LdN 434 Bewusster Rechtsbruch

Es hat ja im Bereich des Innenministeriums durchaus traurige Tradition, dass Gesetze, die Menschen in ihren Rechten einschränken oder diskriminieren, immer weiter gedreht werden. Sie werden wieder und wieder schärfer formuliert, (Grund-)Rechte im digitalen und anderen Räumen Stück für Stück weiter beschnitten. Es wird dabei bewusst in Kauf genommen, dass geltendes Recht oder die Verfassung gebrochen werden - frei nach dem Motto: Dann drehen wir halt das Bisschen zurück, was uns die Gerichte explizit verbieten. In der Vergangenheit wurden dann die Rechtsnorm auch geändert - zugegeben teilweise zum Schlechteren, aber immerhin.
Davon verabschieden wir uns gerade.

Auch in Bayern wird der Rechtsbruch schon länger als Mittel der Wahl genutzt, um unliebsamen Menschen das Leben schwer zu machen. Dobrindt hat wie alle anderen Verkehrsminister der CSU und die Partei insgesamt in der Vergangenheit klar gezeigt, dass seine Zuneigung der Automobilindustrie gilt. Des sowieso schon krasse Polizeigesetz in Bayern wird dann gern mal ‚überdehnt‘, um mögliche Demonstrationen bei Messen der geliebten Automobilbranche mittels ‚Präventivhaft‘ zu unterbinden.

Die Union ist nur ein paar Wochen im Amt, und schon zeigt sie ihre hässliche Fratze. Wo liegt eigentlich noch der Unterschied zur AfD. Achja, da gibt es ja keinen, wie die amtierende Bundestagspräsidentin selbst gepostet hat.

Dobrindt setzt von vornherein sicher rechtswidrige Maßnahmen an den Grenzen durch und erklärt Gerichtsurteile, die diese Praxis untersagen, als nicht relevant. Die CSU ist mit Söder schon lange Vorreiter der Trumpisierung; oder die bayerische Politik an sich, denn dessen Stellvertreter steht ihm da in nichts nach. Nun ist die Union insgesamt klar auf diesen Weg eingeschwenkt - Rechtsbruch als Methode; die unabhängige Justiz wird ignoriert und diskreditiert.

Da wundert es dann wenig, dass sich Merz und Trump so gut verstehen.

Bei all dem muss man immer wieder an die Machtfülle erinnern: Der Bundesinnenminister, der gerade zeigt, dass ihm das Recht egal ist, wenn es ihm gerade nicht in den Kram passt, ist unter anderem Herr über BPol, Zoll, BKA; BfV, BSI, BAMF…

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In Ungarn, Polen und anderen europäischen Ländern wird bzw. wurde auch sehr viel Rechtsbruch durchgeführt.
Vielleicht sollten wir uns einfach mal einigen, ob das Recht eigentlich immer und für alle gilt und bei Verstoss auch zu Bestrafungen führt. Oder halt nicht.
(Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass Ungarn aus der EU herausgeworfen wurde)

Eine Erosion des Rechtsempfinden hat Folgen.

Allerdings wurden und werden Fördergelder in erheblichem Umfang zurückgehalten. Zuletzt hatte das Amfang diesem Jahres massive Auswirkungen:

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Wirst du auch nicht mehr erleben. Aus der EU kann man nur austreten, aber nicht hinausgeworfen werden.
Was man machen kann, Entscheidungen an der EU vorbei zu treffen und damit dem widerspenstigen Staat klar machen, dass er jetzt nur noch zweite Geige ist und natürlich die bereits angesprochenen Fördergelder blockieren. Beides schon öfters passiert und hat stark am Ego von Orban gekratzt.

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Man darf die Fördemittel aber auch nicht zu hoch bewerten. Dabei handelt es sich um weniger als 2% des geplanten Staatshaushalts. Klar, das ist ärgerlich. Aber viel schlimmer als ein Mückenstich ist das für Ungarn jetzt auch nicht.

So zwingt man keinen Staat sich an Regeln zu halten.

Vielen Dank für die sehr gute rechtliche und politische Einordnung der fortgesetzten Abschiebung durch den Innenminister.

Ein Punkt der von den Hosts genannt wurde war ja die Trumpisierung der deutschen Politik, also das übernehmen von populistischen bis teils Rechts- und Verfassungs-widrigen Praktiken der US-Regierung.
Ein Nebeneffekt dieser „Nachahmerei“ ist, das Trump nun auf Deutschland zeigen und uns vorwerfen kann, dass wir auch nicht besser sind als er, wenn z.B. die Demokraten mal wieder seine (Anti-) Migrationspolitik kritisieren.

Ein ähnliches Beispiel war das folgenlose Ultimatum, dass u.a. Merz an Moskau gestellt hatte. Da wirkte das kopflose Verhalten von Trump gegenüber Moskau auch gleich nicht mehr so außergewöhnlich.

Mal sehen ob man so ein Muster, also das Merz einen Fehler von Trump quasi kopiert, noch öfter sehen wird. Möglicherweise nähert sich Merz so auch Trump irgendwie an.
Kann aber natürlich auch alles nur Zufall gewesen sein.

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Ich glaube der Rechtsbruch ist einkalkuliert. Die Message an den Teil der Bevölkerung, der einfach keine weitere Zuwanderung in unsere solzialsysteme will, ist wichtiger. Ich würde soweit gehen, dass die Union hier sehr konsequent ist. Genau das, was sie vor der Wahl versprochen hat. Die Strategie ist offensichtlich: das Ganze so lange durchhalten wie möglich, und hoffen, dass die cdu Stimmen gewinnt und die AfD verliert.

Ist alles eine große Wette. Die cdu pokert hoch, und die spd hält still. Sie kann ja auch gewinnen dadurch.

Dass in der aktuellen Rechtslage Zurückweisungen nicht erlaubt sind, war ja offensichtlich… Aber die cdu weiß, dass sie auf Änderungen im EU Recht nicht warten kann, da hätte die AFD schon über 30%…

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Ich frage mich, ob es Rechtsmittel gegen den Rechtsbruch gibt? Wurde jetzt nicht angedeutet - wäre aber notwendig, damit die Gewaltenteilung nicht ins Leere läuft.

Man könnte dieses Thema (und andere analog) als ein erneutes Beispiel dafür sehen, dass „der freiheitliche, säkularisierte Staat […] von Voraussetzungen [lebt], die er selbst nicht garantieren kann“ (Böckenförde-Diktum) - und dass diese Voraussetzungen möglicherweise langsam auf wackligeren Füßen stehen.

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Wenn man das Beispiel Söder nimmt: wenn ein Politiker EU-Recht missachtet, kann er dafür nur belangt werden, wenn deutsches Recht das vorschreibt. Söder war damit raus.
Dobrindt hat nun Untergebene vermutlich zu einer Straftat angestiftet. Das ist zumindest Beihilfe. Jetzt kommt allerdings dazu, dass er vermutlich auf Weisung seines Vorgesetzten gehandelt hat. Womöglich ist nicht er, sondern Merz dafür verantwortlich. Beide äußern sich öffentlich, dass sie sich weiterhin im Recht wähnen, was eine andere Frage aufwirft: die des Vorsatzes.
Was aber auf jeden Fall gilt: die Immunität. Und die wird der Bundestag bestimmt nicht aufheben.

Edit: wie @JohanneSAC ausführt, hat Merz Richtlinienkompetenz, entscheiden tut Dobrindt selber. Der Kanzler ernennt und entlässt den Minister. Ob Dobrindt damit vor Gericht überzeugend argumentieren könnte, er wäre sonst entlassen worden, kann ich mir nicht ganz vorstellen. Der Punkt fällt also weg.

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Ne, der Kanzler hat ne Richtlinienkompetenz, aber weisungsbefugt in dem Sinne wie Vorgesetzte von Beamten ist er dem Minister nicht. Hinter dem wird sich Dobrindt nicht verstecken können.

Den von dir zutreffend beschriebenen Wählerwillen und den Vorsatz der handelnden Unionsführung, geltendes Recht zu brechen, statt es legal zu ändern, sollte man im Kopf behalten, wenn man diese Leute zu Demokraten deklariert. Die Ablehnung rechtsstaatlicher Verfahren und des Primats des Rechts ist ein wichtiger Trittstein auf dem Weg zum Extremismus. Sage nicht einfach ich, sondern u.a. das Innenministerium im Mai 2024. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/ministerium/BMI24021.pdf?__blob=publicationFile&v=8.
Damals, als es mal nicht von einem notorischen Rechtsbrecher aus einer Partei mit schon immer gestörtem, rein taktischem Verhältnis zu Recht und Gesetz (siehe Rechtsbruch bei Abgaswerten, Maut-Debakel, Kriminalisierung von Klimaprotesten, Lügen über angeblichen Rechtsbruch von Merkel und die alljährlichen Korruptionsfälle der CSU seit Bestehen der Republik) geführt wurde. Man kann keine Demokratie ohne Rechtsstaatlichkeit haben und Rechtsstaatlichkeit, in der sich der Staat nur gelegentlich aus Opportunität an Recht und Gesetz hält, ist keine.
Das Problem der Rechtsstaatsfeindlichkeit oder mindestens schwankender Loyalität gegenüber dem Rechtsstaat ist über die Jahre des völlig hysterisch-rassistischen Diskurses zur Migration aus der ganz rechten Sphäre über FDP und SPD längst auch bis in die Grünen geschwappt. Siehe die Äußerungen des grünen MP in BaWü. Klar, man ist im Wahlkampf und wenn Rechtsstaatlichkeit grade beim Souverän nicht so viele Fans hat, kann man ja mal…

Aber wenn man dann den wahren Feind, die wahre Gefahr ganz legal mit einem ganz rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren zerschlagen könnte, da hat man rechts der Mitte plötzlich wieder Bedenken. Weil halt auch „richtig deutsche“ Deutsche betroffen sein könnten, möglicherweise sogar Menschen, die zur Union zurückkehren würden, wenn die ein kleines bisschen mehr rassistische Lügen und Rechtsbruch anbieten würde. Ein Schelm, wer böses dabei denkt…

Die „Wette“ geht eben davon aus, dass die eigentlich braven Deutschen die AfD nur wählen, weil die Migranten so böse und schwierig sind, nicht etwa, weil die, die sehenden Auges Rechtsextremisten wählen, das aus Rassismus und Autoritarismus tun. Es gibt dafür keine empirische Grundlage. Die Ergebnisse der AfD schwanken nicht mit den Zuwanderungszahlen, nicht mit der Zahl ansässiger Migranten. Wenn es ums politische Handeln ginge, hätten sinnlose aber breit geforderte Maßnahmen, wie die Bezahlkarte und andere Verschärfungen bis in Grauzonen der rechtlichen Möglichkeiten und der Wahlkampf der Union, der von den Slogans her auch eine NPD-Kampagne aus den 90ern hätte sein können, ja wenigstens einen Teil der AfD-Wählerschaft wieder zu Demokraten machen müssen. Passiert ist das Gegenteil. Von daher ist das eine extrem riskante Außenseiterwette, die man einem im Vergleich ziemlich sicheren und mindestens ähnlich populären Verbotsverfahren aber trotzdem vorzieht. Wetteinsatz ist die Demokratie in unserem Land und auf mittlere Sicht der Frieden in Europa. Auf der Basis „all in“ zu gehen, ist eine Wette, wie sie Casinos auf der ganzen Welt lieben.

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Ganz logisch eigentlich, dass man auf die Niederlage in einem Prozess, die praktisch buchstäblich jede Kritik bestätigt, die es am Vorgehen der Union gab, genauso antwortet, wie die Demos gegen die „nicht-Zusammenarbeit“ mit dem politischen Arm des rechten Terrors im Januar: Mit einer Lügen- und Hetzkampagne gegen zivilgesellschaftliche, demokratische Akteure, ganz genauso, wie Rechtsextremisten überall auf der Welt und in jedem deutschen Geschichtsbuch. So unfair, wie die Union und ihre Anhänger in die rechte Ecke gedrängt werden… Ich hoffe, die Politiker, die sich daran aktuell beteiligen, werden zeitnah verklagt.

Zoll ist Zuständigkeit des BMFs, also Lars Klingbeil.

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Was quasi eine rechtsfreien Rsum schafft der seit Jahren ausgenutzt wird.

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Das muss man abwarten. Es ist eigentlich üblich, dass bei Anfragen der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität normalerweise zugestimmt wird. Ihne konkrete Fälle abseits der AfD in Kopf zu haben, ist das auch schon bei der Union vorgekommen, selbst wenn die es möglicherweise hätte verhindern können. Es sind mehrere Schritte, die Union hat sich auf einen sehr abschüssigen Weg begeben, aber wissen kann man erst, ob sie den auch zuende geht, wenn es soweit ist. Meine Hoffnung ist sehr viel übersichtlicher, als meine Sorge, aber vielleicht schließen Gewissen und Anstand noch rechtzeitig zu hinreichend großen Teilen der Union auf, um den Totalschaden abzuwenden🫣

Mich würde interessieren, wie wichtig die Immunität aus Artikel 46 Absatz 2 GG in diesem Fall Dobrindt ist.

„Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.“ - so der Artikel.

Man korrigiere mich gerne, aber hieße das nicht, dass wenn es eine mit einer Strafe bedrohte Handlung ist, die zudem rechtswidrig ist laut Gericht in Berlin und vorsätzlich weitergemacht wird, dann begeht Dobrindt diese Tat doch permanent, weil seine Anweisung nach wie vor gilt? Dann müsste die Immunität doch irrelevant sein, weil Dobrindt quasi „auf frischer Tat ertappt wird“.

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Frag den Staat will (oder hat?) Dobrinth anzeigen.

Ich finde das erstmal sympathisch, kann das aber nicht einordnen. Ist ein Punkt der mir im Podcast jetzt etwas gefehlt hat: Was kann man machen, wenn sich Politiker nicht an Gesetze halten?

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Ich frage mich ja, wie überhaupt derzeit Zurückweisungen stattfinden können, wenn im März die Rechtswidrigkeit der Grenzkontrollen festgestellt wurde:

Wie kriegt man da schon die Durchsetzung eines Urteils gegenüber der Politik?

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Was mich sehr irritiert ist, dass dieses von Dobrinth definitiv von der AfD sehr interessiert beobachtet wird: „Aha, nicht einmal die Law and Order Partei hat ein Problem damit, wenn Urteile ignoriert werden. Merken wir uns für den Ernstfall. Dieser Schritt zur Normalisierung wurde uns netterweise bereits abgenommen.“

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Die AFD vergisst sogar ihren Hass auf Juden und Israel wenn dort ein rechter Politiker ihnen genehme Politik macht. Wer versucht, die AFD inhaltlich zu verstehen, wird scheitern. Wer es mit Aufmerksamkeitsheischerei und Chaos versucht, hat bessere Chancen.

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