LDN 426 - Kostenentwicklung GKV

Das Interview mit Prof. Karagiannidis fand ich wurde an einigen Punkten der Realität nicht gerecht.

1.) bei den Kosten wurde der Aspekt der Arzneimittel völlig vergessen. Von 2023 auf 2024 alleine sind die Ausgaben der GKVen für Arzneimittel um 10% - also 5 Milliarden/y gestiegen. Seit 2020 geben wir mehr für Medikamente aus als für ärztliche Behandlung und dieser Trend setzt sich weiter fort. Es wird gerne der Eindruck erweckt, dass Ärztinnen und Ärzte der Kostentreiber wären - hier muss man vehement dagegenhalten. Stattdessen haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten einen massiven Reallohnverlust bei Verdichtung der Arbeit und Verschlechterung der umgebenden Bedingungen erlebt. Dagegen erreichen die Jahrestherapiekosten durch mitunter astronomische Arzneimittelpreise - man denke an Kymriah/CAR-T-Zellen, die mit 250 000€ pro Infusion einschlagen und zunehmend in weitere Indikationen übernommen werden sollen.

2.) die elektronische Akte wird sicherlich, wenn sie denn gut funktioniert, unseren Alltag entlasten. Aber zu hoffen, dass solche Effizienzgewinne die GKV entlasten, ist unrealistisch. Wenn ich mir angucke wie viele Patienten in vielen Praxen „pro Stunde gekloppt“ werden, dann geht da nicht mehr. Vielleicht wird die Behandlung etwas besser werden, aber mehr Patienten? Wir behandeln schon mehr Patientinnen und Patienten pro Stunde als viele europäische Kollegen. Selbst wenn man hier und dort ein paar Prozent rausholt - das wird nicht so ein GameChanger, wie es hier dargestellt wird. Zumal jede Maßnahme zur Digitalisierung bisher keine relevanten Zeitersparnisse gebracht hat. Seit kurzem kann ich in meinem Haus Medikamente digital anordnen - super Sache. Dauert jetzt aber doppelt so lange, weil aus Gründen des Datenschutzes alle zehn Minuten ein Auto-Logoff stattfindet, ich erstmal einen freien Computer finden muss, der Login gerne drei Minuten dauert und die marode Infrastruktur dazu führt, dass die Geräte dauernd abstürzen. Selbst als großer Freund der Digitalisierung muss ich gestehen: die händische Aktennotiz ging sehr viel schneller. Die eAkte wird sicher auch ihre Überraschungen mitbringen, soviel ist gewiss.

3.) dïe Eigenverantwortlichkeit der Menschen wird völlig vergessen. Die Menschen essen zu viel, das falsche, bewegen sich nicht und haben keine Motivation für ihre eigene Gesundheit verantwortlich zu sein. Mittlerweile beauftragen fitte, mobile Menschen einen Pflegedienst um sich das Insulin spritzen zu lassen - weil sie es nicht lernen wollen. Leute kommen nachts um drei in die Notaufnahme mit handelsüblichem Durchfall, jedes verstauchte Gelenk wird durchs MRT gejagt. Wegen allen Zipperlein rennen die Leute zum Arzt. Wir müssten vielleicht darüber nachdenken, gesundheitliche Bildung in den Schulen anzubieten. Wunden versorgen, Kopfweh Husten Heiserkeit mit Hausmitteln behandeln, dafür braucht es kein Studium.

4.) Selbstbeteiligung von max. 1% bestraft relativ gesehen wieder diejenigen, die nur gelegentlich mal ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Die 1% habe ich schnell voll, wenn ich mal ein größeres Loch im Zahn habe oder mir mal den Arm breche - beides völlig sinnvolle Anlässe Hilfe aufzusuchen. Wenn ich aber andauernd sinnlos in die nächste Klinik renne, dann bin ich so schnell über einem Prozent, dass danach die Flatrate ruft. Die Steuerungswirkung dürfte gering ausfallen und besonders die gesunden, selbstverabtwortlichen Menschen bestrafen, die nur selten Leistungen in Anspruch nehmen und deshalb immer ihre „1%“ noch offen haben.

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