Vielen Dank für das interessante Interview mit Ökonom Michael Hüther.
Er deckt sehr schön die Fallen der beabsichtigten Regelung auf und bestätigt so auch eure Einordnung.
Guten Tag liebes Lage-Forum,
das Interview mit Michael Hüther und die Folge LdN 421 zum Thema Schuldenbremse haben mich aufhorchen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass wir gesellschaftlich immer noch die „falsche“ Debatte über Staatsschulden führen.
Bei was habe ich ein Störgefühl:
- Falsches Verständnis über den Geldschöpfungsprozess (Woher kommt das Geld?)
- Falsches Verständnis über den Grund und Zweck von Besteuerung
- Nebelkerzen durch Partikularinteressen verschiedener Lobbys
Geldschöpfungsprozess:
Die primäre Frage ist: Wie bezahlen „wir“ das alles?
Es gelten einige Prinzipien, die für eigentlich alles in der Wirtschaft gelten.
- Die Schuld des Einen, ist das Vermögen des Anderen.
- Die Ausgabe des Einen, ist die Einnahme des Anderen.
Daraus können wir ableiten:
- Die Schulden des Staates, sind die Vermögen der Privatwirtschaft (Ausland als Akteur mal ausgeklammert)
2 Die Ausgaben des Staates sind die Einnahmen der Privatwirtschaft. - Wenn der Staat mehr ausgibt, als er mit Steuern einnimmt, erhöht er die Vermögen der Privatwirtschaft.
Wie läuft das mit den Staatsschulden einfach ausgedrückt?
- Der Staat nimmt bei der Bank einen Kredit für 3% Zinsen. Woher kriegt die Bank das Geld?
- Die leiht sich das Geld bei der EZB für 2% Zinsen. Die Differenz von 1% deckt das Ausfallrisiko, die Kosten sowie den Gewinn der Bank. Aber woher hat die EZB das Geld? Und wem gehört die EZB?
- Die EZB erschafft Geld aus dem Nichts. Die EZB ist eine staatliche Behörde und gehört den Euro-Staaten.
Daraus kann man schlussfolgern:
- Der Staat leiht sich indirekt Geld bei sich selbst.
- Der Staat kann in seiner eigenen Währung nicht pleite gehen.
- Der Staat wird immer Geld in seiner eigenen Währung bekommen, wenn er es braucht.
Das ist natürlich extrem stark vereinfacht. Dass es ein zweistufiges Geldsystem mit Zentralbankgeld und Giralgeld gibt, dass der Staat Anleihen verauktioniert statt einen Kredit aufzunehmen usw., ist mir bewusst, aber es ändert eben das Grundprinzip nicht.
Warum gibt es dann Zinsen, wenn sich der Staat das Geld selbst leiht?
- Die EZB versucht die Konjunktur zu steuern. Wenn die Wirtschaft lahmt, senkt die EZB die Zinsen, um Firmen und Bürger zu Investitionen zu ermutigen. Wenn die Wirtschaft zu heiß läuft, erhöht die EZB die Zinsen.
Warum finanzieren wir nicht einfach alles über neue Schulden, es gibt keine Steuern mehr und jeder kriegt unendlich Geld aufs Konto?
Es gilt der berühmte Satz vom Ökonomen Keynes: " Anything we can actually do we can afford.".
Um es praktisch zu machen: Wenn alle Baufirmen auf Volllast laufen, wird auch mehr Geld für den Ausbau von Schulen das Problem nicht lösen, sondern es können neue Probleme entstehen wie z.B. Inflation. Es kann jedoch auch andersherum gelten: Hätten wir vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mehr Geld für den Ausbau von Windenergie investiert, hätten wir kein extrem teures Erdgas verstromen müssen und hätten weniger Inflation gehabt.
Wie entscheiden wir also, wie viel Geld wir ausgeben wollen, wenn Schulden egal sind? Wie wäre es mit KPIs?
- Inflationsrate (wichtig woher sie kommt: Energie, Löhne, Branche, …)?
- Beschäftigungsniveau. Investieren bis zur Vollbeschäftigung?
- Kapazitätsauslastung der Wirtschaft?
Steuern:
Warum haben wir dann überhaupt ein Steuersystem, wenn der Staat sein eigenes Geld hat?
- Verhaltensänderung durch Lenkungssteuern (z.B. Alkoholsteuer, Tabaksteuer, …)
- Konjunktur (z.B. durch Umsatzsteuer, …)
- Umverteilung bzw. Begrenzung einer zu großen Schere zwischen Arm und Reich (z.B. Vermögenssteuer, Lohnsteuer, …).
Daraus ließe sich ableiten:
Brauchen wir z.B. eine Vermögenssteuer, um neue Straßen zu bauen? Nein, eigentlich nicht. Der Staat hat sein eigenes Geld.
Können wir eine Vermögenssteuer nutzen, um die Schere zwischen Arm und Reich kleiner zu machen? Ja, auf jeden Fall.
Nebelkerzen und Partikularinteressen:
Was stört mich jetzt an dem Hüther-Interview?
- Das IW aus Köln, für das Herr Hüther arbeitet, ist arbeitgeberfinanziert. Surprise: Er empfiehlt Steuererleichterungen für Unternehmen und ist wegen zu großer Aufwände gegen eine Vermögenssteuer. Dass das IW Interessenkonflikte hat, fehlte mir in der LdN 422.
- Warum gibt es einen zu großen Aufwand, um 500 Superreiche zu besteuern, aber wenn der Staat mich zur Kasse bittet, wenn ich
A) mein Gehalt bekomme (Einkommenssteuer, Sozialbeiträge)
B) an der Supermarktkasse (UmSt, Kaffeesteuer, …)
C) wenn ich eine Versicherung abschließe usw.
… Dann ist das ganze okay? Kein Aufwand?
- Um es mal etwas provokant zu formulieren: Muss mich mein Chef nun in Aktien statt in Geld bezahlen, damit der Staat mich nicht besteuert? Es kann doch nicht so schwierig sein Frau Klatten’s BMW Aktien (Stückzahl * Aktienkurs) festzustellen und zu besteuern?
Ich bin an euren Meinungen interessiert, ob man meinem gedanklichen Faden folgen kann oder ob ich etwas komplett falsch einschätze?
Statt einer Vermögenssteuer kann man ja auch über eine Abgabe x % alle x Jahre nachdenken, wenn wie H Hüther sagt, die Berechnung zu aufwendig wäre.
Zumal das Netzwerk Steuergerechtigkeit diese Nebelkerzen auch schon ausgeräumt hat.
Immobilien müssen sowieso bewertet werden. Gemälde sind versichert…
Wie machen andere Länder, die eine Vermögenssteuer haben das mit der Bewertung, wenn es so schwer ist?!
Wann werden Immobilien denn bewertet?
Im Verkauf findet zwischen Käufer und Verkäufer eine Einigung über den Kaufpreis statt… und was fällt dann an? Richtig, Grunderwerbsteuer. Also profitiert der Staat bereits beim Vermögenstransfer.
Wird das nicht bei der Grundsteuer gemacht? Immobilien lassen sich denke ich anhand weniger Faktoren leicht bewerten
Scheint zu gehen - in unteren Teil des Berichts steht es
Nein, wird es nicht
Aus Ihrem Kommentar schlussfolgere ich, dass sie noch keine Immobilie gekauft haben. Banken bewerten Immobilien zb anders, als der Markt. Was ist dann der Wert der Immobilie die Bewertung der Bank oder das was ein Verkauf zum Zeitpunkt X am Markt erzielen würde?
Jeder Ihrer möglichen Faktoren wird beliebig kompliziert.
Bsp. Baujahr:
- Es gibt die Unterschiedlichsten Baumaterialien in jeder „Epoche“
- Was wurde seit dem Renoviert?
- Wie wirkt es sich aus, wenn in einem Haus aus den 80ern in 2010 die eine Hälfte der Fenster und in 2018 die andere Hälfte der Fenster einmal 2fach und einmal 3fach verglast wurden?
- Das Dach ist noch Original, wurde aber von Innen gedämmt
- Der Außenputz wurde in 2015 erneuert und in 2020 nochmal gestrichen…
Für all diese Eventualitäten müssten sie in einer Regulierung zu Bewertung von Immobilien zur Erhebung der Vermögensteuer eine Regel niederschreiben.
Das erklärt auch, warum in der Schweiz Immobilien nicht abgezahlt werden, sondern Darlehen ewig laufen und nur die Zinsen bedient werden.
Dass man die Berechnung eines Wertes beliebig detailliert und kleinteilig machen kann ist klar.
Hier lässt sich sicher ein Optimum aus Bürokratie und Genauigkeit finden.
Grundsteuer wird alle 7 Jahre berechnet. Wäre ja mal eine Basis oder das Wertermittlungsverfahren für die Erbschaftssteuer und das wird dann auch alle x Jahre durchgeführt.
Wer will findet Wege
Zentrale Steuerung einer Volkswirtschaft
Ihre Grundprämisse ist, dass der Staat das zentrale Lenkorgan des wirtschaftlichen Handelns eines Landes sein sollte und immer die besten und umfangreichsten Informationen hat, um zu Wissen was die beste Richtung ist. Ihre KPI’s betreffend:
- Die Berechnung und Zusammensetzung der Inflationsrate ist willkürlich und wird ständig angepasst (Produkte werden zu teuer → Konsumenten weichen auf billigere alternativen aus → Produkt wird im Warenkorb ersetzt)
- Wie misst der Staat die Kapazitätsauslastung der Wirtschaft? woher kommen die Informationen? (Ein Teil Deutschlands hat diese zentrale Steuerung der Wirtschaft bereits versucht. Dann mussten sie eine Mauer bauen, weil zu viele Leute ins Land wollten)
Durch seine Ausgaben und Einnahmen (Steuern) kann der Staat extreme Fehlanreize setzen und wirtschaftliche Auf- und Abwärtstrends verstärken. Beispiele wären die Abwrackprämie, E-Auto Förderung, Wallbox Förderung, die gesamte deutsche PV Industrie wurde durch falsche Anreize und hohe Fertigungskosten zerstörrt.
Hinzu kommt, dass die Entscheider in der Politik kurzfristig denken und hauptsächlich an Ihre eigene Wiederwahl. Aktuell bedeutet das, eine so vage formulierte Änderung der Schuldenbremse öffnet den jetztigen und zukünftigen Politikern Tür und Tor für ausufernde Wahlgeschenke.
Wenn der von Ihnen aufgezeigt Ansatz funktionieren würde, wäre Argentinien nicht von der 7. stärksten Weltwirtschaft in die Bedeutungslosigkeit abgestiegen, Japan wäre nicht seit mehreren Jahrzehnten in der Stagnation und wir hätten eine Wiedervereinigung unter DDR Flagge bekommen.
Staatspleite im Euroraum
Im Euroraum kann ein Staat sehr wohl pleite gehen (siehe Griechenland), da die EZB für den gesamten Währungsraum und nicht nur ein Land zuständig ist. Hinzu kommt, dass die Aufnahme von Staatsschulden, die sie beschreiben, von der EZB extrem verzerrt wird indem sie die Schulden am Sekundärmarkt aufkauft und so die Zinsen künstlich niedrig hält. der Sprunghafte anstieg von fast 0,3% für deutsche Staatsanleihen nach der Ankündigung der 900 Mrd Euro neuen Schulden zeigt, was der Markt bzgl. der Kreditwürdigkeit davon hält.
Aufgabe der EZB
Die EZB hat nicht die Aufgabe die Konjunktur zu steuern. Dies ist Aufgabe der Staaten. Das einzige offzielle Ziel der EZB ist es die Inflation um die 2% zu halten (Auf Sinn oder Unsinn dieses Ziels gehe ich jetzt nicht ein). Alle weiteren Ziele (Nachhaltigkeit, Wirschaft, Anleihezinsen,…) hat sich die EZB selbst auferlegt. Den Unterschied zw. Anleihenzinsen der Eurostaaten möglichst gering zu halten hat übrigens einen negativen Einfluss auf die für Deutschland verfügbaren Zinsen hat.
Ungleiche Vermögensverteilung
Das schuldbasierte Geldsystem ist eine der Hauptursachen für die ungleiche Vermögensverteilung. Am Beispiel USA war die Ungleichheit in Zeiten hoher Staatsverschuldung immer am größten:
Warum: Vermögende Leute können Ihre Vermögenswerte als Sicherung hinterlegen, neue Kredite aufnehmen, um weitere Vermögenswerte zu kaufen. Diese Leute sind auch oft gut mit der Politik verzahnt und bekommen die Staatsaufträge und profitieren somit enorm von Staatsverschuldung (Klüngel - siehe Argentinien und DDR).
Kapitalabfluss und folgen für die Deutsche Wirtschaft
Eine Vermögenssteuer ist so schwierig, weil wirklich wohlhabende Leute in einer globalisierten, digitalisierten Welt alle Möglichkeiten haben Ihr Vermögen dahin zu verschieben, wo ihnen nicht so viel weggenommen wird. Sie haben diese Möglichkeit mit Ihrem Gehalt nicht.
Dieser Umstand lässt sich wohl auch nicht mehr zurückdrehen und ist eine Realität mit der wir zurecht kommen müssen.
Es findet bereits ein großer Abfluss an Kapital aus Deutschland und Europa, aktuell va in Richtung USA und China statt. Eine Volkswirtschaft benötigt Unternehmer mit Kapital und muss Ihnen Rahmenbedingungen bieten, damit sich eingegangenes Risiko auch auszahlen kann. Meiner Meinung nach ist das in Deutschland fast nicht mehr gegeben.
Klar, wenn der Staat will findet er immer bürokratische Wege, um noch mehr Steuern einzutreiben.
Und die Ermittlung der neuen Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer hat ja auch super funktioniert… da musste kaum der Bürger selbst mitarbeiten und dem Staat alle möglichen Informationen, die er eigentlich selber hat heraussuchen.
Bevor neue Steuern erhoben werden und Schulden aufgenommen werden, sollten erstmal alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden.
Die Superreichen sind eine Gefahr für unsere Demokratie, wie man gerade eindrucksvoll in den USA feststellen kann. Auch hier in Deutschland haben Milliadäre einen enormen Einfluss
auf einzelne Parteien (insbesondere bei der CDU und FDP), was man anhand der extrem hohen Parteispenden, Lobbyverbänden (wie z.B. „die Familienunternehmer) und Klientelpolitik ebendieser Parteien feststellen kann. Warum insbesondere Milliadäre nicht auch einen angemessenen Beitrag leisten sollen, erschließt sich mir nicht. Besonders unter dem Augenmerk, dass ein Großteil des Vermögens aus Erbschaften stammt. Hierzu gibt es bereits einen sinnvolle Initiative von Vermögenden, die sich für eine angemessene Besteuerung von Reichen einsetzt: https://www.taxmenow.eu/unserearbeit
Auch die Steuertricks (Stichwort Steueroptimierung) sollte man nicht außer Acht lassen:
Mit den zusätzlichen Steuern könnten kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlastet werden, was anhand der immer stärkeren Ungleichheit und wachsenden Armut nur fair wäre.
Die plakative Grafik ist darauf zurückzuführen, dass es in Deutschland viele Familienunternehmen gibt. Außerdem werden in Deutschland vergleichsweise wenig neue große Unternehmen aufgebaut. In den USA gibt es z.B. regelmäßig neue Unternehmen
mit Milliardenbewertungen.
Also sagt die Grafik aus meiner Sicht ohne diesen Kontext wenig aus und definitiv nicht das, was sie vermutlich soll.
Das ändert doch nichts daran, dass es dort extrem viele Steuerschlupflöcher gibt:
„Der Grund dafür sind weitreichende Privilegien und Gestaltungsmöglichkeiten für superreiche Firmenerben. Denn besonders große Vermögen bestehen typischerweise aus Unternehmensvermögen, und gerade diese sind großzügig von der Erbschaftsteuer ausgenommen.“
Auch der Monitor-Beitrag dazu ist sehr empfehlenswert:
Hallo Phillis,
aus meiner Sicht gibt es 3 Verfahren, die sehr üblich sind.
- Sachwertverfahren
- Ertragswertverfahren
- Vergleichswertverfahren
Dein Punkt ist aber durchaus valide; eine „perfekte“ Lösung wird es nie geben, um alle Eventualitäten zu berücksichtigen.
Politisch müsste man sich auf ein Verfahren gesellschaftlich einigen.
Gruß
Redbeaver
Soll das etwa heißen, dass es Menschen gibt, die keinen Immobilienbesitz haben?
Nach dem Grundgesetz entscheidet der Gesetzgeber darüber, auf welcher gesetzlichen Grundlage er welche Steuern erhebt. Dazu gehört auch die Vermögenssteuer. Gegenebenfalls - wie bei deren Umsetzung - greift dabei auch das Bundesverfassungsgericht kontrollierend ein. Dass ein Staat zur Erhebung von Steuern ausreichende Informationen über die Besteuerungsgrundlage benötigt, liegt ja auf der Hand. Das umzudeuten zur Forderung nach einer „zentralen Lenkung“ der Wirtschaft ist einfach nur Polemik, hat aber mit der Diskussion ums Thema Vermögenssteuer nichts zu tun.
Man kann ja aus politischen Gründen (oder aus eigenen finanziellen Interessen) gegen eine Vermögenssteuer sein. Aber zu sagen, dass es sie nicht geben kann, weil es dem Staat nicht zusteht, zu wissen, über wie viel Vermögen seine Bürger verfügen, ist dasselbe wie zu sagen, der Staat darf keine Einkommenststeuer erheben, weil er kein Recht hat zu erfahren, wie viel ich verdiene.
Dass viele Verwaltungsabläufe wesentlich effizienter gestaltet werden könnten, stellt gerade hier glaube ich niemand infrage. Ich wäre zum Beispiel dafür, dass private Gutachten über Immmobilenwerte unter bestimmten Bedingungen öffentlich einsehbar sind, damit u. a. Verwaltungen die Daten entsprechend nutzen können. Es passt auch m. E. nicht zusammen, einerseits zu fordern, dass „alles auf den Prüfstand“ gehört, dann aber bei Neuregelungen nur auf die Mängel bei der Umsetzung abzuheben, ohne darauf einzugehen, dass die alte Berechnungsgrundlage bei der Grundsteuer vollkommen realitätsfremd war.
Das riecht für mich schon etwas nach einer Perspektive, die das Erheben von Steuern per se zu einem reinen Selbstzweck erklärt und Staatsausgaben per se als überflüssige Belastung ansieht.
Hi Phillis,
danke für deine Antwort.
Das ist ein Strohmann. Der Staat soll keinesfalls das zentrale Lenkorgan sein. Wenn die Konjunktur lahmt, es aber keinen staatlichen Bedarf nach z.B. Infrastruktur, Wehrtechnik usw. gibt, kann der Staat auch verschiedene Steuern senken, um den Bürgern mehr Kaufkraft zu geben. Dadurch dezentralisieren wir die Nachfrage.
Dazu gibt es doch heute schon ausreichend Informationen? Arbeitslosigkeit, Auftragsbestand der Industrie oder z.B. Einkaufsmanagerindex? Die eigene konjunkturelle Lage bewertet doch jeder OECD Staat. Der DDR-Vergleich ist ein Strohmann. Da wurden Angebot und Nachfrage staatlich festgelegt und Betriebe gehörten dem Staat. Davon redet ja keiner.
Ja, stimmt. Was sollte man deiner Meinung nach dann machen?
Das ist meiner Meinung nach Angst vor Freiheit. Der aufgeklärte, mündige Bürger läuft ja nicht einfach der Karotte vor der Nase nach. Dafür haben wir doch die öffentliche politische Debatte.
Da wird jetzt ziemlich viel in einem Topf geworfen. Ich finde den Punkt nicht nur sehr unkonkret, sondern es fühlt sich sehr nach schwarzer Rhetorik an. China beweist doch das Gegenbeispiel mit einem sehr aktiven Staat und einem gigantischen Zuwachs an Wohlstand und Wachstum (natürlich ist China keine Demokratie, kein Rechtsstaat und auf keinen Fall ein Vorbild).
Mit einer eigenen Währung können Staaten nicht pleite gehen. Solange die EZB die Eurostaaten mit Geld versorgt, ist das Ausfallrisiko bei 0%. Theoretisch können wir auch ganz auf Anleihen verzichten, indem Eurostaaten ihr Konto bei der EZB nicht ausgleichen müssen bzw. negative Kontostände haben dürfen. Dann braucht es auch keine Anleihe-Kaufprogramme. Warum die die Rendite auf deutsche Anleihen steigt, wird HIER ganz gut erklärt.
Sollte es die EZB deiner Meinung nach?
Die Grafik bezieht sich auf Income statt auf Vermögen. Einkommen sagt wenig bis nichts über Vermögen aus. Darüber hinaus fehlt mir der kausale Zusammenhang. Nur weil 2 zufällige Ereignisse in der Vergangenheit auf den gleichen Zeitpunkt fielen, kannst du nicht vom einen auf das andere schließen.
Das würde das Steuersystem völlig delegitimieren. Zumal die USA mit guten Beispiel vorangeht. Wer US-Bürger ist oder war, bleibt steuerpflichtig. Das nennt sich Citizenship-Based Taxation. In einem Staat, der Schwarzfahren unter Strafe stellt, kann Steuerflucht/-hinterziehung von Superreichen ebenso bekämpft und bestraft werden.
Es gibt zwei Länder auf dieser Welt die ihre Bürger auch im Ausland besteuern, Eritrea und die USA. Bisher hat sich das nicht weiter durchgesetzt, meiner Meinung nach aus gutem Grund.
Überspitzt gefragt – sind Bürger Eigentum des Staates? Diese Diskussion wurde auch in den 1940ern geführt, im Zusammenhang mit der Flüchtlingskonvention. Da ging es darum ob andere Staaten überhaupt Asyl gewähren dürfen oder ob Bürger in ihren Passstaat zurückkehren müssen wenn die Regierung das will. In manchen Ländern gibt es keine Möglichkeit eine Staatsbürgerschaft abzugeben (z.B. im Iran), wie passt das mit einer Steuerpflicht zusammen? Sind Staatsbürger wirklich nur Sklaven des Staates die man lebenslang zu Abgaben verpflichten kann, die Lebensplanung vorschreiben (wenn man eine Wohnung zu günstig vermietet, schreitet das Finanzamt ein, dasselbe müsste bei Teilzeitarbeit ohne guten Grund dann doch auch gelten)?
Weil der Bürger besteuert wird, ist er ja nicht Eigentum des Staates oder unfrei. Ich weiß, dass du es überspitzt formuliert hast, man ist aber doch nicht Sklave, weil man Steuern zahlt.
Ganz im Gegenteil: Wir genießen so viele Freiheiten, worum uns sicherlich viele Teile der Welt beneiden. Presse, Versammlung, Handlung, Meinung, Vereinigung und und und.
Nicht falsch verstehen: Ich finde es total richtig, bestimmte Steuern zu senken; auch schuldenfinanziert, wenn das die Konjunktur ankurbelt.
Es ist meiner Meinung nach nur nicht fair, wenn der Normalbürger seine Steuern zahlt und sich Superreiche durch Umzug ins Ausland (manchmal ja auch nur auf dem Papier …) oder die Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft einen leichten Fuß machen.
Das Einwohner in Deutschland Steuern zahlen macht sie sicher nicht zu Sklaven. Aber was ist der Anknüpfungspunkt für die Steuerpflicht von Einwohnern eines anderen Landes nur weil sie zufällig Deutsche Eltern hatten? Und an dem Punkt finde ich das eigentlich nur erklärlich, wenn man von der Staatsbürgerschaft als Eigentumsverhältnis ausgeht.