Ich bin seit rund fünf Jahren Lagehörer und großer Fan eures Formats. Eine der Sachen, die ich am meisten an der Lage schätze, ist die kritische Auseinandersetzung mit Themen und Personen etwas abseits der eigenen politischen Überzeugungen, ich denke, hier leistet die Lage einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Meinungsbildung und der Bildung demokratischer Werte. In besonderer Erinnerung sind mir in dieser Hinsicht z.B. das Interview mit Strack-Zimmermann oder natürlich Svenja Schulze geblieben.
Vor diesem Hintergrund finde ich es schade, dass man die wichtige Diskussion über eine Kehrtwende der deutschen Wirtschaft ausgerechnet mit einer Partei führt, die aller Voraussicht nach deutlich unter der Fünfprozenthürde landen wird, deren Ideen zu einer Wirtschaftswende sich unter den Stichpunkten mehr Planung, Umverteilung und Preisdeckel zusammenfassen lassen und deren Einstellung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine völlig befreit von den historischen Lehren der gescheiterten britischen Appeasement-Politik Ende der 30er Jahre ist. Was mich daran enttäuscht, ist nicht die Tatsache, dass man einer Partei eine Plattform gibt, mit deren Ideen ich mich nicht identifizieren kann; es ist die Tatsache, dass diese Partei für den derzeitigen politischen Diskurs (aus guten Gründen) quasi belanglos geworden ist und dass sich die Lage in der Vergangenheit häufig dadurch ausgezeichnet hat, Ideen und Diskussionen Raum zu geben, die aufgrund der politischen Orientierung der Lage links der Mitte Anlass zu interessanten Diskussionen gaben. Diesem Anspruch wird die Linke meiner Meinung nach (mit der Ausnahme einiger Vertreter wie Herrn Gysi) nicht gerecht.
Für den aktuellen Diskurs zur wirtschaftlichen Entwicklung spielen maßgeblich konservative und neoliberale Stimmen eine gewichtige Rolle, von der Lage hätte ich mir deshalb gewünscht, dass man die eigene Reichweite nutzt, um diese Ideen kritisch zu hinterfragen, um damit zu der Diskussion der Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft beizutragen. Eine Diskussion mit der Linken finde ich vor diesem Hintergrund aufgrund ihrer Distanz zu marktwirtschaftlichen Prinzipien sowie ihrer politischen Bedeutungslosigkeit nicht zielführend.
Ich schätze die Lage sehr und möchte euch für eure unschätzbar wertvolle Arbeit danken. Vor allem eure allzeit kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit finde ich lobenswert und hoffe, dass ich mit diesem Text einen kleinen Beitrag dazu leisten kann.
Ich muss zugeben, ich habe Frau Schwerdtners Lösungsansatz zur Beendigung des Ukraine-Konflikts nicht verstanden.
Das war alles sehr nebulös-theoretisch und bezog sich kaum auf die realen Gegebenheiten.
Dennoch finde ich die Gedanken wichtig.
Ich sehe aktuell überhaupt gar nicht, wie man Russland „besiegen“, in seine Schranken verweisen soll. Die Lage verschlechtert sich. Viele bisher vorsichtige Experten (oder solche, die sich dafür halten) beginnen, vom dritten Weltkrieg zu sprechen. So weit hergeholt ist das jetzt nicht mehr.
Man muss nicht Ines Schwerdtners Meinung teilen, aber sie redet nicht wie BSW, sondern gibt einfach nur den Menschen in Deutschland eine Stimme, denen der aktuelle absolute militaristische Ton (sogar im Planungspapier der FDP… meine Güte ) nicht entgegenkommt. Das finde ich eben auch wichtig.
Angst vor einer bestimmten Position der Linken muss man auch nicht haben, da sie sicherlich nicht Teil einer Regierungskoalition wird. Also lasst ihnen doch einfach auch eine Bühne
Ich habe Sie so verstanden, dass man eben alles Probieren soll. Nicht mehr und nicht weniger. Sprich nicht Aufrüsten oder Diplomatie, sondern eben beides.
Aber ja, ich glaube wir sollten nicht vergessen, dass es ein relativ kurzes Interview mit vielen unterschiedlichen Themen war.
Die Kürze solcher Interviews ist wohl immer ein Probkem. Mehr als „wir müssen mehr verhandeln“, was ja niemand bestreitet, kommt selten dabei rum.
Bei der Frage „Wie machen wir das konkret“ (wo es eigentlich interessant wird) ist keine Zeit mehr da.
Unbefriedigend…
Vielen Dank für das erhellende Interview. Ich denke, die Realitätsferne wird am deutlichsten in der Aussage: die Bevölkerung in den besetzten Gebieten über ihr Schicksal abstimmen zu lassen. Klar, da war wieder der Talking-Point der Linken: demokratische Selbstbestimmung, aber wer wird denn da abstimmen? Aktuell mehren sich die Berichte über Hinrichtung von ukrainischen POWs. Offenbar ist mittlerweile jedes Mittel recht. Wie frei und unabhängig da die noch wenigen verbliebenen Zivilisten abstimmen - ich hab da einen vorsichtigen Verdacht.
Was mich aber entsetzt hat, sie hat immer gesagt, Waffenlieferungen an die Ukraine würden deren Vordringen (auf russisches Gebiet?) unterstützen. Aktuell ist es doch eher so, dass die Waffen verhindern, das Russland in wenigen Wochen in Kiew einmarschiert. Einschließlich der schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung.
Auf jeden Fall, das will ihr ja auch niemand verwehren.
Aber egal welche Seite man fragt, ob die Befürworter von Friedensverhandlungen first oder weiterer Waffenlieferungen: beide Seiten scheinen bis auf oberflächliche Floskeln keinen wirklichen Plan zu haben.
Und das unausgesprochene auszusprechen traut sich keiner.
Entweder militärisch all-in, ggf mit westlichen Truppen, oder die Ukraine zur Kapitulation und Aufgabe ihres Staates zu zwingen, damit „Frieden“ ist.
Alles dazwischen bleibt wahrscheinlich zwangsläufig nebulös, weil es da offenbar keine greifbare Lösung gibt.
Selbst das ist völkerrechtlich kein Problem. Sondern ein politisches.
Ukraine muss jederzeit mit Angriffen entlang der gesamten Grenze mit Russland und Belarus rechnen, darf selbst aber dort nicht angreifen. Muss also dort Personal bereithalten, Russland auf der anderen Seite aber nicht.
Was sagen die Diplomatieforderer eigentlich über die angestoßenen Friedenskonferenzen? Oder die Friedensbemühungen Südafrikas und Brasiliens? Diese Behauptung es gäbe keine Verhandlungen oder Diplomatieversuche ist sowas von haltlos.
„Es muss zu einer Verhandlungslösung kommen, das sagen mittlerweile alle, selbst die stärksten Militaristen sagen es muss zu einer Verhandlungslösung kommen“ Kein Militärexperte, den ich in den letzten Jahren angehört habe, hat jemals gesagt, dass es keine Verhandlung braucht.
Viele sagen doch es müsse endlich verhandelt werden, damit es Frieden gibt, statt Waffen zu liefern. Damit tun sie so, als würde es keine diplomatischen Bemühungen geben. Sie werden auch nie gefragt was sie zu den ganzen diplomatischen Bemühungen sagen, die es gab und die gescheitert sind.
Stimmt. Sie erzählt halt weiter, dass nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft würden. Das ist wie beten: wenn es nicht hilft, muss man eben mehr beten. Kann man immer behaupten und nie wirklich widerlegen, egal, wie eindeutig Verhandlungen am komplett fehlenden Interesse der Russen überhaupt zu verhandeln, scheitern. Genauso der Wunderglaube, dass Russland (!) bewegt werden könnte, in den besetzten Gebieten die Russifizierung zu stoppen, sich irgendeiner wirksamen Kontrolle durch un oder anderer unterwerfen und das Risiko eingehen in wirklich freien Abstimmungen der ursprünglichen Bewohner die erkämpften Gebiete abgeben zu müssen… durch „Druck“ Chinas, des anderen großen Leuchtturms, freier und fairer Abstimmungen, das grade anfängt, offen Waffen zu liefern. Ist klar.
Ich würde bestreiten, dass das die Alternativen sind. Der Westen wäre ohne weiteres in der Lage, die Ukraine in relativ überschaubarer Zeit so umfangreich und hochwertig auszurüsten, dass die auch ohne westliche Truppen gewinnen würden. Will und wollte man nicht, aber all in war und ist nicht notwendig.
Das eigentliche Problem der militärischen Lösung ist, dass man für die Lieferungen über die russischen Nukleardrohungen hinweg gehen müsste. Verstehe die Ängste, aber ich hab mehr Angst vor einer Welt, in der man Überfälle nuklear absichern kann.
Sehe ich auch eher nicht als „Alternativen“, sondern als die beiden Enden der Möglichkeiten.
Alles dazwischen ist allerdings so komplex, das es da keine einfache Lösung gibt
Wo liegt die Komplexität? Die Ukraine braucht für die Rekrutierung und Ausbildung Zeit, der Westen für Produktion, Lieferungen und Weiterbildung der Ukrainer. Sagen wir alles in allem vielleicht noch ein Jahr. Wenn man sich wirklich dazu entschlösse, diesen Weg zu gehen, macht man einen Doppelbeschluss: In einem Jahr hat die Ukraine genug f16 (f35 wären nicht mal nötig) in Vollausstattung, um die Lufthoheit zu übernehmen, Luftabwehr, Marschflugkörper, Artillerie, Fahrzeuge, Munition etc. Einsatzbeschränkungen sind allein die Grenzen des Kriegsvölkerrechts. Bis dahin hat Russland Zeit, eine friedliche Konfliktlösung auszuhandeln, danach wird es den Krieg ganz ohne Zweifel sehr schnell und sehr schmerzhaft verlieren. Wenn es darauf mit Angriffen auf die Nato reagiert, wird die sich proportional verteidigen. Das einzig „Komplexe“ dabei: Man müsste die Nukleare Erpressung der Russen konsequent ignorieren.
Schwerdtner hat insgesamt in dem Interview keine besonders gute Figur gemacht und insbesondere beim Ukraineteil wirkte es auf mich, als suche sie verzweifelt irgendeine „Mittelposition“ zwischen Wagenknecht, klassischem Antiimperialismus und dem Scholz’schen Friedensgeraune. Dabei blieb sie leider erschreckend nahe an den Positionen der Erstgenannten. Zum Beispiel der Punkt mit Referenden in den besetzen Gebieten (die zum großen Teil natürlich längst ethnisch bzw. politisch „gesäubert“ sind) ist etwa 1:1 von Wagenknecht übernommen, ebenso die großen Hoffnungen, die sie in Brasilien oder China setzt - natürlich ohne sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass China zu den wichtigsten Unterstützern Putins gehört.
Kurzum: Ich hatte nach dem Wechsel der Parteispitze mal kurz überlegt, ob die Linke im Februar für mich wählbar ist, gerade weil ich grundsätzlich finde, dass linke Positionen auch weiter im Bundestag vertreten sein sollten. Aber wenn ich so etwas höre, verabschiede ich mich wieder ganz schnell von dem Gedanken.
wieviel und wie schnell kann unsere Rüstungsindustrie produzieren?
wer finanziert diese Lieferungen angesichts zunehmend leerer Kassen?
was davon brauchen wir ggf auch selbst angesichts weitgehend runter gewirtschafteter Armeen in Europa?
wie rational reagiert Russland, wenn es sich beim abermaligen Wettrüsten wirtschaftlich wieder an den Rand des Ruins bringt (der Rubel steht grad wieder zunehmend schlechter da).
wieviel Entgegenkommen kann man von Russland erwarten, wenn er irgendwie als Sieger aus der Nummer rauskommen muss, und sind wir das bereit zu akzeptieren?
Aber ist irgendeiner dieser Punkte neu? Das alles hätte man doch am 25. Februar 2022 alles schon 1:1 so formulieren können - und es gibt auch Menschen, die das getan haben, nur dass der Westen in zweieinhalb Jahren nicht in der Lage war, auch nur einen dieser Punkte eindeutig und ehrlich zu beantworten.
Nein, neu ist davon nichts. Aber immer noch offene Fragen.
Weil es kein klares Ziel gibt.
Genauso bei möglichen Verhandlungen. Was wäre da unser Ziel? Was will die Ukraine? Was ist für Putin verhandelbar? Was für Kompromisse sind überhaupt realistisch?
Kann man nur rausfinden, wenn man miteinander redet. Nur müssen das alle Beteiligten wollen.
Die Hürde gilt es zuerst zu nehmen.
Scheint nicht so einfach zu sein, selbst Frau Schwerdtner sagt ja das das ein Anruf da nicht reichen wird…
Wer ist „wir“? Der Westen? Deutschland? Die (ehemalige) Bundesregierung? Die SPD? Schon bei diesen vier „wirs“ dürfte es sehr viele unterschiedliche Ziele und interessen gaben.
Was die Ukraine will ist dagegen ziemlich klar.
Und was Putin will auch.
Ich würde mal sagen, wenn eine Seite klar hat was sie will, und bereit ist dafür (fast) alles zu geben, aber auf der anderen Seite a) jemand ist, der will, aber nicht alleine kann und b) Partner, bei denen unklar ist, welches Ziel sie haben und wie man das erreichen könnte, kann dabei kein Kompromiss herauskommen, der wirklich gut ist.