Du nimmst hier den „polemischten“ Artikel mit der wahrscheinlich weitgehensten Position aus meinem Post. Mein Post sind nicht zwei seiten, das sind verschiedene Perspektiven darauf warum das BverfG Urteil rechtlich problematisch ist.
Ich bin mir zwar der normativen Aufladung des Patrichatbegriffs bewusst, man sollte sich allerdings vor augen halten, dass es hierbei stets um die struktur geht und nicht um eine persönliche Charakterschwäche, weshalb ich das weniger als diffamierung sehe. Jetzt kann ich natürlich leuten ihre Brüskierung nicht absprechen, aber wenn man sich hier auf subjektive Wahrnehmung beruft ist es schwer sich nicht zugleich des tone policing schuldig zu machen. Selektive Entrüstung ist uncool.
Allerdings gilt auch grundsätzlich Polemik ist einer Debatte inhärent und öffentlicher Austausch ist meist mehr Debatte denn Diskurs. Auf dem Marktplatz der Ideen wird auch mal rumgeschrien, wenn auch in Grenzen Obwohl diese charakterisierung Waplers doch rechtharmlosen Zuspitzung nicht so wirklich gerecht wird.
Ob der ideologische Hinetrgrund jetzt eine unterstellung ist, hängt wohl von der jeweiligen Analyse ab. Es sei jedoch erwähnt dass bei beiden Urteilen, die „Parteizugehörigkeit“ der Richter*innen nicht ganz irrelevant war. Was du jetzt daraus lesen willst sei dir überlassen.
Was allerdings alle Beiträge meines Posts gemein haben und du misszuverstehen scheinst ist die Rechtsgüterabwägung. Die Beträge greifen nicht Rechtsgüterabwägung sondern die Konstruktion des Fetus als gegenüber der Frau in der Frühühase der Schwangerschaft an. Wapler mag es etwas zugespitzt als Zaubertrick bezeichnen, während das Sondervotum und Lembke es als Widerspruch zum Konzept der „Einheit in Zweitheit“ stärker in der Rechtsprechung selbst verankern. Die Kritik bleibt jedoch die selbe und verweist eben darauf dass die gegenüberstellung der Rechtssubjekte selbst schon das Problem ist. Die Urteile erzeugen hier das Problem der Rechtgüterabwägung selbst erst durch die Konstruktion der Gegenüberstellung. Das ist es was Wapler als Zaubertrick bezeichnet, die unitutive Konstruktion der Zweiheit von Beginn der Schwangerschaft an. Der oben genannte sittlichkeitsverweis des Sondervotums spielt auf die selbe rein konstruierte Natur dieses Problems an.
Daher schriebt das Sondervotum zutreffend:
" Das einzigartige Zuordnungsproblem der „Zweiheit in Einheit“ kann grundrechtlich auch nicht annähernd in einer bloßen Gegenüberstellung von Embryo und Frau eingefangen werden. Ihre eigene grundrechtliche Lage ist vielmehr ihrem Wesen nach durch die Verantwortung für das andere Leben mit-bestimmt, weil sie dieses Leben in sich trägt."
Wapler liefert lediglich eine Herleitung zum Ursprung der spezifischen Interpretation der „Einheit in Zweiheit“ welche das Urteil verwendet. Du magst das anders sehen, aber der Verweis auf die Rechtsgüterabwägung läuft ins leere sofern du nicht eine alternative und saliente Begründung für die spezifische Interpretation der „Einheit in Zweiheit“ des Urteils hast. Wapler, Lembke und das Sondervotum beziehen sich auf die medizinischen Fakten bzw. den allgemeinen Ablauf einer Schwangerschaft in ihrer Begründung. Falls du hier eine alternative Begründung hast die hinreichend entkoppelt ist von ideologisch-kulturellen oder religösen vorstellungen, dann lass gerne hören.
Hinzu kommt dass das sondervotum auch explizit darauf verweist, dass der Lebensschutz nicht rein abstrakt sein darf sondern praktisch wirkung entfalten muss bzw der abstrakte Lebenschutz den praktischen nicht unterminieren darf, indem er der Frau durch rechtswidrigkeit die Letztentscheidung nicht zugesteht sondern diese lediglich als außerhalb der rechtsordnung stehenden Notfall toleriert :
„Ob die Ausübung der staatlichen Schutzpflicht im Modus der Beratung stärker wirkt oder nicht, kann nur empirisch beurteilt werden. Maßgebend ist, daß der Staat nicht auf inadäquate Weise schützt; dies ist der Vorwurf gegenüber der Indikationenregelung, der zu der Konzeption des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes geführt hat. Der Schutz muß nach der vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers in einem realen Sinne wirksam sein Mit dem Senat sind wir der Meinung, daß die Einschätzung des Gesetzgebers, in der Frühphase besser durch die Beratung, in der darauffolgenden besser durch das Strafrecht schützen zu können, vertretbar ist.“
[…]
„Der Staat kann in der Frühphase der Schwangerschaft Schutz für das ungeborene Leben nur dadurch bewirken, daß er die Frau als seine Verbündete bei der Erfüllung seiner Schutzaufgabe gewinnt. Das kann nur gelingen, wenn er sie in ihrer Fähigkeit zu verantwortungsvoller Entscheidung sowie in ihrer besonderen Befindlichkeit am Beginn einer Schwangerschaft ernst nimmt.“