LDN200 Warum ein "konservativerer" SPD Kanzlerkandidat verlieren wird

Liebes Lage der Nation Team,

Ich liebe euren Podcast und freue mich, endlich mal einen Punkt gefunden zu haben, bei dem ich mitdiskutieren kann. Sonst ist meine Meinung nämlich meistens auf eurer Linie :smiley:

Ihr habt behauptet, die Wahl von Scholz wäre ein Gewinn für die SPD, weil er als konservativerer Politiker für die konservativeren Wählerschichten anschlussfähig ist.
Das dieses Kalkül nicht aufgeht hat man bei den letzten Bundestagswahlen immer gesehen.

Der Grund ist meiner Meinung nach, das eure Analyse, es gäbe eine feste Anzahl an Wählern, die sich zwischen SPD und CDU entscheidet, weil sie Medianpositionen besetzen (siehe Medianwählermodell der Politischen Ökonomik) unterkomplex ist.

Kleiner Punkt vorweg: Die „Marke“ konservativ ist mit der CDU besetzt. Wer konservativ will, der wählt sie. Die SPD muss also durch eine Abgrenzung punkten. (zum Thema Marke vgl. Campaigning & Strategy Podcast Folge „Storymachinge, CDU und Wahlerfolg“ letzter Teil)

Zweitens: Menschen wählen, wenn es etwas zu wählen gibt. Und die Anzahl an Menschen, die mal SPD (oder insgesamt progressiv) und mal CDU (oder insg. konservativ) wählen ist weniger wichtig als die Menschen, die potenziell progressiv wählen würden, aber dies nicht tun, weil sie sich nicht repräsentiert fühlen. Dies ist gerade für die SPD ein Thema, weil es viele Menschen gibt, die gerne links wählen würden, aber partout nicht die Linke wählen wollen. Vergleiche Frank Stauss: Gut bekannt und unerreicht? Nichtwähler_innen und Wahlbeteiligung (langjähriger Wahlkampfstratege der SPD)

Drittens: Wenn Menschen progressiv wählen, dann wählen sie laut Stauss, weil sie „inspiriert“ werden und Veränderung wollen. Ein Genosse der Bosse wird dem entgegenstehen. Egal wie progressiv die Programmatik der SPD sein wird, Scholz ist bereits eine Marke. Und die steht nicht für Aufbruch.
Quelle hierzu entweder das Video oder Mit Worten kämpfen: Sprache als Machtinstrument - Wahlkampfstratege Frank Stauss.

Um ehrlich zu sein habe ich wirklich Angst davor, das sowohl SPD als auch Grüne diesen Wahlkampf mega in den Sand setzen, weil sie versuchen eine zweite CDU zu sein und dabei versäumen endlich mal eine progressive Vision zu vermitteln.
Dafür gäbe es so tolle Ansätze: AOC und ihr Green New Deal (Jeremy Rifkin mit den Ökonomischen Details), German Zero, oder Neues Wirtschaftswunder. Aber das ist ein anderes Thema.

Liebe Grüße,
Benjamin

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Wie groß ist denn die Zahl der Menschen wirklich, die progressiv wählen wollen, sich aber weder von der SPD unter Scholz noch von den Grünen noch von der Linken repräsentiert fühlen? Vielleicht sollten die dann eben einfach Linke wählen, wenn ihnen die SPD unter Scholz nicht progressiv genug ist. Wenn man hingegen aus irgendwelchen ideologischen Gründen meint, die Linke nicht wählen zu können, dann kann es mit der progressiven Grundhaltung so wahnsinnig weit nicht her sein …

Außerdem: Man darf nicht vergessen, dass Wahlkampf im Internetzeitalter maßgeblich von der Person abhängt, die den Wahlkampf an der Spitze bestreitet. Wer soll das denn bei der SPD sonst machen? Ich bin ja persönlich zB durchaus ein Freund von Saskia Esken, aber wie glaubhaft kann sie vermitteln, Bundeskanzlerin werden zu wollen?

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Hi,

ich fand die Überlegung auch interessant, dass Scholz der CDU Wähler abnimmt und diese dann nur den ohnehin schon sicheren Block zwischen Grünen, linker SPD und der Linken vergrössern.

Davon abgesehen dass es ohnehin noch lange hin ist, der Unionskandidat noch nicht steht und es aber auch generell Spass macht darüber zu philosophieren anbei noch ein paar Gedanken:

  1. wie Benjamin auch schon schreibt ist die Wahlbeteiligung eine wichtige Komponente. Diese könnte im „progressiven Lager“ schwinden wenn Scholz an konservativen Wählern gräbt

  2. Wähler der Mitte haben nicht nur die Option SPD oder Union, auch die Grünen sehen sich dort und ebenfalls die FDP. Warum sollten „nicht progressive“ Wähler dann Scholz wählen wenn mit ihm R2G droht (das finden einige gut oder überfällig aber nicht-progressiven Menschen gefällt diese Aussicht nicht) und sie mit Union, FDP und wahrscheinlich sogar den Grünen „sicher“ ein Mitte/ Konservatives Bündnis bekommen

Wenn die SPD mit Scholz nun stärker auf tendenziell konservative Themen setzen sollte wäre das doch nur glaubwürdig wenn er nicht parallel ein R2G Bündnis propagiert. Dann hat er aber wieder keine Machtoption ausser evtl. die Ampel auch wenn das sehr weit von allem Umfragen weg ist

Soweit mein Beitrag, danke euch für die Sendung!

VG
Andreas