LdN2017 Rundfunkbeitrag -Verfassungswidrigkeit der CDU-Position

Hallo Otzenpunk,

der historische Hintergrund ist mir bekannt und ja, es hat bei zwei, verglichen mit Bremen und dem Saarland wohlhabenderen Länder so lange gedauert. Durch den wirtschaftlicheren Druck sollte es eigentlich schneller gehen.

Bezogen auf den Anteil der Bremer Bewölkerung an dem Sendegebiet eines NDR+BR wäre anzumerken, das es für die Leute vor Ort sowieso EINE Region ist, wohnen in Niedersachsen und arbeiten in Bremen/Bremerhaven. Da macht es keinen Sinn, das Bremen/Bremerhaven eine eigene Regionalsendung hat und der ‚Speckgürtel‘ in Niedersachsen einen eigenen. Es ist EINE Region und es würde die Region remen/Bremerhaven mit ihrem Umland stärken so wie bereits der NDR aus verschiedene Regionen berichte.

So ist es auch im Randgebiet von Berlin und Brandenburg, wo ich herkomme (aber gerade nicht da ;-). Wer in Strausberg (östliche Nachbargemeinde von Berlin) wohnt interessiert sich mehr dafür was in Berlin los ist (da arbeiten viele) als in Rathenow (nord-westlich von Berlin).

Sry das ist etwas allgemeiner aber als Politikwissenschaftler stößt mir diese Souveränitätsinterpretation besonders auf.

Das es ein nicht aufgelöster Souveränitätskonflikt ist, dass Abstimmungsverhalten und „endprodukt“ so differenziert werden ist klar. Formal gesehen sind die Machtverhältnisse bzw. Legitimationsverhältnisse jedoch klar, aber die immer noch überbordende Vorstellung der Legitimation durch „das Volk“ führt bei vielen Politikern zu der Vorstellung sie seien eine art volkstribun und müssten sie nicht an die Entscheidungen der Justiz halten (siehe Bayern).
Zu mal dieses Verhalten gerade zu lächerlich ist, da viele Parteien dazu übergegangen sind originär politische Entscheidungen an das Verfassungsgericht auszulagern, dass dies eine zunehmende Verrechtlichung politischer Entscheidungsprozesse erzeugt, welche in solchen Fällen zurückschlägt ist nicht weiter verwunderlich. Denn deine allgemeine Aussage zur Verfassungsmäßigkeit von Entscheidungen durch Annahme und Ablehnung gilt wie oben bereits dargestellt wurde nur innerhalb dieser verfassungsmäßig festgesetzen Prozeduren. Außerhalb dessen ist die Entscheidungsfindung ob justizibel gegenüber dem Repräsentanten oder nicht, verfassungswidrig.

Dein Argument ist als Problem der Gewaltenverschränkung interessant, jedoch nicht als Legitimation des Verhaltens der CDU in Sachsenanhalt.

Dein Verständnis der Rolle der Parlamente deutet auf ein größeres Missverständnis hin, welches ich gerade von einem Powiler als besonders traurig empfinde. Im System der BRD steht die Legislative nicht über der Verfassung. Natürlich können Entscheidungen der Legislative verfassungswidrig sein.

Ich bin mir bewusst, dass die Politikwissenschaft es immer noch nicht auf die Kette bekommen hat den Begriff der Volkssouveränität aus der Bildung zu streichen, das heißt aber nicht dass man als Fachwissenschaftler einfach behaupten könnte die Organe, welche die Bevölkerung repräsentieren hätten diese absolute Souveränität inne, nur weil es schon seit längeren einen Konflikt zwischen der Judikativen und den anderen Organen gibt. Dass hier der Eindruck entsteht die Judikative müsste konkreten Zwang ausüben (oder im Falle von Bayern Beugungshaft) ist den Politikern selbst zu zu schreiben, wenn sie denken sie könnten die Demokratische Legitimation über konstitutionelle stellen. Die Missachtung der durch das Verfassungsgericht festgelegten Prozeduren wird die Handlungsfähigkeit innerhalb der demokratischen Legitimation nur weiter einschränken.

Lieber Hufschmied,

vielen Dank für deinen Beitrag. Leider verstehe ich deine Aussagen nicht ganz. Was kritisierst Du jetzt genau?

Ich habe aufgrund technischer Unfähigkeit leider ein oder zwei Beiträge von mir gelöscht, daher ging hier vielleicht der ein oder andere Gedanke verloren. Ich kopiere mal einen Text von mir aus einem anderen Thread hier rein, der vielleicht ein paar Missverständnisse auflöst:

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Das GG ist Ausgangspunkt und Basis für alles Staatliche.

Dass das Parlament an das Grundgesetz gebunden ist, ist eine triviale Feststellung. Das zu bestreiten wäre absurd.

Der Zweck des Parlaments ist jedoch demokratische Legitimation. Und diese folgt nicht verfassungsrechtlicher Logik. Deshalb sind die Mandatsträger in ihrer Willensäußerung - also ihrer Stimmabgabe - frei und (verfassungsrechtlich!) allein ihrem Gewissen unterworfen. Beschränkt ist nur die Wirksamkeit ihrer Willensäußerung.

Könnte das BVerfG als Hüter der Verfassungsmäßigkeit den Mandatsträgern ein bestimmtes Stimmverhalten per Urteil diktieren, verstieße dies gegen die Gewaltenteilung, da das Gericht dann de facto selbst als Gesetzgeber auftreten würde.

Ich hätte gedacht, dies sei zumindest unter Experten common sense. Scheinbar ist dies strittig. Also ist dies nur ein Meinungsbeitrag.

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Keine Ahnung, ob das jetzt deine Kritik entkräftet, da müsstest Du jetzt nochmal nachlegen. Jedenfalls habe ich nie behauptet, dass das Parlament oder die Mandatsträger über der Verfassung stünden.

Darüber hinaus antworte ich Dir gern, aber Du müsstest - in aller Höflichkeit gesagt - etwas verständlicher schreiben.

Beste Grüße

Kai

Es tut mir leid, aber aus juristischer Perspektive ist das einfach komplett falsch. Nicht strittig.

Die Parlamentsmitglieder sind nach Art. 38 GG in ihrem Mandat frei, also nur ihrem Gewissen unterworfen. Soweit so richtig. Gleichwohl folgt aus Art. 20 III GG die Bindung des Gesetzgebers and Recht und Gesetz. Die Parlamente dürfen also auf keinen Fall die formellen und materiellen Vorgaben der verfassungsgemäßen Ordnung missachten. Ob eine Missachtung der verfassungsgemäßen Ordnung durch das Verhalten der Parlamentsmitglieder im Einzlnene vorliegt (also beispielsweise durch die Ablehnung der Erhöhung des Rundfunkbeitrags, obwohl die verfassungsmäßigen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen: Bundesverfassungsgericht - Presse - Rundfunkgebühren verfassungswidrig festgesetzt), entscheidet dann jeweils die Judikative.

D.h. die Argumentation, dass durch die Judikative keine Handlungen der Legislative kontrolliert werden könnten, ist schlicht nicht zutreffend. Selbstverständlich kann ein Parlamentsmitglied oder das Parlament als Organ gegen Recht und Gesetz verstoßen, auch - bzw. gerade - durch sein Abstimmungsverhalten.

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In einem gewaltenverschränkten System, wie wir es in Deutschland haben, gibt es Spannungsfelder in denen die Zuständigkeit/Macht/Freiheit einzelner Teile der Staates nicht klar geklärt sind (vgl. USA hier verweist der supreme court regelmäßig auf die klare politische Natur einiger Entscheidungen die nicht teil der judikativen Kontrolle sind). Die zunehmende Tendenz viele politische Fragen vor dem Verfassungsgericht zu klären führt durch dieses Spannungsfeld dazu, dass der Gerichtshof sehr strikte klare formale Prozeduren festschreibt für spezifische Entscheidungen (gewaltenverschränkung), um zum einen die Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten und zum anderen die politische Freiheit demokratisch gewählter Repräsentanten aufrecht zu erhalten (gewaltenteilung). Hier kommt die Suprematie der Verfassung zum Ausdruck, da defacto das Gericht die Freiheit der Repräsentaten einschränkt. Entsprechend wenn sich nicht an die Prozeduren gehalten wird ist dies verfassungswidrig.
Versteh mich nicht falsch, die defacto Imunität der Repräsentaten hat nicht nur ihre historische Relevanz, sondern auch angesichts der derzeitigen desolaten Lage der inneren und äußeren Kontrolle der Justiz selbst ihre absolute Berechtigung (als ehemaliger Dresdner sind Leute wie Jens Maier am LG kein Einzelfall, btw der ist noch so ein rechtsextremer Import ausm Westen…). Dieser Umstand verdeutlicht jedoch lediglich das Spannungsfeld zwischen den staatlichen Institutionen selbst und nicht eine klare verfassungsmäßige Trennung zwischen Legislative und Judikative, welche so im Staatssystem auch nicht angelegt ist.
Was du beschreibst wäre der Endpunkt, im Bezug auf die Exekutive ist dies schon viel weiter fortgeschritten, trotz der Ablehnung des eugh.
Die getrennte Logik die du beschreibst negiert nicht dass die eine Logik über der anderen steht. Sobald diesem Umstand keine Rechnung getragen wird, wird diese Freiheit der Parlamentarier immer weiter eingeschränkt werden. Entsprechend ist die Willenäußerung defacto eingeschränkt auch wenn ich deinen Punkt mit Bezugnahme auf demokratische Grundwerte verstehen kann und natürlich freie Willensäußerung der Parlamentarier eine wichtige Norm der Logik des vorrangigen Systems selbst ist. Trotzdem möchte ich nochmals betonen, dass die Einschränkungen im Staatssystem selbst angelegt sind, da die konfligierenden Legitimationen eine klare Hierarchie besitzen und nicht einfach getrennte Systeme mit eigener Logik sind.

Kurzer Gedankengang der hier fehl am Platz ist: Da sich hier eindeutig Bruchstellen im Verständnis der Rolle von Recht im Vergleich von liberalen und anderen politischen Strömungen auf tun kann man sich fragen ob das Rechtssystem in liberalen Strömungen nicht einen derart vorrangigen Status hat, dass es letztlich die Politik obsolet macht. Siehe die Einführung neuer Rechte durch den Verfassungsgerichtshof in der BRD.