LdN204 Trump ohne Strategie!

Ich fand die Schlussfolgerung zu den Motiven von Donald Trump für sein Leugnen der Gefährlichkeit der Corona-Pandemie etwas naiv und zu kurz gesprungen.
Natürlich kann man von außen letztlich nicht genau wissen, was ihn so antreibt.
Meiner Erinnerung nach (und vielleicht etwas überspitzt) habt ihr gesagt, dass er völlig ohne Überzeugungen ist, und auch ohne Strategie.
Ohne Überzeugungen mag er sein, aber nicht ohne Strategie. Die Corona-Pandemie hat ihm zum für ihn unpassendsten Zeitpunkt sein Hauptargument für den Wahlkampf zerstört: er hat alles auf ein starkes Wirtschaftswachstum im 2. Halbjahr 2020 gesetzt. Es erscheint vor dem Hintergrund schon sehr wahrscheinlich, dass er deshalb das Thema „Corona“ am liebsten ignorieren und kleinreden wollte und hoffte, dass das dicke Ende vielleicht erst nach der Wahl kommt.

Trotzdem rätselhaft: Überzeugt von der Gefährlichkeit, entsprechendes Interview im Februar, das zu gegebener Zeit absehbar gross herauskommen würde, aber Trump unternimmt nichts. Er hätte im Stillen umfassend an Plänen für Massnahmen arbeiten lassen können, um im Fall einer ungünstigen Entwicklung als Macher und Held dazustehen, während er bei günstiger Entwicklung mit dem Wirtschaftswachstum doch noch hätte punkten können. Vielleicht wollte Trump Eindruck machen auf den grossen Woodward, indem er so cool die Gefahr erkennt aber eben wie ein Kino-Held die Leute mit der Wahrheit verschont. Vielleicht hat er danach umgeschwenkt in der Hoffnung, die „hysterischen“ Europäer und die gebeutelten Chinesen mit der eigenen Industrie auf Hochtouren abhängen zu können. Dieses Hakenschlagen im Denken von Trump kennt man. Und er vollbringt das durchgehend in der Überzeugung, ein übermenschlich genialer Stratege zu sein. So kann ich mir im Moment den Ablauf vorstellen. Dass er überhaupt zu den Interviews bereit war? Woodward hat die letzten Präsidenten alle porträtiert, da kann er nicht zurückbleiben.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man an Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie im Stillen hätte arbeiten können. Aber gut, vielleicht fehlt mir die Fantasie. Trump hat halt definitiv voll auf die andere Karte gesetzt.
Und vielleicht hat er das wirklich erst nach dem Interview mit Woodward so entschieden. Wäre eine weitere Erklärung neben der, dass er ein eitler Pfau ist, der sich vielleicht einfach verplappert hat.

Wenn ich den Podcast richtig verstanden habe, geht es vorwiegend um die Aussagen von Trump im Februar. Auch in Deutschland wurde die Gefahr bis zum 2. März auch ziemlich runtergespielt, die erwähnte Ansprache von Frau Merkel fand erst Mitte März statt.

Und auch der New Yorker Bürgermeister und Demokrat Bill de Blasio hat die Gefahr am 3. März noch heruntergespielt:

Andrew Cuomo, der demokratische Gouverneur von New York, hat am 19. März gesagt:

"On March 19, when New York’s schools had already been closed, Cuomo said „in many ways, the fear is more dangerous than the virus.“

Karl Lauterbach von der SPD vermutet, dass Europa in wenigen Wochen mehr Neuinfektionen als die USA haben wird:

Was mich wundert ist, dass es so wenig Kritik aus dem Westen an China gibt. Dass die chinesischen Behörden die Aufklärung verzögert haben und damit die Wahrscheinlichkeit für eine Pandemie erhöht haben, ist ja mittlerweile belegt. Angesichts des angerichteten Schadens durch die Pandemie wundert mich das ein bisschen.Wäre das Virus in Russland und nicht in China ausgebrochen, wären die Reaktionen sicher anders ausgefallen. Dann würden wir jetzt über Sanktionen reden.

Das sind interessante „Zeitdokumente“, die du da von Anfang März ausgegraben hast. Spannend!
Aber aus meiner Sicht geht es hier eher um das, was Trump auch später noch gesagt hat, um die Sache herunterzuspielen. Als zumindest in Deutschland keiner mehr von einer „milder Erkrankung“ gesprochen hat.

Trump handelt nicht komplett ohne Strategie. Seine Strategien sind bloß einerseits nicht besonders durchdacht und andererseits setzt er seine Prioritäten allein auf seinen persönlichen Gewinn, eine evtl. Wiederwahl und auf Belohnungen seiner loyalen Unterstützer, statt darauf verantwortlich sein Land zu regieren.

Als nun im Frühjahr Corona ein Problem wurde in New York, Washington und den New England-Staaten, haben er und seine „Strategen“ sich gedacht, fein, das sind ja alles demokratisch dominierte Staaten. Die sollen mal alle schön verrecken, die wählen mich eh nicht. Und Unterstützung bekommen die schon gar nicht.

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Trump macht sein Ding, er ist rotzfrech, egoistisch, geht über Leichen.
Er wird sich nie für irgendetwas entschuldigen, nie seiner Verantwortung nachkommen.

Trump ist der endgültige Beweis dafür, dass das US-amerikanische Wahlsystem Schrott ist. Es genügt, reich zu sein und eine große Klappe zu haben, um US-Präsident zu werden. Ach ja, männlich muss man noch sein. Eine Frau würde trotzdem nicht gewählt, egal wie viel Geld und Frechheit sie besitzt.

Ich bin sehr gespannt, wie die Wahl ausgeht und was im Anschluss passiert.
Ich möchte ja hoffen, dass Biden gewählt wird und dann das Amt auch übernehmen kann. Aber ich fürchte, dass entweder wieder Trump gewählt wird (weil das Volk es noch immer nicht kapiert hat, weil die Wahlmänner nicht an ihre Zusagen gebunden sind oder weil die Wahl manipuliert wurde) oder dass Biden gewählt wird, Trump aber einfach mit Gewalt weiter macht. Man konnte ihn ja bisher auch wegen nichts drankriegen, egal was er verbrochen hat.

2016 habe ich den Optimismus der Medien nicht verstanden und Trump immer realistische Siegchancen eingeräumt. Ich war mir ziemlich sicher, dass Clinton keinen Landslide einfahren würde, sondern nur knapp gegen Trump gewinnen würde. Aber die aktuelle Situation ist dann doch ganz anders. Es gibt keine E-Mail-Affäre gegen Biden, er ist relativ beliebt in der US-Bevölkerung und Trump hat es sich in den vergangenen vier Jahren mit vielen Menschen verscherzt, die ihn 2016 noch gewählt haben.

ABER es kann jederzeit einen neuen Rechtspopulisten geben, der mit Lügen und Hass ins Weiße Haus einzieht. Trump hat das nicht patentiert. Wenn die Demokraten nicht 2024 schon wieder das gleiche erleben wollen wie 2016, müssen sie die sozialen Medien an die kurze Leine nehmen. Diese schaden der Gesellschaft und machen Zusammenarbeit über Parteigrenzen schwieriger. Gibt eine gute Doku auf Netflix zu dem Thema: