ihnen sehr leicht.

Mir wäre nach wie vor lieber, wenn die rechtliche Situation eine andere wäre, auch wenn es in großen Teilen Symbolpolitik ist. Ich bin da einfach der „wenn, dann richtig“-Typ und mag so ein Herumgeeiere nicht, auch wenn andere das vielleicht versöhnlicher als Kompromiss beschreiben würden. Wenn allerdings eine Grundversorgung auch anders geht, nehm ich die auch gerne so.

Aber ich befürchte, das ist eben nicht gewollt. Für eine solche bräuchte es eben auch einen „Kulturkampf“, weil Gegner:innen des Rechts auf einen Abbruch eben unter keinen Umständen verbessert sehen wollen und das verhindern werden wollen.

Ich muss gestehen, dass ich zudem auch Sorge davor habe, dass der aktuelle Kompromiss fragil ist. Und dass, wenn die Verhältnisse hier mal kippen sollten, die Straffreiheit auch Schritt für Schritt wieder abgebaut werden kann. Da hätte ich einfach gerne klare Verhältnisse geschaffen.

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Liebe Sandra,
zunächst einmal vielen Dank für Deine kritischen Anmerkungen! Ich habe dazu folgende Gedanken:

Wenn wir aber neues menschliches Leben spätestens mit der ersten Zellteilung haben, dann müsste man konsequenterweise auch schon viel früher bei der Strafbarkeit der Abtreibung beginnen und nicht erst mit der Nidation. Schutzgut ist schließlich nicht die Schwangerschaft als solche, sondern das menschliche Leben. Vor diesem Hintergrund ist die Nidation vielleicht relevant für den Beginn der Schwangerschaft, dass ist aber kein hinreichender Grund, von hier an mit dem Strafrecht zu drohen. Das ist nicht gut begründet, das ist willkürlich. Viel rationaler wäre es aus meiner Sicht, den Fötus erst ab dem Zeitpunkt Rechte zuzugestehen, ab dem er Schmerzen empfinden kann, was eine gewisse Hirnentwicklung voraussetzt.

Juristisch ist der Begriff „Mensch“ und die damit einhergehenden Rechte im Übrigen nur dem geborenen Menschen vorbehalten. Beim Embryo bzw. Fötus handelt es sich um menschliches Leben, das noch kein Mensch ist. Wenn das nicht so wäre, wäre jede Abtreibung stets ein Totschlag, wahrscheinlich sogar ein Mord. Das wird auch sehr schön in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte deutlich, dort Art . 1 Satz 1: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Die Rechte eines Menschen stehen für mich weit höher als die Rechte eines ungeborenen menschlichen Lebewesens.

Es geht mir hier um die verpflichtende Beratung, die ein bestimmtes Ziel vorgibt. Beides kann ich nicht nachvollziehen. Vor dem Hintergrund der von mir genannten Abwägung ist das eine absolute Zumutung und nicht zu rechtfertigen. Du hast natürlich Recht, in den Fällen des § 218a Abs. 2 und 3 StGB ist eine Beratung im Sinne des § 219 StGB nicht erforderlich. Es bleibt aber die verpflichtende Beratung und Feststellung durch einen anderen Arzt, als denjenigen, der den Abbruch vornimmt, § 218b Abs. 1 Satz 1 StGB. Was für eine Anmaßung einer Frau, die um ihr eigenes Leben bangen muss oder vergewaltigt worden ist, auch noch verpflichtend aufzugeben, zwei unterschiedliche Ärzte aufzusuchen!

Ja, die ärztliche Beratungspflicht ist etwas anderes . Aus meiner Sicht reicht sie aus. Die sonstigen Implikationen müssen der Schwangeren grundsätzlich selbst überlassen werden. Ihre Rechte (Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit) müssen regelmäßig Vorrang vor den Rechten des Fötus haben.

Ich habe nicht behauptet, dass das nicht die Position von Ulf und Philip war…

Nope; es ist kein guter Zustand. Aber das liegt IMHO wirklich weder am damaligen Kompromiss des BVerfG, noch an der jetzigen Rechtslage.

Wenn ich Deine mir gegenüber geäußerten Kritikpunkte lese, ist mir nicht ganz klar, warum das gegenwärtig für Dich - bis auf die Ausnahme der Kostenübernahme - kein guter Zustand sein sollte.

Der „Kompromiss“ des BVerfG ist auf der Basis eines verkorksten Urteils aus den 70er Jahren entstanden, ich kann mir vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG, dass der Selbstbestimmung eine ganz neue Bedeutung gegeben hat (vgl. das Urteil zur Suizidassistenz im Februar diesen Jahres), nicht vorstellen, dass eine liberalere Regelung keine Chance hätte.

Ich wäre für eine differenzierte Fristenlösung außerhalb des Strafrechts ohne bevormundenden Beratungszwang. Nur in ganz krassen Fällen sollte auf das Strafrecht zurück gegriffen werden, wobei ich die Tendenz hätte, die Schwangere in nahezu allen Fällen von einer Strafbarkeit auszuschließen.

Eine Illegalität ist eben immer auch ein möglicher Grund, etwas nicht zu lehren und nicht „anzubieten“.

Das mag in der Theorie richtig sein, nur sehe ich nicht das es in der Realität des Medizinstudiums relevant ist, an meiner Uni nicht und nach allem was ich weiß auch nicht an anderen. Ich bin gern bereit konkrete Probleme anzuerkennen, habe aber meine Schwierigkeiten mit rein theoretischen „Problemen“.

Schwangerschaftsabbrüche sollten definitiv nicht an der Suche nach einem Arzt scheitern.
Ich bin mir aber nicht sicher ob eine Zwangsverpflichtung von Ärzten die den Eingriff aus welchen Gründen auch immer ablehnen die Versorgungslage wirklich verbessert. Ich würde es besser finden wenn die Ärzte die einen Eingriff durchführen auch hinter ihrem Handeln stehen, im Sinne aller Beteiligten.
Was ich sinnvoll finden würde ist wenn zumindest Kliniken/Chefärzte ihren Mitarbeitern diesbezüglich keine Vorschriften machen dürften, so dass jeder Facharzt nach eigenem Gewissen entscheiden könnte (aber sicherlich im Arbeitsalltag sehr schwer umzusetzen).

Ulf:
Deine Aussage im Podcast das Herztöne in der 6. Woche nicht meßbar sein ist, um es mit deinen Worten zu sagen, physiologisch Unsinn.

Im ersten Drittel der Schwangerschaft entwickeln sich bereits alle Organe. Auch die Ohren, Augen und Augenlider werden schon angelegt. Bereits ab dem 22. Tag, also in der 5. SSW, beginnt das Herz zu schlagen - ab der 6. Woche ist der Herzschlag auch auf dem Ultraschall nachweisbar.

Quelle: https://www.frauenaerzte-im-netz.de/schwangerschaft-geburt/schwangerschaft/schwangerschaftsdrittel/

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Jup; so könnte man tatsächlich argumentieren. Das wurde ja bspw. auch im Rahmen der Pille danach versucht. Und falls wirklich bewiesen wird, dass die Pille danach die Nidation einer befruchteten Eizelle relevant verhindert (ist derzeit nicht der Fall), kann es auch sein, dass das nochmal Thema wird.

Aber warum das bisher keine Berücksichtigung findet ist IMHO erklärbar:

  1. Ein rein logischer Grund: wir reden ja von Schwangerschaftsabbruch. Eine Schwangerschaft kann aber natürlich nicht vor ihrem medizinischen Beginn abgebrochen werden. D.h. man müsste das ganze Konzept Schwangerschaft neu definieren oder sich juristisch davon lösen.
  2. Das ganze hätte man natürlich machen können, wenn es damals schon relevant gewesen wäre. Aber damals gab es keine AFAIK keine relevante Prozedur, die die Nidation verhindert hätte (wie gesagt gibt es die Stand jetzt nicht mal heute).
    Weshalb das in der Praxis einfach egal war und bis heute ist.

Das finde ich wiederum überhaupt nicht rational. Alleine schon, weil es den Wert menschlichen Lebens über seine Schmerzempfindlichkeit bemisst, was kein sinnvolles Kriterium ist.

Das kann ich nicht belegen; bin keine Juristin. Aber dass jetzt daraus abzuleiten scheint mir schon etwas gewagt.

Finde ich nicht per se. Wir können darüber diskutieren, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, damit Menschen in so einer Situation maximal unterstützt werden – generell werden Personen in solchen persönlichen Notlagen oft viel zu alleine gelassen.
Trotzdem gilt es IMHO, den Rechten des Fötus Rechnung zu tragen – und das ist im Zweifel immer unbequem (da mit Hürden für die schwangere Person verbunden). Aber dass eine Beratung unabhängig von etwaigen finanziellen Interessen stattfindet, ist das mindeste (übrigens auch, um schwangere Personen in einer solchen emotionalen Ausnahmesituation zu schützen).

Naja; sie haben ja auch Vorrang vor den Rechten des Fötus – die Entscheidung trifft immer die schwangere Person; und das auch im Beratungszimmer; sondern in Ruhe später.
Ansonsten ist eine medizinische Beratung alleine in meinen Augen nicht ausreichend (bspw. wissen viele nicht, dass es die realistische Möglichkeit eine anonymen Geburt + Adoption gibt).
Und wie gesagt; ich denke, man kann eine (nicht nur medizinisch) informierte Entscheidung verlangen und ich denke, dass eine unabhängige Beratung sinnvoll ist. Hier kommen wir möglicherweise einfach nicht ganz zusammen :blush:

Naja; bspw. die Angebotssituation. Es ist nicht akzeptabel, dass bspw. nur eine Beratung im Umkreis von zig Kilometern ist und ich dann da vor einem katholischen Priester hocke (es sein denn, ich will das).
Oder dass es je nach Ort viel zu wenige durchführende Stellen gibt – gerade aufgrund des unter Umständen sehr knappen Zeitfensters.
Oder dass große und fast ausschließlich staatlich finanzierte Institutionen wie katholische Krankenhäuser das per se verweigern dürfen. (Ich weiß nicht, ob man einzelne Ärzte/Praxen dazu zwingen können sollte; aber IMHO ist es einem größeren Krankenhaus zumutbar, entsprechend bereitwillige Ärzte anzuwerben.)
Oder dass Lebensschützer derart aggressiv Praxen und Personen drangsalieren können, ohne dass das unterbunden werden kann (auch hier steckt der Teufel im Detail; aber das Auflauern vor Beratungsstationen – alter!).
Also es sind schon einige Punkte hier; aber die sind praktischer Natur.

Ich bin mir nicht sicher, wie verkorkst das Urteil wirklich ist. Für mich scheint es so, als seien die Richter eig. relativ clever und weitsichtig in ihrer Entscheidung gewesen. Aber wie gesagt; keine Juristin.

Da hast du aber den Inhalt des Blocks falsch gedeutet. Es ging ja in der Hauptsache um die Diskussion in den USA und die Befürchtung, dass diese dann ähnlich auch nach DTL überschwappt, weswegen dann noch ein kurzer Exkurs über die Lage in DTL vorkam, es ging eben nicht in der Hauptsache um den Inhalt der Diskussion mit all seinen Nuancen sondern mehr um das Verhalten der Teilnehmer an der Diskussion in den USA.

Nachfrage: wieso benötigt man ein neues Grundsatzurteil des BVerfG um 218 und 218a ersatzlos zu streichen?

Ist es nicht Vorrecht der gewählten Organe über sein oder Nichtsein von Gesetzen zu entscheiden?

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Karlsruhe wird befragt werden. Und da Karlsruhe sich zu dem Thema schon mehrfach geäußert hat werden sie sich auch mit dem Thema befassen. Schließlich ist §§218ff immer eine Abwägung mit Art.1.1 GG.

Na ja, das ist ja bloß ein Vorschlag. Es gibt auch andere Ideen, zum Beispiel der Herzschlag. Ich finde das Konzept, Rechte mit Schmerzempfinden zu verbinden, gleichwohl diskutabel. Denn wer leiden kann, dem kann Leid zugefügt werden. Das ist sehr viel konkreter als das Lebendige „an sich“: das zu schützen setzt voraus, dass das Leben an sich einen eigenständigen Wert hat, was einer konkreten Zuschreibung bedarf. Beispielsweise ist auch im Kontext der Diskussion, ob Tiere eigenständige subjektive Rechte haben sollen, häufig ein wichtiges Argument, wie sehr sie Schmerzen empfinden können, respektive leidensfähig sind.

Das Juristische ist hier aber sehr wichtig, da es ja um die Diskussion von Strafrechtsparagraphen geht. Und glaube mir (oder schlag es nach), eine Abtreibung kann kein Mord oder Totschlag sein, weil der Embryo bzw. der Fötus eben kein Mensch ist. Die § 211, 212 StGB setzen als Tatobjekt bzw. Subjekt einen Menschen voraus, § 218 StGB gerade nicht.

Und grundsätzlich gelten Grundrechte auch nur für lebende Menschen… Es bedarf also einigen juristischen Begründungsauffand, um das Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch auf den Embryo bzw. Fötus zu übertragen. Hinzu kommt: das Leben ist kein absolut geschützter Wert nach dem Grundgesetz, das ist nur die Menschenwürde (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG - sonst wäre eine Tötung in Notwehr immer rechtswidrig, der sog. finale Rettungsschuss wäre ebenfalls nie zu rechtfertigen).

Die beiden Urteile (es sind zwei Urteile!) des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema, verheddern sich da geradezu in Widersprüchlichkeiten.

Gerade für Nichtjuristen möchte ich nochmals die Lektüre von Thomas Darnstädt, Verschlusssache Karlsruhe, Seiten 329-374 zum Thema empfehlen (auch ansonsten ist das Buch sehr lesenswert). Hier werden die zwei Urteile und der Kontext ihrer Entstehung unterhaltsam und lehrreich dargestellt.

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