LdN 413 Windenergie in Deutschland

Liebes LdN-Team, liebes TalkdN-Forum,

ich arbeite bei einem Windkraftprojektierer und betreue Windprojekte vom Genehmigungsantrag bis zur Inbetriebnahme. In Eurer letzten Folge gab es einen tollen Beitrag zu den Fortschritten im Windkraftausbau aufgrund der Ampel-Reformen anlässlich der überzeichneten EEG-Ausschreibung. Ein paar Dinge sind mir aufgefallen, die vielleicht durch die prägnante Darstellung falsch verstanden werden könnten.
Bei 24:24 sagt Ulf „Windkraft wird versteigert […] das Recht Windkraftanlagen zu errichten unter den günstigen Bedingungen des EEG. Diese Lizenzen werden in Deutschland versteigert.“ Aus meiner Sicht gliedert sich das in zwei Schritte: Den Erhalt der BImSchG-Genehmigung (eine kompliziertere Baugenehmigung), die das Recht gibt Windkraftanlagen (WKA) zu errichten und dann die EEG-Ausschreibung. Die BImSchG-Genehmigung ist Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschreibung. In dieser Ausschreibung können Betreiberinnen sich für die EEG-Förderung ihres Stromes bewerben gemessen an der Anlagenkapazität. Das Recht zur Errichtung ist davon zwar unabhängig - in der Praxis errichtet aber eigentlich kein Projektierer einen Windpark ohne ein erfolgreiches Gebot, da der EEG-Zuschlag Grundvoraussetzung für eine Bankenfinanzierung ist.

Weiter sagt Ulf „Das Angebot [bei der EEG-Auktion] musste reduziert werden, weil es viel zu wenig Interesse gab, überhaupt WKA zu errichten.“ Da fühle ich mich genötigt zur Ehrenrettung der Projektiererinnen zu sagen, dass das Interesse da war, es aber an ausreichenden Genehmigungen mangelte (: Es gab also schlicht nicht genug genehmigte Projekte, um das Budget überhaupt auszureizen, weil die Verfahren sehr lang und kompliziert waren.

Ergänzung zur EU-NotfallVO: Die deutsche Fassung davon läuft voraussichtlich im Sommer 25 aus. Darin enthalten waren auch die vereinfachten Verfahren mit erleichterter Artenschutzprüfung.

In 28:24 Thema Änderung BNatschG beschreibt Ulf „Insbesondere kann auf Geländebegehungen von Gutachter:innen jetzt in der Regel verzichtet werden.“ Das stimmt, wenn man mit Hilfe der EU-Notfallverordnung beantragt (s.o.). Meistens kann man das zu dem Zeitpunkt, wo man eine avifaunistische Kartierung macht, aber noch gar nicht sagen. In der Praxis werden diese Begehungen daher immer noch regelmäßig durchgeführt.

In 28:35 sagt Philip „Auch das BauGB wurde [geändert] […] Erneuerbare Energien liegen nun im überragenden öffentlichen Interesse.“ Mini-Korrektur: das steht im EEG §2 (§ 2 EEG 2023 - Einzelnorm). In 29:11 geht dann das Interesse [Ulf sagt „priorisiert“] ein bisschen mit der Privilegierung im Außenbereich durcheinander. Dies ist tatsächlich ein BauGB Thema. Dort geht es darum, an welchem Ort man WKA errichten kann. Die Gefahr, dass WKA „überall“ stehen, ist auch durch diverse weitere Gesetze und Landesrichtlinien, z.B. Mindestabstandsgebote zur Wohnbebauung und Bauverbote in Naturschutzgebieten, eher gering.

Ich hoffe mit diesem Feedback könnt Ihr arbeiten und freue mich, dass Ihr das Thema auf Euer Agenda hattet (:

Vielen Dank für Eure Arbeit, ich freue mich jede Woche auf die Folge

Frohes Fest und schöne Weihnachtspause!

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Als jemand aus der Branche, findest Du, dass die Ampel hier gute Arbeit geleistet hat oder sind noch Wünsche offen? Was würdest Du Dir aus Branchensicht von der nächsten Regierung wünschen?

Mein Gefühl ist, dass die Branche relativ einstimmig der Ansicht ist, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen so gut sind, wie noch nie und das dies eigentlich ausschließlich auf die Ampelgesetzgebung zurückgeht. Bei manchen Themen sind die Gesetze sogar etwas über das Ziel hinausgeschossen. Trotzdem herrscht aktuell auch wieder Verunsicherung. Einerseits ob der neuen Regierungsbildung, aber auch unabhängig davon muss die EEG-Förderung spätestens 2027 reformiert werden, um EU-Rechtskonform zu werden. Bei der Umstellung auf das Auktionssystem wurde der Markt damals regelrecht abgewürgt, daher wird es spannend sein, wie die Änderungen aussehen.

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Hallo LdN-Team,

ich fand es sehr gut, dass ihr erwähnt habt, wie viel Strom die 11GW im Vergleich zur Atomkraft sind. Das kommt mir oft bei der öffentlichen Debatte zu kurz. Was mir aber noch fehlt - und auch das Vermisse ich in der öffentlichen Debatte - wie teuer ist die Errichtung von 11GW Solar oder Windenergie im Vergleich zu 11GW Atomkraft? Wie sieht es mit der Bauzeit aus und den Stromkosten im Folgenden aus?

Es wäre doch nur vorteilhaft, wenn man in der öffentlichen Debatte diese Informationen viel häufiger teilen würde. Wenn das Ergebnis nachher ist:

  • 1GW Solar kostet 5 Monate Errichtungszeit zu Kosten x.
  • 1GW Wind dauert 8 Monate Errichtungszeit zu Kosten x.
  • 1GW Atomkraft dauert 10 Jahre Errichtungszeit zu Kosten x.

Das resultiert dann darin, dass der Haushaltsstrom statt 40 Cent (Atom) 10 Cent (Wind) kostet und den Bürger um x Euro pro Jahr entlasten würde… das sind doch die Argumente die beim Wähler ankommen müssen.

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Ich glaube das Problem ist, dass es nur sehr ungenaue Schätzungen zu den Rückbaukosten von AKW gibt, da in Deutschland meines Wissens nach noch keins vollständig zurückgebaut wurde.

Bei Wind sind die Zahlen meiner Kenntnis nach in etwa so:
In den Ausschreibungen gibt es maximal 7.35 cent/kWh. Die werden aber noch erhöht, wenn man an „schlechten“ Standorten baut - im schlimmsten Fall um etwa 60%, also auf rund 12 cent. Aber auch mit 9 oder 10 cent sollten die meisten Projekte noch wirtschaftlich sein.
Gesamte Baustellenzeit sind etwa 1-2 Jahre zwischen Spatenstich und Inbetriebnahme. Dazu kommen noch die Zeiten der Genehmigung (die bei AKW auch länger sein dürfte) und Projektierung. Zahlen zu den Zeiten sind sehr unterschiedlich und wurden hier untersucht (Fachagentur Windenergie)

Ja, das stört mich allerdings immer in den Angaben. Ja, was die Spitzenlast angeht, ist der Vergleich korrekt. Allerdings Arbeiten EE Anlagen im Vergleich zu einem AKW selten mit Spitzenlast. Relevanter ist daher die produzierte Strommenge. Hier kann man folgende Faustformeln anwenden, um die produzierten Strommengen im Vergleich zu einem AKW zu beziffern

  • Wind an Land. Installierte Leistung/4
  • Wind auf See. Installierte Leistung/2,5
  • PV. Installierte Leistung/8
    Das schmälert den Erfolg des Ausbaus der EE auch nicht, da auch so jedes Jahr Strommengen mehrerer Atomkraftwerke zugebaut werden.

Das wäre natürlich hilfreich. Bei den Jahreszubaumengen sind das aber vermutlich kleine Beträge zumal die Berechnung komplex ist. Hier spielt die Nachfrage, die Wetterlage, CO2 Preise, Preise für Fossile Energieträger etc rein.

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Jap. Ich finde nur, dass die Betrachtung oft weggelassen wird und ich glaube da hinkt es dann in der Kommunikation, um den Menschen klar zu machen das EE nicht nur sicherer sind sondern am Ende um ein vielfaches günstiger. Da würde ich einfach gerne Studien zu sehen.

Im Endeffekt ist die Diskussion um AKWs politisch sowieso absurd, haben doch die großen Energieversorger bereits gesagt, dass diese sich nicht lohnen und es ein zurück zur Atomkraft (zum Glück) nicht mehr geben wird.

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ENBW Chef hat gerade gesagt, dass es das nur gibt, wenn es politische Absicherung gibt und frühestens ist das erste neue AKW dann in 20 Jahren fertig. Also extreme staatliche Subventionen. Bin gespannt, was nach der Wahl passiert :wink:

Zu den Kosten von Stromerzeugung gibts ne Studie vom ISE, die alle Erzeugungskosten vergleicht. Kann man jetzt Befangenheit nachsagen. Fakt ist, dass PV, Batterie und Wind in der Tendenz weiter günstiger werden und sich das Verhältnis also weiter zu Gunsten der EE entwickeln wird.

Photovoltaik mit Batteriespeicher günstiger als konventionelle Kraftwerke - Fraunhofer ISE

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Anmerkung zu [26:47]
die Aussage „11 GW Windenergie würde in etwa 11 AKWs antsprechen“
kann man so nicht stehen lassen. Es wurde angemerkt, dass dies natürlich
nur die Peak Leistung betrifft und genau das ist das Problem:

ein AKW generiert etwa 10 TWh Energie pro Jahr, dh 11 Stück würden 110 TWh Energie erzeugen
11 GW onshore Wind würden aber gerade einmal 24 TWh Energie erzeugen zudem auch noch deutlich „fragmentierter“, dh schwerer zu planen

du machst hier genau den gleichen Fehler, die Peak-Leistung eignet sich wie oben dargelegt nicht als Vergleichsfaktor

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