Die neue Lage ist raus.
Hier ist Platz für eure Kommentare zum Lagethema Trumps Zoll-Chaos.
Ich fand das Kapital über das Zollchaos sehr gut.
Ein Kuriosum hätte ich noch quasi als Ergänzung zur Frage, ob mit den Zöllen tatsächlich Firmen in die USA geholt werden können. Denn für diejenige Halbleiterhersteller, die tatsächlich Werke in den USA haben (z.B. Halbleiter-Pioniere wie Texas Instruments), werden die Gegenzölle der Chinesen jetzt richtig teuer:
Trumps Zölle auf Chips – Der Fluch der globalen Lieferkette
Die neuen Einfuhrabgaben werden sämtliche Chiphersteller empfindlich treffen – auch jene mit riesigen Werken in Amerika. Denn ein entscheidendes Teil der Wertschöpfung fehlt in den USA. - Handelsblatt
(Der Artikel ist noch vom Februar und enthält nicht die hohen, aktuellen Zölle, erklärt aber die Hintergründe ganz gut.)
Kurz gesagt:
Es findet nur der technisch aufwendige „Kern“ der Halbleiter-Produktion in den USA statt (das sog. Frontend). Anschließen müssen die Halbleiter aber noch getestet und verpackt werden (das Backend). Letzteres findet aber meistens in Ländern mit niedrigeren Löhnen statt, wie etwa China. Dadurch werden die US-Halbleiterwerke aber nun mit den chinesischen Gegenzöllen konfrontiert, wenn sie die „halbfertigen Chips“ aus den USA zur Endfertigung nach China bringen wollen.
Ironischerweise sind also nur die Halbleiterfirmen betroffen, die wirklich in den USA fertigen. Andere US-Firmen, wie Intel oder Qualcomm, die längst bei Auftragsfertigern wie TSMC in Taiwan fertigen lassen, haben dieses Problem nicht.
Das heißt die Zölle der Amerikaner sind sozusagen Gift für den Produktionsstandort USA. Da stellt sich wieder die Frage: Wusste die Trump-Regierung das nicht?
(Einen ziemlich guten und nicht zu technischen Überblick über die einzelnen Teile der Halbleiterfertigung gibt es übrigens hier: Die Mikroelektronik Wertschöpfungskette - Silicon Saxony)
Ich würde mir wünschen, dass das Lage-Team nicht dieses grenzenlos naive Narrativ von den „verbrannten“ Milliarden/Billionen an Börsenwerten übernimmt. …Schauen wir uns das mal genauer an (S&P500):
- Stand 11.04.2025 war der S&P500 gerade mal ca. 11% vom Allzeithoch gefallen.
- Wenn wir uns das Wochentief anschauen, sind es ca. 21%.
- Zum Vergleich: Der S&P500 ist von Januar 2022 bis Oktober 2022 um 26% gefallen. Das ging jedoch langsamer und da hat es keinen gejuckt.
- Der S&P500 ist Stand 11.04.2025 immer noch leicht im Plus verglichen mit dem Kurs von vor genau einem Jahr.
- Zwar sind Referenzpunkte immer so eine Sache, aber: Wenn wir zum tiefsten Punkt am 13.10.2022 gekauft und am Allzeithoch am 19.02.2025 verkauft hätten, wären saftige 75% in gerade mal 2 Jahren drin. Da spricht ja auch keiner davon, dass „Billionen an Börsenwerten durch die starke Wirtschaft geschaffen wurden“. Nur beim Weg runter wird Geld „verbrannt“. … Es gibt halt Korrekturen, sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung.
- Kein Rentner zahlt sich den gesamten 401k auf einen Schlag an einem Stichtag aus. Klar kriegen die kalte Füße, aber das ist an der Börse gewissermaßen normal.
- Das einzig interessante an dieser ganzen Geschichte ist, dass es mal wieder relativ schnell in kurzer Zeit abwärts ging. Das hatten wir zuletzt bei Corona. Das rechtfertigt aber nicht den Vergleich zu den (zweifelhaften) Einsparungen von DOGE oder überhaupt der Verwendung des Begriffs „Geld verbrannt“, weil es das nicht ist.
Endlich greift ein Kommentar zum Vorgehen der US-Regierung bzgl. Zöllen bzw. zu den Beweggründen für die Trump Rolle rückwärts den entscheidenden Aspekt auf: den Markt für US-Staatsanleihen. Beim Markt für Staatsanleihen („government bonds“) ist es ,ganz krude formuliert, darum, dass Staaten sich untereinander liquide Mittel beschaffen, durch Kredite, und dies eine Stufe unterhalb des Niveaus der Zentralbanken, also ohne externe Lenkung. Im Markt für Staatsanleihen bewegen sich wohl alle relevanten staatlichen (und nicht staatlichen) Pensionsfonds und Rentenkassen dieser Welt. Diese kaufen und halten bevorzugt Schuldpapiere aus Ländern, die ein „Premium Rating“ (z.B. Standard&Poors, Moodys) geniessen. Dieses Rating beiinflusst den Zinssatz, den ein Land an seine Schuldennehmer: innen zahlen muss.
Jetzt kommt m.E. das Entscheidende: Gemessen an ihrer Staatsverschuldung – diese beläuft sich auf ca. 35 Billionen USD, ergo >100% vom Bruttoinlandsprodukt von 29 Billionen USD - müssten die USA eigentlich eine tiefere Gütebewertung und einen höheren Zinssatz aufweisen. Wegen drei Dingen ist das nicht der Fall: 1) der USD ist die liquide globale Leitwährung 2) die aus ökonomischer Sicht gute Historie der USA als freier, verlässlicher, liquider Markt 3) der Standort USA als älteste Demokratie der Welt. Die USA haben sich in den 1970er Jahren entschieden, diesen Staatsanleihenmarkt international zu öffnen (nota bene nach dem «Erfolg» der Zolltarife der 1930er Jahre, auf die sich Herr Navarro - der Zoll-Einflüsterer des Präsidenten - bezieht). Damit ist die USA in einem der beiden liquidesten Kapitalmärkte der Welt global verkoppelt, ob sie das will oder nicht. Der andere riesige liquide Markt ist übrigens der für global relevante Währungen- weswegen man auch den USD nur bedingt «abschmieren» lassen kann.
Wer hält nun diese Staatsanleihe? Dazu habe ich eine KI befragt und anschliessend mit den Regierungsseiten abgeglichen. Das Resultat ist - vor vier Wochen hätte ich gesagt: beeindruckend – heute: beängstigend: 29 Billionen USD, wovon 22% im Ausland gehalten werden. Wenn die Teilnehmer: innen dieses Markts Zweifel bekommen, ob ihre Anlagen noch ihren Zweck erfüllen, dann bitte gut anschnallen für die Talfahrt. China hält ca. 760 Milliarden dieser US Staatsanleihen, also ca. 2.6% vom Ganzen. Das mag prozentual nach wenig klingen. Dennoch genügt es: die Chinesen haben, was man im Jargon als „Leverage“ bezeichnet. Wenn die chinesische Regierung die Schleusen öffnet und in grösserem Stil beginnt, diese US-Staatsanleihen abzustossen, dann versenken sie diesen Markt. Erste Konklusion: Gegen seine eigenen Schuldennehmer: innen einen Zollstreit anzuzetteln ist kubiktöricht. Stellt euch vor, ihr kauft ein Haus, bekommt zur Finanzierung Geld aus eurer Nachbarschaft … und zündet dann das Dach des Nachbarhauses an. Wie wäre wohl die Reaktion?
Ich denke zudem – dies ist reine meine Vermutung- dass der gegenwärtige US Präsident an jenem Donnerstag - noch während sein Handelsbevollmächtigter vor dem Senat Rede und Antwort stehen musste (dazu existieren im Netz aufschlussreiche Videos) - einen Anruf von Jamie Dimon bekommen hat. Jamie Dimon ist Vorstandsvorsitzender des grössten „Market Makers“ für US Staatsanleihen: JP Morgan Chase. Es könnte so gelaufen sein: „Mr. President, our bond desk is on high alert, the situation is critical, and the market is moments away from becoming dysfunctional and out of control. I urge you to immediately halt these tariffs.“
Fazit: wir sollten alle den US Bond-Markt – und nicht nur die globalen Aktienmärkte -im Auge behalten. Denn schon die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss musste im Oktober 2022 nach wenigen Wochen im Amt den Hut nehmen, als ihr ökonomisches Vorgehen (Steuern senken, Staatsquote erhöhen) zu einem Beinahe-Kollaps der britischen Staatsanleihen («UK Gilts») führte. Womit wir übrigens vielleicht doch einen Faktor aufgedeckt haben, der DTs Handeln „zähmen“ könnte: der Anleihe-Markt.
Letzte Bemerkung: hier bietet sich m.E. eine grosse Chance für Europa. Unser Kontinent verfügt – hoffentlich noch eine Weile -über demokratische Grundstrukturen . Wir haben eine stabile, liquide Währung, den Euro. Wir verfügen weiterhin – trotz schleichender Verschlechterung - über international brauchbare Bildungssysteme. US Akademiker: innen beginnen bald die berufliche Flucht vor Repressalien- auch nach Europa. Wenn Europa jetzt den Schulterschluss schafft, mit einem vernünftigen Einwanderungsrecht und auch sonst kohärenten politischen Rahmenbedingungen, dann werden wir m.E. mittelfristig den Turnaround bei Kapital-Abflüssen erzeugen. Lang lebe die Demokratie- auch und gerade aus volkswirtschaftlicher Sicht.
Das ist witzig, weil wir das hier schon mal angerissen habe und ich letztlich genau das, was passiert ist, vorhergesagt habe:
Ein Kommentator erklärte, Trump könnte die Zollpolitik fahren, um damit die US-Staatsanleihen gegenüber dem Aktienmarkt zu stärken, ich habe sehr deutlich dagegen gehalten. Daraus ergab sich dann die Diskussion, wie sich Trumps Politik auf die Staatsanleihen auswirken wird.
Angeblich sollen es die Kanadier gewesen sein, die sich mit Japan und den wichtigsten EU-Ländern koordiniert haben, um gemeinsam einige amerikanische Bonds auf den Markt zu werfen und so den Kurs zu drücken. Zu wenig, um das System in‘s Wanken zu bringen, aber genug damit es auffällt. Ein „Vorzeigen der Instrumente“, sozusagen. Daraufhin hat sich Trump beschwert, dass „people were getting a little yippy yappy“, und die Zölle pausiert. Zusammen halten diese Staaten Bonds für 3 Billionen US$.
Fefe hat dazu diesen Link: Carney’s Checkmate: How Canada's Quiet Bond Play Forced Trump to Drop Tariffs, und Perplexity hat mir noch ein paar Links mehr dazu ausgeworfen.
Danke dafür Daniel. Die neueste Kehrtwende bei Smartphones bestätigt uns teilweise, wenn sie auch zunächst nur auf in China produzierende amerikanische Unternehmen gemünzt ist…
[Mein Beitrag ging inhaltlich am Thema vorbei, daher habe ich ihn entfernt.]
Danke Norbert… das wusste ich nicht. Wenn es nicht so real und traurig wäre, gäbe das alles grossartigen Rohstoff für spannende Prosa/Fiction.
er hatte aber valide Argumente, die ich zumindest in meinen Beurteilungsprozess mit einbeziehen werde!
Ja tut mir leid, falls du darauf schon geantwortet hattest.
Ich denke man sollte hier die Zollkonflikte USA vs. China einerseits und USA vs „Rest der Welt“ anderseits trennen. Das hab ich aber oben nicht wirklich getan.
Noch ein Gedanke in die Runde: Wenn US-Staatsanleihen sinken, dann steigt die cost of debt/cost of equity für alle Assetklassen. Depots müssen neu bewertet werden, Liquiditätsrations von Banken sinken. Anleger:innen ziehen Liquidität ab. Massive Ansteckungsgefahr für den Finanzsektor. Ohnehin frage ich mich, wie kleine, regionale Banken sowie einige Hedge-Fonds die sich über alle Anlageklassen erstreckende hohe Volatilität der letzten Woche überstanden haben. Hiobsbotschaften aus diesem Bereich kommen ja immer mit Verzögerung, und aus dem Nichts…einverstanden?
Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: LdN 426 Koalitionsvertrag Gesundheit Interview Christian Karagiannidis
Mir fehlte in der Diskussion noch der persönliche Aspekt. Trump und seine Oligarchen haben doch auch an zahlreichen anderen Stellen konsequent daran gearbeitet, den Staat und seine Bürgerinnen und Bürger auszubeuten. Warum sollte das eine Ausnahme sein?
Wenn man den größten Insiderhandels-Coup aller Zeiten tätigen möchte, was würde man dann tun? Vielleicht sich vorab Immunität vom SCOTUS sichern, Gegner in der FTC rauswerfen und eine Atmosphäre von „wer gegen mich agiert, fliegt“ schaffen? Dann verkaufen, Zölle ankündigen um die Kurse massiv zu drücken, dann kaufen und Zölle aussetzen um sie wieder hoch zu bringen?
Wir haben den Spike an Orders kurz vor Aussetzen der Zölle gesehen an den Börsen. Es gab Trumps „NOW IS A GREAT TIME TO BUY!!“ post.
Viele seiner Handlungen sind auch erklärbar durch Machtstreben, Gier oder Geltungsbedürfnis, ohne dass man Theorien über kompliziertes Kalkül aufstellen muss. In der Lage wurde die Theorie verworfen, dass die Rolle rückwärts von Anfang an geplant war, aber wenn Bereicherung eines der Ziele war, ist das durchaus plausibel.
Es ist schon krass, das einfach keine einzige Maßnahme länger als ein paar Tage unverändert bleibt. Die Rücknahme der Zölle auf Elektroartikel wurde jetzt ihrerseits auch schon wieder in Frage gestellt.
Wirklich das pure Chaos.
Mit diesem Chaos sichert er sich weltweit tägliche Aufmerksamkeit und kann im Verborgenen Dinge tun…
Das ist irreführend. Was bedeutet „sinken“? price down, yield up - auf täglicher Betrachtungsbasis. Bewertungsansätze fußen aber nicht auf dod Bewertungen. Aber natürlich, bei aktuell niedrigen Buchwerten, steigen die Diskontsätze und in Verbindung mit einer erhöhten Volatilität, bedeutet das sinkende Preise für risikobehaftete Anlagen. Solange es nicht zu massiven Verkaufswellen kommt, die strukturell sind (i.e. Vertrauensverlust in die USA/USD), sehe ich keine Notwendigkeit (und bis auf Mark to Market Bewertungen) keine Akzeptanz für langfristige Neubewertung etwaiger risikobehafteter Anlagen. Das erratische Gebaren des PotUS hat allerdings die Rezessionswahrscheinlich stark erhöht. Das könnte die wahre Hiobsbotschaft sein /bibber.
Besten Dank für Ihren Kommentar. Ich korrigiere mich und ergänze „nachhaltig sinken“. Ich bleibe aber standfest bei meiner Einschätzung, dass fallende Preise für Staatsanleihen eine ganz andere Bedeutung für die Realwirtschaft haben als fallende Aktienkurse (die in der Nachrichtengemengelage den Löwenanteil an Aufmerksamkeit einheimsen), und zwar gleich aus mehreren Gründen (und hoffe, dass wir uns an dieser Stelle einig sind):
- Zinsanstieg führt zu teureren Krediten
- Unternehmen investieren weniger
- Konsument:innen konsumieren weniger, speziell solche mit verschulkdetem Haushalt
- Staat muss entweder sparen oder Anleihen mit höherem Zins begeben. Staatsschuld steigt weiter.
- Kapitalflüsse verlagern sich und Volatilität steigt.
- Ist diese Vola hoch, dann besteht Ansteckungsgefahr im Finanzsektor (speziell bei kleineren bis mittelgrossen Kredithäusern und long/short Hedge Fonds- Kollaps von Instituten und Rettungsaktionen nicht auszuschliessen. Der Faktor 6 verstärkt in diesem worst case Szenario dann die Faktoren 1-5.
Man könnte argumentieren, dass als positiver Nebeneffekt dieser Turbulenzen der fallende Dollar die Exportwirtschaft der USA ankurbeln könnte. Jetzt werde ich am Schluss doch noch polemisch: ich werde keine US-Schokolade gegenüber Schweizer oder Belgischer Schokolade kaufen, bloss, weil sie billiger wird. ich werde auch kein US Auto kaufen, nur weil es billiger wird…da muss im produzierenden Gewerbe in den USA schon auch die Qualität einen Turnaround erleben…so wie bei uns die NATO-Ausgaben…
Freundliche Grüsse
TG
Ja und nein. Fallende Preise können auch auf eine gestiegene Inflation, eine boomende Volkswirtschaft, ein zu niedriges Notenbankzinsniveau, fallende Bonitäten, allgemeine Risikoaufschläge, fallende Liquidität ,etc. zurückzuführen sein.
Es sind in der Regel nicht die Zinsen, die die Volkswirtschaft beeinflussen, sondern eher andersrum.
Ja, ist so. Und auch ein erklärtes Ziel der Trump Administration, das Wechselkursverhältnis des Dollars gegen „künstlich“ billige X Währungen zu senken. Wie das mit höheren Zöllen erreichbar ist, ist mir ein Rätsel.
Beides korrekt, allerdings kaufen wir weniger Butterfinger als vielmehr Booking,com - mit anderen Worten, die USA sind ein wahrer Exportriese bei Dienstleistungen. Hier wirkt der niedrige Dollar noch stärker incentivierend, da alles Kosten in der Fremdwährung (z.B. Euro) anfallen, die Überschüsse aber in Dollar konvertiert werden, was bei einem niedrigeren Dollar = mehr Dollar = mehr Reingewinn = mehr Gewinn bedeutet.
Die Wirbelungen an US Anleihen waren in der Rückbetrachtung eher ein Kanarienvogel in der Kohlenmine, als ein harter Effekt. So schnell gehen Refinanzierungssätze gesamtwirtschaftlich nicht hoch, nur weil die US Staatsanleihen etwas höher rentieren. Hier wäre der Blick auf das Zinsniveau sinnstiftender. Und das kriegen sie mit der Inflation gerade ganz gut in den Griff.