Ich habe an der Stelle, dass dieser Ansatz für Parteien wie die Union schwierig ist, weil sie für sich in Anspruch nehmen (und in Teilen mutmaßlich tatsächlich glauben), dass sie aussprächen, was „das Volk“ denken würde, was „den Leuten“ wichtig wäre, erstmal selbstverständlich zugestimmt. Aber stimmt das eigentlich? MMn setzen die Unionsparteien an anderer Stelle sehr strategisch Themen. Besonders etwa, wenn man jede Debatte über Steuerbetrug, Vermögenssteuer etc. Abwürgt und stattdessen auf angebliche Einsparmöglichkeiten bei Armen und Ausländern verweisen. Also sollte das Konzept doch durchaus plausibel und bekannt sein, oder?
Es wurde im Podcast schon so oft darüber gesprochen, warum die CDU nicht auf das Thema Migration setzen sollte, weil es der AfD in die Karten spielt. Die Argumente sind absolut schlüssig und trotzdem setzt die CDU immer auf das Thema Migration. Ich verstehe nicht, warum da kein Sinneswandel einsetzt.
Ich finde es entsteht doch ein ganz großes Paradoxon, wenn ich dem folge, was in der Lage gesagt wurde:
Die These, die die Hosts vertreten - nämlich, dass wenn demokratische Parteien Themen der AfD bedienen, sie dadurch die AfD stärken ist ja kein Geheimnis sondern extrem verbreitet. Wenn es tatsächlich so ist, dass diese These Politikwissenschaftlicher Konsens ist, dann passt das doch überhaupt nicht dazu, dass keine einzige demokratische Partei der Mitte diese Strategie verfolgt. Denn die Strategie der Themensetzung wird sicher von klugen Köpfen bearbeitet, da sie elementar wichtig für die Parteien ist, es wird sicher viel Geld dafür ausgegeben (mindestens auf Bundesebene) und die entsprechenden Personen werden sich selbstverständlich auch mit der Politikwissenschaftlichen Forschung, die die Grundlage ihrer Existenz betrifft, auseinander gesetzt haben. Dass sämtliche Politiker - platt gesagt - einfach zu dumm sind, ist mir zu einfach.
Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen. Wer kann den Knoten lösen?
Wenn man sich mit den Menschen aus der Politikwissenschaft unterhält, die Politiker:innen beraten, dann sind die völlig verzweifelt, weil sie das Gefühl haben, man glaubt ihnen einfach nicht. „Dummheit“ ist vielleicht wirklich zu einfach formuliert, aber Wissenschaftsskepsis spielt eine große Rolle: Man muss als Politiker:in den Kopf einschalten und nicht den Bauch. Natürlich ist es intuitiv vernünftig, politisch das zu fordern, was die Menschen wollen. Es bedarf einer bewussten Anstrengung der eigenen Intelligenz, um sich zu sagen: nein, das funktioniert anders.
Ist vielleicht ein bisschen wie mit einem Mückenstich: intuitiv kratzt man, aber als erwachsener Mensch weiß man es besser.
Olaf Scholz hat uns das doch in seinem Interview im Bundestagswahlkampf allen Ernstes ins Mikro gesagt: das glaube er einfach nicht, mit diesen Wissenschaftlern würde er sich gerne mal unterhalten. Ich fand das ebenso schockierend wie interessant, weil es klarmacht, wo das Problem liegt: Es gibt bei uns wie auch in vielen anderen Länder viel zu viele Politiker, die letztlich ihren Job schlecht machen, wenn es darum geht, Strategien gegen Rechtspopulismus zu entwickeln. Leider gilt das für die meisten demokratischen Parteien, auch Robert Habeck hat auf den letzten Metern des Wahlkampfs ja versucht, Wahlkampf mit Härte gegen Kriminalität und Migration zu machen.
Interessant - danke für eure Einblicke.
Ähnliche Töne hört man ja auch häufig von Söder und anderen. Ich hab das ehrlich gesagt immer für Fassade gehalten - sozusagen um eine Fehlentscheidung zu überspielen. Ich verstehe euch jetzt so, dass das schon genau so gemeint sein könnte.
Und das wäre dann aus meiner Sicht ein Problem, dass vielleicht größer ist als es aktuell in der öffentlichen Wahrnehmung erscheint.
Rechtspopulismus und die Rezepte dagegen sind vielleicht ein besonders großes, aber ja bei weitem nicht das einzige, bei dem es contra-intuitive Erkenntnisse gibt, die aber für die Lösung essentiell sind. Vor allem kommt aber dazu, dass technische und politische Entwicklungen inzwischen so schnell sind, dass man nicht mehr die Zeit hat abzuwarten, bis wissenschaftliche Erkenntnisse durch häufige Anwendung und die damit verbundenen Erfahrungen, die man damit gemacht hat, in der Breite der Bevölkerung Vertrauen gewonnen haben. Ein bisschen wie bei Corona - nur eben auf längeren Zeitskalen.
Wenn wir in der Breite Politiker haben, die aufgrund ihrer eigenen Wissenschaftsskeptik an solchen Entwicklungen scheitern, hört sich das nach einer ziemlichen Katastrophe an.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Politiker die öffentlich Agenda bestimmen können.
Es wurde im Podcast schon oft hergeleitet, dass Migrationsdebatten primär der AfD helfen, da geh ich mit.
Aber Politiker kontrollieren doch gar nicht, was öffentlich diskutiert wird. Sogar in Zeiten ohne Internet hätte Springer diese Themen immer noch groß gehalten, selbst wenn die CDU keinen Pips dazu sagt. Und der jetzige politische Diskurs ist doch massiv von online Medien und Kommentatoren (wie der Lage) geprägt, die selbst entscheiden können was sie besprechen. Dieser Diskurs im Internet ist zunehmend global, also wenn das Thema Migration groß im angelsächsischen Raum ist, dann bedeutet das, dass das auch in die deutsche Diskussion überschwappt. Ich sehe nicht wie Politiker das auch nur ansatzweise kontrollieren können.
Im Podcast wird erwähnt, dass all dies in der Literatur belegt ist, aber aber gilt das auch für die Themensetzungskraft der Politiker? Hab ich das verpasst im Podcast? Ich würde mich über Gegenargumente und Links zu Veröffentlichungen freuen.
Ehrlich gesagt geh ich da nicht mit. Meiner Meinung hier ein Koordinationsproblem vor - Parteien stehen eben im Wettbewerb miteinander:
- Können Parteien Themen ignorieren, oder gar kleinreden, die von anderen Parteien der Mitte aufgegriffen werden?
- Kann eine Partei auf Themenfelder verzichten, auch wenn sie dort als am Kompetentesten wahrgenommen wird? (bei der CDU: Migration, aber auch Innere Sicherheit) Verliert die Partei dadurch an wahrgenommener Kompetenz?
Hier erinnere ich mich an eine Hart-aber-Fair Sendung (vom 13.01.2025), in der Katrin Göring-Eckardt diesen Gedanken laut ausgesprochen hat: Die Probleme bei der Migration zu lösen, würde nicht die Alltagsprobleme der Leute beseitigen. Jens Spahn saß in der Sendung gegenüber und warf ihr „Migrationsleugnung“ vor. Bild und andere rechte Medien griffen dies sofort auf - Ich kann kaum einen Artikel finden, der Frau Göring-Eckardt verteidigt und Spahn verurteilt.
Denke, es gibt einen Unterschied dazwischen, den Wissenschaftlern zu glauben, und eine Strategie der Themensetzung offen zuzugeben. In einer Interviewsituation muss Scholz auch aufpassen, keine Aussage zu tätigen, die leicht böswillig interpretiert werden kann.
Was kam zuerst: Der X-Punkte-Plan von Habeck oder das Erstarken der Rechten? Auch hier denke ich, dass Parteien es aushalten könnten, wenn nur die AfD das Thema aufgreifen würde - aber nicht wenn die CDU sich ebenfalls darauf fokussiert. By the way, Habecks Plan kam erst nach dem Entschließungsantrag der CDU,AfD und FDP - das war ein Fehler im Podcast.
Ich bin mir bewusst, dass ich nicht sehr empathisch mit der Lage der CDU bin. Aber auch bevor es um Migration ging, sah ich die Partei als absolut destruktiv - so liefen CDU-Gestalten 2023/24 schon durch Talkshows und sprachen von Heizungshammern, Brechstangen, Verbrennerverboten und Hängematten.
Im Podcastsegment habt ihr Umfragen analysiert, und gefolgert, dass die CDU das Migrationsthema zu stark gewichtet hat. Im Ende des Abschnitts bist du dann dazu übergegangen, alle Parteien zu kritisieren und ähnlich viel Verantwortung zuzuweisen. Das sehe ich nicht durch die Analyse gedeckt.
Ganz grundsätzlich würde ich es sehr begrüßen, wenn - sobald darüber gesprochen wird, dass etwas wissenschaftlich belegt ist, die entsprechenden Quellen in den Shownotes auftauchen. Manchmal passiert das manchmal nicht - es wäre aber sehr wertvoll. Gar nicht mal, weil ich grundsätzlich skeptisch bin, sondern eher weil man dann auch einen Eindruck bekommt, was genau belegt ist, wie das methodisch gemacht wurde, wie sicher man ist, etc. Es gibt einem zudem auch Werkzeuge an die Hand wenn man selbst in Diskussionen gerät.
Politiker werden nicht grundsätzlich darüber entscheiden können welche Themen gesellschaftlich eine Rolle spielen. Politiker sind es aber die aktuell immer wieder die politische Debatte in die Richtung Migration lenken.
Und selbst wenn das Thema Migration ist, dann kann man das in verschiedenen Richtungen führen. Man kann Migration grundsätzlich als Problem sehen und nur Abschiebungen fordern, man kann aber auch spezifischer Diskutieren und z.B. auch Integration in Gesellschaft aber auch Arbeitsmarkt als wichtiges Thema setzen.
Umgekehrt macht es aber natürlich auch für Grüne und Linke Sinn nicht jegliche Probleme mit Migranten und Migration zu leugnen sondern durchaus auch da wo es Probleme gibt diese anzugehen.
Wenn sich aber die Union hinstellt und die Migration als mit abstand wichtigstes Problem skizziert, dann spielt sie natürlich der AfD in die Tasche, die dann zurecht sagt, dass sie ja seit vielen Jahren, inkl. der Jahre unter Führung der Union schon genau das anmahnen. Wichtiger wäre also durchaus Probleme zu benennen, Lösungen zu suchen, aber das ganze als eines von vielen politisch wichtigen Themen und nicht als Kernthema.
Wie gesagt, ich bestreite nicht, dass die Union gut daran täte sich nicht auf das Migrationsthema einzuschießen.
Ich teile nur nicht die Einschätzung, dass man durch eine Änderung auf dieser Ebene eine merkbare Schwächung der AfD herbeiführen kann.
Das ist nicht böse gemeint, aber kein Mensch hört sich an, was Politiker in Reden sagen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mehr O-Töne von Ulf und Philipp höre, als von allen deutschen Politikern zusammen (wie ist das Verhältnis bei Ihnen?). Und ich sage das als jemand, der noch “mediengläubig” ist, also jemand der im Gegensatz zu vielen AfD Wählern Zeitungen liest und ihnen vertraut.
Nehmen wir mal das Thema Migration.
Konkrete Vorfälle wie beispielsweise in Solingen, die eher aufmerksamkeitsheischende Berichterstattung in den Medien sowie das Aufgreifen durch die politischen Parteien hat die Migration allgemein zu einem Thema in der öffentlichen Wahrnehmung werden lassen.
Beim „Normalbürger“ der sich auf klassischen Medien und Social Media informiert, ist die Botschaft hängen geblieben, wenn wir die Migration begrenzen, fühlen wir uns alle sicherer.
Damit steigt die Erwartung an die Politik, durch eine stärkere Begrenzung der Migration dieses Sicherheitsgefühl wiederherzustellen (was subjektiv (!) ja verloren gegangen ist).
Jetzt lässt Dobrindt die Grenzen mehr oder minder effektiv kontrollieren, und die bürokratischen Hürden für Asylgesuche werden wohl erhöht.
Passiert jetzt nochmal sowas wie in Solingen trotz dieser Maßnahmen, und das Sicherheitsgefühl der Menschen verbessert sich nicht….
Welche Konsequenzen sind zu erwarten?
Das die AfD propagiert die durchgeführten Maßnahmen wären noch zu lasch?
Oder die CDU/CSU zieht die Daumenschrauben mit mehr Aktionismus weiter an?
Was ist mit geltendem Recht und unseren europäischen Nachbarn?
Lässt sich so einer AfD das Wasser abgraben? Wenn im Grunde eine Begrenzung der Migration keine der wesentlichen zu lösenden Probleme bedient und die Menschen in Deutschland keine Verbesserung wahrnehmen?
Oder muss man es wie Trump nur vehement genug als Erfolg verkaufen, unabhängig von Fakten?
Nur durch Debatte wahrscheinlich nicht, aber indem man Politik betreibt, die Probleme löst statt Schuldige zu suchen, was zum Teil zum Boomerang wird.
Nehmen wir die Verkehrswende. Maßnahmen in grün regierten Städten werden schlecht gemacht. Nur gibt es vergleichbare Maßnahmen auch in Union regierten Städten.
Wer also der Union erstmal glaubt diese Maßnahmen seien grundsätzlich falsch wird recht schnell darauf kommen, dass man dann die Union auch nicht wählen kann. Und dann ist eben die Alternative recht schnell die AfD wenn nicht wie in Bayern noch eine andere konservative Partei stark ist.
Für mich ist der Schlüssel vorwiegend das zu sagen was man auch realpolitisch einhalten kann. Und sich in diesem Bereich dann erst von den anderen Parteien abgrenzen.
Aktuell schürt man aber ja geradezu Ängste für die man dann realpolitisch keine Lösungen anbieten kann. Und das eben bei Migration, Verkehrs- und Antriebwende, Energiewende, Bildung, Sprache (Gendern), Kultur, Medien, etc.
Was die Politik tatsächlich tun sollte ist nochmal eine getrennte Frage von der Kommunikationstrategie, die oben diskutiert wurde.
Migration großreden ist ziemlich sicher falsch, aber das heißt nicht, dass man keine Maßnahmen ergreifen sollte. Nach dem Motto: “Mundhalten und machen.”
Ich denke da an Merkel, die die AfD relativ klein gehalten hat mit ruhiger Kommunikation (“wir schaffen das”) und gleichzeitiger Verringerung der Flüchtlingszahlen (Türkeiabkommen).
Was für Maßnahmen konkret? Da gibts einiges was man sich überlegen könnte, was das gefühlte Problem reduziert:
- Um Netausgaben für Geflüchtete zu verringern (glaube so 1% GDP geht dafür in D drauf) bräuchte es schnellere Arbeitserlaubnis und mehr Sprachtraining (kommt ja auch immer in der Lage)
- Gegen Kriminalität: Neben all den Sachen die Sicherheit allgemein erhöhen (mehr Polizeikapazitäten, schnellere Urteile, mehr Überwachung) kann man ja mal Medienwirksam gegen sog. Clankriminalität vorgehen. Der Innenminister neben Herrn Abou-Chaker in Handschellen wär doch mal ein schönes Photo.
- Für Flüchtlingszahlen selber kann man neue Abkommen mit Drittstaaten schließen.
- Etwas größer: Man kann auf EU Ebene individuelles Asylrecht abschaffen, Grenzen schließen, und dann feste Kontingente (100k pro Jahr oder so) direkt aus den Regionen einfliegen. Da kann man dann auch mehr Frauen/ alte Leute auswählen (hilft bei Kriminalität), und es gibt weniger Anreiz übers Mittelmeer zu kommen.
Bin jetzt nicht unbedingt Befürworter für diese Vorschläge, aber als konservativer Kanzler gibts da schon Möglichkeiten.
Aus meinet Sicht sind die Argumente von den beiden falsch.
Tut mir leid, aber eure Argumente sind einfach nicht mehr tragbar. Es ist nicht mehr möglich an der AFD vorbei Themen Schwerpunktezu setzen… und vor allem, weil viele den öffentlichen Nachrichten gar nicht mehr trauen. Die AfD ist mit 10 Millionen Wählern stark genug, um Themen selbst zu setzen. Eure Argumente gelten vielleicht für die NPD in den 2000er Jahren, in einer Welt, in der Nachrichten nicht von Social Media kontrolliert.
Schönes Wochenende
Bei diesem Thema haben auch die Medien einen großen Anteil / Einfluss. Ich habe den Eindruck, dass Themen, die z.B. von der BILD gehypt, einfach von anderen Journalisten übernommen werden. Ist einfacher, als eine kritische Auseinandersetzung damit. Oft habe ich den Eindruck, dass Politiker:innen mehr auf Klickzahl schauen, als auf Wissenschaftler zu hören.
Ich frage mich sowieso, weshalb man soooo viel Geld für externe Berater ausgibt,
wenn man doch die Wissenschaftler aus den Hochschulen hat. Die können beratend zur Seite stehen, Studien im Rahmen der Hochschulbildung erstellen, Dissertationen, Projekte usw. Damit hätten die Studierenden schon während des Studiums einen direkten Kontakt zur Praxis. Ich bin sicher, da gibt es schon etliche Lösungsansätze zu verschiedenen Themen in den Schubladen.
Es geht aber ja vor allem darum ob man sich in der Diskussion von der AfD treiben lässt oder ob man gezielt auch eigene Themen setzt. Auch wenn sicher viele Wähler der AfD überzeugt davon sind und den Medien misstrauen, so sieht man ja an den Schwankungen in den Umfragewerten, dass dies nicht für alle gilt. Und am Ende macht es schon einen Unterschied ob die AfD bei 15 oder bei 27% steht.
Und man kann ja auch beobachten in welchen Situationen die Umfragewerte der AfD zurückgehen und in welchen sie steigen. Ich sehe da schon deutlich eine Korrelation zu dem wie die Themen der AfD auch von den anderen Parteien aufgegriffen werden. Jetzt heißt Korrelation natürlich noch lange nicht, dass dies auch der Grund dafür ist, aber es ist schon naheliegend, dass dies eine Rolle spielt.
Man darf sich aber auch nichts vormachen. Die Stammwählerschaft der AfD dürfte auch Bundesweit bei über 10% liegen. Die AfD zwischen 10% und 15% zu drücken wäre also schon ein Erfolg. Einstellige Ergebnisse erwarte ich in den nächsten Wahlen bundesweit nicht.
Grundsätzlich stimme ich hier zu.
Die politische Mitte war m.M.n. in den letzten 10 Jahren zu schwach, wenn es um das Lösen von Problemen ging. Neben dem inzwischen eingesetzten „Nacheifern“ von AfD-Positionen (was einer politischen Kapitulation gleicht), gehört für mich aber auch noch etwas anderes dazu.
Das unterschwellige Leugnen von möglichen Problemen beim Thema Migration in Teilen des linken Lagers (hat mich als Grüner bei meiner eigenen Partei jahrelang massiv aufgeregt).
Gleichzeitig möchte ich der Argumentation aus der aktuellen Lage widersprechen, dass man die AfD „besiegen“ kann, indem man „ihre“ Themen von der Agenda nimmt. Der öffentliche Diskurs wird wahrlich nicht von der Politik bestimmt, höchstens ergänzt. In Zeiten von Social Media hat selbst der klassische Journalismus seine „Lenkwirkung“ verloren.
Es gilt Lösungen zu finden, mit der sich die Mehrheit der Bevölkerung anfreunden kann.
Wenn eine Partei wie die AfD laut Umfragen bei 25 % steht, bedeutet das für mich, dass das in den letzten Jahren nicht annährend erreicht wurde. Das soll aber explizit nicht bedeuten, dass man deren Positionen übernehmen sollte!
Nur weil deren Politik völliger Nonsens und unmenschlich wäre, heißt das nicht, dass die Politik der Mitte besonders gut war in letzter Zeit. Auch reale moralische Überlegenheit ersetzt keine Lösungen.
Ich glaube, wir verdrängen ein bisschen, wie hoch das Wählerpotenzial der AfD ist.
Wenn in der Leipziger Autoritarismusstudie 2024 33,8% der Deutschen der Aussage „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.“ manifest zustimmen, ist der Worst Case aus Sicht dieser Leute ja schon eingetreten, egal wie niedrig die Immigrationszahlen noch werden. Die wollen etwas hören, das in Richtung Remigration geht. Da hat keine demokratische Partei etwas zu gewinnen, wenn sie sagt „Das Thema Migration ist gelöst“.
Wenn man die AfD bekämpfen möchte, kann der einzige Weg doch nur sein, den Anteil der Deutschen mit ausländerfeindlichen Einstellungen zu verringern, oder? Also weg von der Politikwissenschaft und hin zur Soziologie?
Es ist schon eine Kunst, die eigene Agenda zu setzen, denn hat man mehr gewonnen als mit den Lösungsvorschlägen. Übrigens gilt es für jedes Thema.
Kunststück ist es auch, das Theme so zu setzen, dass man nachher noch kompromissfähig ist, denn daran ist die Ampel gescheitert. Klimaschutz und Freiheit schließen sich ja nicht aus, für die Freiheit von morgen braucht es Klimaschutz, Klimawandel ist die größte Bedrohung der Freiheit.
Was wollen die Leute? Ist der Wähler nicht höchst widersprüchlich? Für wirksamen Klimaschutz, aber für Verbrenner und Gasheizung? Sorry, das geht nicht zusammen.
Was hier in der Diskussion mMn untergeht: Echte Probleme, etwa bei Klimaschutz, Klimaanpassung, Cum Ex, Vermögensungleicheit, von denen fast jeder betroffen ist, wurden und werden „klein regiert“ bzw. aus den Diskussionen „gedrängt“. Was am Migrationsthema ist anders? Es sind eben nicht „Leute wie wir“, Leute, die sich womöglich wehren könnten. Es sind „die Fremden“. Das dockt an einen Rassismus an, der latent immer vorhanden ist. Deswegen funktioniert die Empörung völlig anders, wenn es Täter mit Migrationshintergrund sind, als wenn es deutsche Täter sind. Unser wahres Problem sind Wähler:innen, die im Zweifel lieber Rechtsextremisten wählen. Es wird aber immer immer immer so getan, als würde das Problem verschwinden, wenn nur die Ausländer weg blieben. Migration spaltet oder polarisiert die Gesellschaft? Nein. Die Menschen, die Rechtsextremisten wählen, machen das. Aber die will man mit so großem wie ungerechtfertigtem Verständnis für die Demokratie gewinnen, anstand mit der gebotenen Härte das Tabu zu verteidigen, das für jeden anständigen Menschen, der in Deutschland eine Schule besucht hat, selbstverständlich sein müsste. Weil dann nämlich so furchtbar viele Menschen auf der falschen Seite der roten Linie stehen, die so sind, wie wir, die wir kennen. Dann machen wir lieber ein rotes Gummiband daraus und dehnen das immer weiter nach rechts, in der Hoffnung, dass das die Leute schon zurück ziehen kann, bevor es reisst.
Deswegen denke ich auch nicht, dass die Union oder andere anders können, als sie handeln. Die eigentlichen Probleme können oder wollen sie ihren Wählern nicht auftischen, weil die nötigen Lösungen aus ideologischen, praktischen und anderen Gründen mit Zumutungen und Anpassung für diese Wähler:innen verbunden wären. Also gut, wenn man stattdessen einen Sündenbock hat, für marode Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Infrastruktur etc.: Die Ausländer. Deswegen gehen sie davon aus, dass die AfD und ihre Wähler schon einen Punkt haben würden und wenn man den nur irgendwie wegregieren würde, wären das schon wieder Demokraten. Das hat nie und nirgends geklappt, ganz besonders nicht in der Geschichte unseres eigenen Landes. Aber hier und heute wird alles anders laufen, wenn man genau die gleichen Schritte geht.