LdN 434 Bürgerbeteiligung bei Windkraft

Hallo,

habt vielen Dank für euren guten Beitrag zum Theme Bürger- und Gemeindebteiligungsgesetze.

Ihr habt am Ende des Segments Mecklenburg-Vorpommern angesprochen. Dort geht es gerade jetzt um eine Novelle des Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetzes. Die Landesregierung hat, wie ihr andeutet, dort richtig auf die Pauke gehauen: 0,3 Cent für die Kommunen und noch mal 0,3 Cent für die Bürger (jeweils pro Kilowattstunde Strom) und wenn man sich nicht einigt muss man eine Ersatzabgabe von 0,8 Cent zahlen. Da die Gemeinden hier in der Verhandlung am längeren Hebel sitzen, können sie also „ganz fair“ z.B. 0,75 Cent vorschlagen.

Ihr habt auch richtig eingeordnet, dass dies zum Abbruch von Projekten führen kann.

Das ist sogar sehr wahrscheinlich: Die letzte Windkraftausschreibung lag im Mittel bei genau 7 Cent, der höchste erteilte Zuschlag bei 7,13 Cent. Das heißt also, dass 50% der Gebote sich in einer Spanne von 0,13 Cent bewegten. Wenn jetzt 0,6 oder gar 0,8 Cent von den Projektentwicklern aufgebracht werden müssen, dann wird offenbar, dass nur noch Projekte tragfähig sind, die ganz außerordentlich gut sind. Die meisten Projekte sind so wirtschaftlich definitiv nicht mehr darstellbar.

Hinweis: Bei Windkraft gibt es ein Referenzertragsmodell. Man geht von einem 100%-Standort aus und schlechtere Standorte kriegen stattdessen eine Kompensation bei der Vergütung, man kann also nicht argumentieren „Macht ja nix, MV ist ein Küstenland, also wird es genug gute Standorte geben“.

Noch absurder ist, dass die Landesregierung in MV das ganze auch für PV will. Da sind es dann „nur“ 0,2+0,2 Cent, aber bei PV waren die Ausschreibungsergebnisse zuletzt auch bereits bei nur 4 Cent.
Man darf sich mitunter fragen, wofür bei PV überhaupt „kompensiert“ werden soll. Ökologische Eingriffe müssen sowieso ausgeglichen werden. Eine PV Anlage kann man im platten MV auch durch eine einfache Hecke vor Blicken verbergen, von PV geht gar keine Störung aus.

Ich finde das ist alles völlig verrückt. Es wird einseitig eine hohe Abgabe auf grünen Strom erhoben. So hebelt man auch die Wirkung der CO2-Bepreisung für fossile Kraftwerke effektiv aus (EU-ETS). Ich kenne keine andere ‚Industrie‘, bei der man Pauschal noch vor der Gewerbesteuer derart in die Taschen greift. Eine stinkende Massentierhaltung beispielsweise kommt ungeschoren davon.

Nun könnte man ja sagen: Na gut, die Leute in MV haben die Nase voll da stehen ja schon so viele Windmühlen und darum muss die Politik da handeln. Weit gefehlt. MV ist bei Windkraft nur auf Platz 8 von 13 Flächenländern und bei PV auf Platz 15 von 16 aller Länder. Die Landesregierung bremst den Ausbau hier seit Jahren erfolgreich aus. 2024 wurden netto nur ein einziges Windrad errichtet (16 aufgebau, 15 abgebaut). Die nun geplante BüGem-Novelle könnte der Sargnagel für die Windbranche werden, ich bin da wirklich fassungslos.

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Diese Abgaben wirken auf mich schon sehr nach Mafia.
So nach dem Motto: „Schönes Windkraft Projekt, das ihr da vorhabt. Wär doch schade, wenn es wenn sich die Genemigung verzögert oder wir hier einen geschützten Vogel finden.“
Kommunen werden bereits direkt durch die Grundsteuer und indirekt über die Gewerb- und Einkommenssteuer aus den Pachterlösen an den Windkraftanalagen beteiligt.
Es verlangt ja auch niemand vom Bauern, dass er 1% seiner Erzeugnisse der örtlichen Tafel spendet.

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Diese Forderung nach Beteiligung ist die auf die Spitze getriebene Form transnationaler Politik. Es gibt kein „greater good“ mehr, sondern alles muss sich immer für jeden unmittelbar in Form von monetärem Zugewinn lohnen.

In fünf Jahren fordern Schüler dann Geld, um in den Deutschunterricht zu gehen und Autofahrer Geld dafür, nicht falsch zu parken.

Unfassbare Entwicklung.

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Aber die Kommune sollte schon profitieren, damit die Akzeptanz steigt.
Oder selbst Windräder errichten.

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Es ist auch ein Unterschied. Im Beitrag wurde ja erwähnt das über die Steuern nur wenig an die direkt betroffenen zurückfließt und früher wurden lokale Nachteile durch z.b. Jobangebote ausgeglichen. Für eine Windanlagen oder Solarparks werden aber lokal keine oder nur sehr wenige Arbeiter benötigt. Insofern haben die Anwohner keine direkten Vorteile sondern nur Nachteile bei einer Technik die grundsätzlich erstmal standortunabhängig überall stehen könnte. Insofern ist es nur sinnvoll Anreize zu setzen.

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Insgesamt macht es den Strom erstmal teurer. Wenn dies zu mehr Akzeptanz führt, ist dies für die Energiewende dennoch positiv.
Aber es ist auch eine Umverteilung von Stadt zu Land, da in der Stadt idR weniger Anlagen aufgestellt werden können. Somit könnte der Konflikt entschärft werden „unsere Landschaft wird für euch Städter zugebaut“.

Gleich könnte man auch bei dem Konflikt Wer braucht Strom? und Wer erzeugt Strom? argumentieren. MV hat wenig Industrie. Die Erzeugung deckt rechnerisch den Verbrauch. Weitere Anlagen werden also für z.B. Bayern gebraucht. Durch die höheren Beteiligungskosten muss sich ein Bundesland, was viel verbraucht, aber wenig baut diesen Strom also teurer erkaufen (Umverteilung über die EEG Umlage aus dem Haushalt).

Dass dies insgesamt für die Transformation nicht gut ist, verstehe ich und wäre auch eher bei den Hosts zu sagen, die Höhe der Umlage kann von der Kommune in Absprache mit dem Projektierer ausgemacht werden.

Damit hat auch kaum jemand ein Problem. Ein Problem ist, dass ein einzelnes Bundesland nun die Abgaben so hoch schraubt, dass nur noch ein Bruchteil der Projekte damit klar kommt.

Dann müssen die Projekte in andere Bundesländer ausweichen. Und wenn es alle Bundesländer machen werden halt insgesamt die Kosten höher. Da Strom aus anderen Quellen auf Dauer auch teurer wird sollte sich das mit der Zeit dann von alleine Regeln.

Ich finde das ist die falsche Schlussfolgerung und auch nicht zu Ende gedacht.

  1. Wäre es natürlich fatal, wenn wir eine negative Preisschlacht haben - welches Bundesland ist unattraktiver für Windenergie, um die Projekte aus den Landesgrenzen zu drücken.

  2. Ist es irgendwie eine ungünstige Idee, wenn wir Effekte der CO2-Bepreisung durch völlig willkürliche Kommunalabgaben konterkarieren, so verliert man ja die Steuerungswirkung der CO2-Abgabe im Strommarkt. Teurer Strom schadet uns allen!

  3. Es gibt ja eine Möglichkeit das Problem zu lösen: Eine faire und bundesweit geregelte Kommunalabgabe, §6 EEG hat dazu ja schon Ansätze.