LDN 422: Kritisch – aber nicht, wenn Gäste da sind?

Ich finde…, dass Ulf und Philip in Interviews mit Gästen oft ihre gewohnte Bissigkeit verlieren. Ein aktuelles Beispiel ist das Gespräch mit Michael Hüther in Folge 422. Schon beim Interview mit Scholz war mir aufgefallen, dass plötzlich sehr zurückhaltend nachgefragt wurde – dabei wurde er zuvor völlig zurecht immer wieder kritisch analysiert.

Besonders auffällig war diesmal die Schlusssequenz: Hüther bezeichnet das fiskalische Signal von SPD und CDU als „mutig“, ohne dass dem widersprochen wird. Dabei hat Merz monatelang gegen jede Lockerung der Schuldenbremse polemisiert und die Grünen und Habeck als „wirtschaftlich unfähig“ dargestellt. Zudem hatten Ulf und Philip das Sondierungspapier vorher selbst kritisch eingeordnet und auf problematische Punkte hingewiesen. …

Gerade bei solchen Gästen wäre es wichtig, kritische Fragen mit der gleichen Schärfe zu stellen wie sonst auch – das würde die Interviews um einiges stärker machen.

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Naja, das Adjektiv „mutig“ ist nicht direkt falsch.

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Ich finde, Interviewgäste sollte man freundlich behandeln. Man kann auch später das Ganze einordnen.

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Sehe ich auch so. Kritische Fragen, ja. Aber bissig, bitte nicht.

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Naja, so meint er das sicherlich nicht. Und zu sagen es sei mutig die ganze Zeit den Fragen aus dem Weg zu gehen und sich stattdessen an denen die diese Fragen pragmatisch beantworten abzuarbeiten, um dann nach der Wahl die gleichen Vorschläge zu machen?

Freundlich sein, aber trotzdem bestimmt und kritisch schließt sich doch nicht aus.

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Ich finde, dass Philip und Ulf ihren Interviewpartnern schon sehr kritisch gegenüber sind. Für mich ist die Folge 422 da vielleicht eher eine Ausnahme.
Ich erinnere da mal an Christian Lindner der das im Interview sogar so gesagt hat oder Mario Vogt den die beiden mitten im Interview noch mal an ein paar Fakten erinnern mussten.
Ich glaube sogar, dass Friedrich Merz aus gutem Grund nicht zur Verfügung gestanden hat vor der Wahl, denn Populismus hat hier im Interview tendenziell keine guten Chancen

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Mario Vogt ist vielleicht wirklich ein gutes Beispiel, das Interview mit Lindner aber m.M. nach keinesfalls. Das war mir aber beim Schreiben des Kommentars gerade nicht mehr eingefallen.

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Hüther ist ein Wirtschaftsforscher. Man befragt ihn aufgrund seiner wirtschaftlichen Kompetenz. Wenn er in seinem Fachgebiet etwas fragwürdiges und unverständliches sagt, kann und sollte man nachhaken, nachfragen.

Aber wenn sich ein Wirtschaftsforscher zu einer politischen Aussage hinreißen lässt (mutiges fiskalisches Signal - für sich genommen tatsächlicher mutig), dann muss man ihn nicht vorführen.

Bei Interviews mit Partner, mit denen man zukünftig vielleicht nochmal sprechen möchte, geht es immer darum, die Balance zu finden. Wer da, überspitzt formuliert, mit einer Blutgrätsche reingeht, bekommt diesen Interviewpartner nicht mehr.

Das ist auch bei Politikern so.

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Ich finde die Interviews insgesamt stimmig. In der Abwägung zwischen Nachfragen und nachträglicher Einordnung würde mir manchmal kritscheres Nachfragen wünschen, nicht um der Kritik willen, sondern weil der Gesprächspartner dann darauf antworten kann und die Antwort ist ja meist interessanter, als eine Einordnung, die für regelmäßige Hörer nur in Ausnahmefällen überraschend sein wird.
Aber fairerweise ist es im Interview schwer, die Abwägung in dem Moment immer genau richtig zu treffen und Interviews sind mMn nicht das Kerngeschäft der Lage (in der Tendenz sind mir das zuletzt eher zu viel), von daher hab ich da auch ne andere Erwartungshaltung als in anderen Formaten.

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Ja, das denke ich auch. Interviews sind mMn schon eine eigene journalistische Disziplin, in der manche Interviewte (v.a. Politiker) hin und wieder deutlich mehr Übung zu haben scheinen als die LdN. Das obige Interview fand ich ok, aber beim Lindner-Interview ist das aus meiner Perspektive sehr deutlich geworden. Ich finde, es gibt ein breites Spektrum zwischen metaphorisch dem Interviewten ein Sofa, Chips und Cola hinzustellen oder ihn/sie auf ein Nagelbrett mit Verhörlampe vor die Nase zu packen. Mir geht es eher wie Dir, JakobMalte, dass es mir ab und zu zu sehr Richtung Sofa geht. Ja, Interviewte haben (wie jeder Mensch) einen Anspruch auf respektvollen Umgang, aber nicht zwingend auf Wohlfühlatmosphäre, insbesondere Spitzenpolitiker. Fachexpert:innen schon eher, solange sie keinen Quatsch erzählen. Letztere Interviews finde ich aber in der LdN meistens super, gut geführt und sehr bereichernd.
Um im Bild zu bleiben: Bei den Lindners dieser Welt würde ich mir eine nüchternere Atmosphäre wünschen: Gemeinsam am Esstisch, angenehmes Licht. Kaffee ja, Kekse nein. Und wenn jemand anfängt, verdrehte oder Fake News zu verbreiten, dann sollte das Licht auch schonmal in Richtung kaltweiß geswitched werden. Ich finde es wichtig, hier unmittelbar klare Kante zu zeigen und dem Interviewten Grenzen zu setzen. Und nicht nur erst hinterher einzuordnen.
Und was das Wiederkommen angeht: Die LdN ist eine Chance für Politiker, ihre Politik einem interessierten, größeren Auditorium in mehr als zwei Sätzen zu erläutern, und als solche sollten sie dankbar sein. Und nicht umgekehrt. Wer nicht kommen mag, weil er kritische Fragen fürchtet, hat dort auch nix verloren und stiehlt mir tendenziell eher meine Zeit.
Meine Meinung.

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Wie sollte es auch anders sein, als dass die Vorlieben der Lage-Hörer*innen eine gewisse Bandbreite aufweisen …?

Ich stelle sogar bei mir selbst manchmal fest, dass ich bei mehrfachem Hören die Gesprächsatmosphäre unterschiedlich einschätze.

Bei Lindner waren die Fragen an der Oberfläche vielleicht „zahm“, aber an Lindners Reaktion (LdN 415+, 1:51:52) konnte man merken, dass es für ihn kein Sonntagsspaziergang war:

„Wir gehen ganz schön in die Details, merke ich. Fühlt sich ein bisschen an wie beim Examen früher.“

Da muss man schnell reagieren, wie @JohanneSAC das auch gut beschreibt, und sich dessen permanent bewusst sein, was man riskieren oder erreichen will, und immer wieder nachjustieren.

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Danke für den Thread, das ist mir bei dem Interview mit Herrn Hüther auch aufgefallen.

Philip/Ulf: Brauchen wir nicht Steuererhöhungen, um die neuen Schulden und deren Zinsen abbezahlen zu können?
Hüther: Steuererhöhungen sind schlecht, weil sie die ohnehin schon schwache Konjunktur abwürgen. Sollten wir also nicht machen.
Philip/Ulf: Danke Herr Hüther.

Edit: Die Situation ist wurde doch tiefer diskutiert, als von mir dargestellt. Danke an die Hinweise von @rleif und @Schiessbogen

Ja, aber, wie bezahlen wir denn dann die Schulden und Zinsen? :grinning:
Die Frage ist offen geblieben. Es geht mir nicht darum, ob und wie wir das bezahlen oder nicht. Es geht darum, dass die ursprüngliche Frage nicht beantwortet und dann nicht nachgehakt wurde.
Vielleicht hatte man bei Herrn Hüther nur ein enges Zeitfenster, aber die Situation war schon schräg.

Ich müsste es nochmal nachhören, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass einer von beiden, durch geistesgegenwärtiges Nachfragen Herrn Hüther dazu gebracht hat, sich für eine funktionierende Erbschaftssteuer auszusprechen. Auch wenn es nur halb verschluckt im Nebensatz war, hatte ich innerlich gejubelt.

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[Ulf:] Also denken wir zum Beispiel so etwas wie Erbschaftssteuer oder Vermögenssteuer, die ja zum Beispiel von Ihrem Kollegen Marcel Fratscher häufig ins Feld geführt werden, um eben diese Gegenfinanzierung jedenfalls zum Teil sicherzustellen. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?
(LdN+ 29:19)

[M. Hüther:] (…)
Anders ist das beim Thema Erbschaftssteuer. Da kann man in einem sehr liberalen Standpunkt sagen, das ist leistungsloses Einkommen beim Erben, und da sind wir sehr großzügig. Von den deklarierten Erbschaften werden etwa 12 Prozent in der Summe besteuert. Im Wesentlichen ist der Grund die Freibeträge für private Vermögensübergänge bei der Erbschaft und das kann man sicherlich diskutieren. Die Bewertungsfrage stellt sich also nur einmal, nämlich wenn das Vermögen vererbt wird. Aber auch da muss man sich klarmachen, man wird nicht die Milliardensummen mobilisieren, die das uns alles andere sehr stark erleichtern würden.
(LdN+ 29:57)

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Danke. Dann war es nicht das halbe Verschlucken, was mich gestört hat, sondern der Verweis auf die Freibeträge, die ein Problem seien, wo doch eher die Verschonungsbedarfsprüfung bei sehr großen Erbschaften problematisch ist. Da hätte man nachhaken können.

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