Hallo liebe Lage-Hörende, hallo liebe Lage,
das Interview mit Frau Prof. Dr. Veronika Grimm hat mich motiviert, mir hier einen Account zu erstellen, um mit euch über die darin angesprochenen Themen zu diskutieren, deswegen hier schon mal im Vorhinein danke fürs Interview
Zunächst muss ich sagen, dass mir Frau Grimm schon im Vorfeld eher negativ aufgefallen ist – vor allem durch einige sehr neoliberale Aussagen. Hinzu kommt, dass sie mehrere Rollen innehat, die meiner Meinung nach schwer miteinander vereinbar sind:
- Vorständin des Zentrums Wasserstoff.Bayern
- Professorin für Energiesysteme
- Aufsichtsrätin bei Siemens Energy
- Mitglied der sogenannten Wirtschaftsweisen
Im Interview zur aktuellen Steuerdebatte kritisiert sie die Vorschläge von Marcel Fratzscher, durch Vermögenssteuern höhere Staatseinnahmen zu erzielen und damit gezielt umzuverteilen. Sie hält das für „nicht umsetzbar“, da Reiche Wege fänden, diese Steuern zu umgehen – etwa indem sie ihr Geld in schwer bewertbare Gegenstände investieren.
Ganz ehrlich: Jeder Gegenstand wird zu einem Preis gekauft/verkauft und gerade bei sehr teuren Anschaffungen ist es aus versicherungstechnischen Gründen sowieso notwendig, den Wert zu schätzen. Das Argument, solche Vermögenswerte seien schwer zu besteuern, überzeugt mich daher überhaupt nicht.
Auch ihre Aussage, dass „Reiche immer Wege finden, Steuern zu vermeiden“, passt für mich nicht zu ihrem gleichzeitig propagierten Bürokratieabbau. Denn wenn man keine Ermittler und keine effektiven Kontrollstrukturen hat, wird man natürlich keine Steuervermeidung aufdecken. Das ist kein Argument gegen die Steuer – das ist ein Argument für bessere Durchsetzung.
Die Behauptung, die Vermögensteuer sei abgeschafft worden, weil sie „zu wenig bringe“ und „zu aufwendig“ sei, ist aus meiner Sicht schlicht falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat sie 1995 gekippt, weil Immobilien damals im Vergleich zu anderen Vermögensarten zu niedrig bewertet wurden – also weil Reiche zu wenig gezahlt haben. Wenn das Argument ist, dass der Aufwand zu hoch sei, frage ich mich: Seit wann rechtfertigt Aufwand, dass man die Reichsten nicht besteuert?
Frau Grimm führt außerdem an, dass Reiche ihr Vermögen ins Ausland verlagern könnten. Dabei gibt es in Deutschland eine sogenannte Wegzugsbesteuerung, die bei rund 30 % liegt. Selbst wenn das nicht alle Fälle abdeckt – eine moderate Vermögenssteuer würde wohl kaum zu einer Massenflucht führen. Das ist ein Schreckensszenario ohne solide Grundlage.
Problematisch finde ich auch die Gleichsetzung von Kleinsparern mit sehr vermögenden Menschen, die Frau Grimm mehrfach andeutet. Es ist aus meiner Sicht absolut legitim – und notwendig – zwischen diesen Gruppen zu unterscheiden, wenn es um Umverteilung geht.
Im letzten Viertel des Interviews stellt sie es zudem so dar, als stünde Umverteilung im Widerspruch zu Wirtschaftswachstum. Dabei wissen wir, dass Konsum und Investitionen gerade bei unteren und mittleren Einkommen besonders wirksam sind, weil diese Gruppen den größten Teil ihres Einkommens direkt wieder ausgeben. Das wäre also ein starker Impuls für die Binnenwirtschaft.
Besonders befremdlich fand ich ihre Aussage, eine Vermögensteuer oder die Diskussion darüber sei sicherheitspolitisch gefährlich, weil sie uns von echten wirtschaftspolitischen Maßnahmen ablenke. Das klingt für mich reichlich konstruiert.
Nicht zuletzt betont sie immer wieder den Abbau von Bürokratie als zentralen Hebel für Wirtschaftswachstum – bleibt aber konkrete Maßnahmen oder Beispiele dafür durchgehend schuldig.
Ich finde, Philip und Ulf haben im Interview durchaus versucht, Gegenpositionen zu ihren Thesen aufzuzeigen. Hätten sie ihr in allen Punkten widersprochen, wäre der Gesprächsfluss vermutlich stark darunter gelitten. Nur hinterlassen ihre unwidersprochenen, aus meiner sicht falschen, Aussagen einen bitteren Beigeschmack, welcher durch den Nachtrag ein bisschen erträglicher wurde.
danke für eure Arbeit, und ich freue mich auf die kommenden Interviews.
Ich bin gespannt auf eure Kommentare!
Manuel