So viel ich auch von Robert Habeck und vielen seiner Positionen halte - ich finde es immer schwer fassbar, dass jemand, der seit Jahren Wirtschaftsminister ist, so schlechte Antworten auf das Thema Inflation hat. Er sagt, gegen die Inflation müssten die Zinsen erhöht werden - das Standard-Rezept - und missachtet dabei, dass das bei einer angebotsseitigen Inflation wegen hoher Energie-, Rohstoff- oder andere Güterpreise eher zu einer Verschlimmerung der Lage führt. Gleichzeitig beklagt er dann den Investitionsstau und sagt sogar selber, dass höhere Zinsen Investitionen erschweren, der Widerspruch ist offensichtlich. Isabella Weber, die ja gerade in vielen Podcasts etc. unterwegs ist, wiederholt gebetsmühlenartig die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Inflationsursachen zu unterscheiden. Schade, dass das Lage-Duo da nicht nochmal kritisch nachgehakt hat, obwohl Weber ja sogar in der Lage zu Gast war vor kurzem.
Ich sag mal so: im Interview klingt er durchaus selbstkritisch und lernfähig.
Allerdings hab ich immer noch nicht das Gefühl, da einen wirklich in Wirtschaftsfragen kompetenten Wirtschaftsminister zu hören. Vieles klingt simplifiziert oder oft nicht wirklich logisch oder durchdacht.
Die Frage ist, was ist die Alternative nach der kommenden Wahl?
Dobrindt? Spahn?
Beruhigt mich jetzt auch nicht wirklich…
Ich finde es schon wieder teilweise übertrieben, mit welchen Ansprüchen man speziell hier im Forum auf Habeck blickt.
Ich fand das Interview schon sehr klar, mit gut erläuterten Zusammenhängen, auch innerhalb der politischen Ebenen.
Welcher SPD und CDU Spitzenpolitiker würde denn so klar, und eben nicht ausweichend, antworten wie Habeck?
Dazu sollte man auch immer bedenken, dass die Grünen ihren Parteitag für das Wahlprogramm noch nicht hatten.
Haben wir eine angebotseitige Inflation? Bei Energie zumindest nach meinem Stand nicht.
Wie kommst du darauf?
Die Gaspreisen waren der Treiber für die Inflation. Damit zusammen hängen auch bzw sind betroffen die Strompreise, Lebensmittelpreise etc.
Aktuell liegt der Gaspreis doppelt so hoch wie vor der Verknappung durch Russland und ist seit Anfang 24 auch wieder stark gestiegen.
Gerade mit Blick auf das Politik- und Verantwortungsverständnis sehe ich keinen anderen SpitzenkandidatIn, der/die es ihm gleich tun könnte.
Weitsicht statt kurzfristiger Machterhalt
Teamplayer statt Einzelkämpfer
Pragmatismus statt Sturheit
Die Analyse der Union fand ich auch spannend. Was erwartet der Wähler von der Union? Man weiß ja gar nicht was da hinten rauskommt.
Das teile ich. Aber nur weil ich andere Leute wesentlich schlimmer finde als Habeck, kann ich ja trotzdem eine seiner Positionen inhaltlich kritisieren. Schließt sich doch nicht aus. Und ich finde es keinen überzogenen Anspruch, von einem Wirtschaftsminister, der Kanzler werden will, eine sinnvolle Position zu einem so zentralen wirtschaftspolitischen Thema wie Inflation zu erwarten.
Du sagst es, sie waren der Treiber für die Inflation. Aktuell ist die Inflation wieder recht niedrig. Heißt nur wenn wir zukünftig wieder eine stärkere Inflation bekämen und diese durch Energiepreise getrieben wäre, dann wäre eine Zinssenkung vermutlich keine geeignete Maßnahme. Wenn man aber davon ausgeht, dass wir moderat steigende Energiepreise haben werden, die die Inflation nur mäßig beeinflussen, dann sind Zinssenkungen doch ein probates Mittel. Zumindest im Bereich Neubauten und Investitionen erzielt man dort positive Effekte.
Ja, durchaus. Die Inflation wurde in Gang gesetzt durch Preisschocks bei Energie und Rohstoffen. Sie wurde weiter befeuert dadurch, dass Unternehmen diese „Gelegenheit“ genutzt haben, um Preiserhöhungen umzusetzen (nicht nur kostendeckend, sondern auch Gewinnerhöhungen). Isabella Weber nennt das „Verkäuferinflation“. Darauf aufbauend kann es dann Lohn-Preis-Spiralen usw. geben, auslösend ist aber ein zu knappes Angebot wichtiger Güter, das sich nicht erhöht davon, wenn als Reaktion die Zinsen erhöht werden.
Zum genaueren Nachlesen:
Zinssenkungen sind sowieso kein Mittel gegen Inflation meines Wissens, oder? Du meinst Zinssteigerungen wahrscheinlich? Und die erschweren Neubauten, Investitionen etc. doch eher.
Es gab nie eine Lohn-Preis-Spirale, da die Löhne nicht mal ansatzweise auf die Kaufkraft vor der Inflation angepasst wurden. Es waren schon immer Gewinn-Preis-Spiralen. Natürlich wird von Arbeitgebern lieber die Lüge von den Löhnen erzählt, sonst müsste man am Ende noch fair bezahlen.
Äh, ja. Da ging was durcheinander bei mir. Sorry. Was ich sagen möchte ist, dass Habeck gefragt wurde, was er (als Kanzler) gegen die Inflation machen möchte. Also gegen die zukünftige Inflation. Die Argumentation von Dir beruhte jedoch auf einer Analyse der Vergangenheit. In der Vergangenheit gab es ja auch die Gaspreisbremse gegen die Inflation, die Habeck ja auch durchgesetzt hat. Eine Neuauflage der Gaspreisbremse im Jahr 2025 oder 2026 sehe ich jetzt aber noch nicht.
Zinssteigerung wirkt auch nur, wenn es eine nachfragegetriebene Preissteigerung und Vollbeschäftigung gibt. Dann kann es zu einer Lohn Preis Spirale kommen. Dann hilft es die Wirtschaft durch gestiegene Zinsen auszubremsen.
Die EZB hat hier sogar genauso argumentiert. Wie erhöhen die Zinsen und erwarten wirtschaftlichen Abschwung. Da kann dann Habeck oder welcher Kanzler auch immer nicht viel tun. Eig müsste die EZB ihren Werkzeugkasten überdenken
Das Problem sehe ich ganz woanders. Während wir eine europäische Währungsunion haben, sind wir Finanz- und Wirtschaftspolitisch immer noch ehr egoistische Einzelstaaten anstatt ein Europa. Da ist klar, dass gesamteuropäische Maßnahmen der EZB zu extrem unterschiedlichen Effekten in den einzelnen Volkswirtschaften führen.
Was heißt das konkret? Also was schlägst du vor? Gemeinsame Finanztöpfe/Schulden?
Die Energiepreise und Inflation waren ja erstmal überall hoch, daher die Maßnahme der EZB aus ihrer Sicht gerechtfertigt
Das Spannende an Inflation ist ja, dass es als selbstverständlich erachtet wird. Siehe das ca. 2% der EZB, was am Ende nichts anderes heißt, das Waren eines Warenkorbs gemittelt immer Preissteigerungen druchführen durchführen dürfen. Das Ganz im Zinseszinsverfahren jährlich.
Sinkende Preise gelten als toxisch da Sie pauschal als Indikator für einen schwachen Markt gesehen werden. Wenn Firmen Ihre Preise nicht mehr halten können, können Sie dem Personal nicht mehr mehr bezahlen und müssen daher bald Schrumpfen und Arbeitsplätze streichen.
Das mag in manchen Fällen so sein, aber das ist kein Automatismus. Wenn eine Firma günstiger einkaufen kann und effektiver produzieren kann, entsteht erstmal kein betriebswirtschaftlicher Zwang die Preise zu erhöhen. Sie könnte Sie belassen, senken oder doch steigern weil man darf ja durch das EZB Ziel und alle sowieso jährliche Preissteigerungen erwarten.
Man darf auch nicht außer acht lassen, das sinkende und stagnierende Preise indirekt mit stagnierenden und sinkenden Steuereinnahmen einhergehen würden. Daher hat der Staat vorrangig garkeinen Anreiz das effektivität zu geringeren Preisen führt!
Man kann es auch so sehen:
Eine Inflation von 2% bedeutet, dass Waren, die ihren Preis behalten um 2% billiger geworden sind.
Denn nicht nur die Waren werden teurer, sondern auch Geld billiger.
Es gibt mW auch technische Gründe für die „Zielmarke“. Neben einem „Sicherheitsabstand“ zur Deflation wird es tlw. damit begründet, dass man so für Qualitätssteigerungen kontrolliert, die im Warenkorb nicht sichtbar sind.
Fiktives Bsp.: Alle Fernseher kosten heute etwas mehr als vor 5 Jahren - auch der günstigste Fernseher ist aber noch mit WLAN und Smart-TV-Fähigkeiten ausgestattet. Vor 5 Jahren war das nicht der Fall. Bekommt man also heute mehr für sein Geld als vor 5 Jahren oder weniger?
Welches Motiv jetzt überwiegend das Ziel der EZB begründet, kann ich nicht sagen.
Das ist zwar technisch richtig, praktisch wird die Inflation aber an Preissteigerung gemessen und nicht an Real-Verlusten oder bin ich da falsch. Gern korrigieren
Für diesen Zusammenhang würde ich gern mal eine Studie sehen die das belegt. Das mag in Einzelfällen zutreffen aber das dies eine Steuerwirkung auf Innovation hätte glaube ich nur bedingt. Grundsätzlich steht ja jedem frei soviel zu verlangen wie er will, solange er genug Abnehmer findet die das bezahlen.
Aber oft ist es auch so, das Neue Technologien nach einer gewissen Zeit von sich aus günstiger sind als alte Technologien weil Sie sich entweder leichter Herstellen lassen, die benötigten Stoffe günstiger sind oder mehr maschinell produziert werden kann. Dafür braucht ich keine jährliche Preissteigerung. Wie gesagt das ist ja Zinseszins!