LdN 404 Wie geht's weiter mit der Ampel?

Ich fand eure Verarbeitung des Themas Ampelende in der aktuellen Folge witzig und ausgesprochen interessant.

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Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: Ampelende? Wie würde es in diesem Fall mit dem Haushalt 2025 weitergehen?

Ja, aber inhaltlich doch bitter.

Wie sie in der Lage schon sagten:

Das Grundgesetz sieht eigentlich keine Neuwahlen vor, wenn eine Koalition zerbricht.
(…)
Die Union würde also über einen Daumen fünf Prozentpunkte mehr bekommen als bei der letzten Bundestagswahl, während die Ampel-Parteien zusammen rund 20 Prozentpunkte verlieren würden.
Vor diesem Hintergrund hätte die Union natürlich gar kein Interesse daran, eine solche Minderheitsregierung zu tolerieren oder auch nur fallweise zu unterstützen.

Wäre eine solche Fundamentalopposition der Union dann nicht verfassungswidrig?

Ja, das Problem ist aber, dass der Bundestag sich nicht selber auflösen kann.
(…)
Also da muss er [der Bundeskanzler] antreten, wissend, dass er eben die Mehrheit des Bundestages nicht mehr hinter sich bekommt. Erst dann könnte Steinmeier der Bundespräsident den Bundestag auflösen

In Erinnerung and die Weimarer Republik, die sich durch Fundamentalopposition und Weigerung zur Zusammenarbeit selbst zerlegt hat (zumindest wurde es uns so in der Schule erzählt): könnte das Verfassungsgericht eine dritte „Pseudo-Vertrauensfrage“ in der Bundesrepublik verhindern?

Oder hätten wir, falls es zu der in der Lage beschriebenen Minderheitenregierung aus SPD und Grünen kommen würde nicht sogar zum ersten mal den Fall, dass wirklich eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten dem Kanzler nicht vertrauen?

Seltsame Frage - wenn ich’s mal umformuliere: „Wäre eine solche Fundamentalopposition der AfD dann nicht verfassungswidrig?“

Das Grundgesetz ist hier klar: nur der Kanzler selbst kann den Antrag stellen. Jedoch keine Regel ohne Ausnahme: Es gibt einen Fall aus dem Fall 1966 - damals war die Koalition zwischen CDU und FDP nach ca einem Jahr seit der letzten Bundestagswahl zerbrochen. Ludwig Erhard war Kanzler. Die damalige Opposition (SPD) brachte einen Antrag ein, dass der noch amtierende Bundeskanzler doch eine Vertrauensfrage stellen möge. Der Antrag wurde zwar angenommen, aber Erhard stellte keine Vertrauensfrage ( vgl. (https://dserver.bundestag.de/btp/05/05070.pdf) - Der große Unterschied war, die Legislatur noch sehr jung war und CDU und SPD sich wenige Wochen später auf die Bildung einer GroKo unter dem Bundeskanzler Kiesinger einigen konnten.

Das große Dilemma jetzt ist, dass es die Ampel Partner sehr viel verlieren würden, und die CDU zumindest in den Umfragen so stark ist, dass sie sich nicht vorstellen kann in eine Regierung unter SPD Führung einzutreten. Hinzu kommt dass die Legislatur ja wirklich kurz vor dem Auslaufen steht und wahrscheinlich der „Overhead“ einer neuen Regierungsbildung diese Zeit so auffressen würde, dass eine Übergangsregierung den betroffenen nicht sinnvoll erscheint.

Was mir noch einfallen würde wäre, dass die CDU einen Antrag auf konstruktives Misstrauensvotum stellt mit der Gefahr mit AfD Stimmen zum Kanzler gewählt zu werden. Merz müsste dann (analog Kohl 1982) die Vertrauensfrage instrumentalisieren um die Auflösung des Bundestags zu erreichen und so zu Neuwahlen zu kommen. Voraussetzung wäre das der Bundespräsident mitspielt und die Medien / Parteien Merz nicht zum Steigbügelhalter einer AfD gedulteten Regierung erklären. Die Union will das sicherlich vermeiden und hofft auf die Ampel Implosion.

Sehr vertrackt und Verlierer ist die demokratische Kultur in unserem Land.

Ich kann den ganzen Quatsch vom Ampelende nicht mehr hören.
Wenn wir nur einen minimalen Anteil der Diskussion um dieses Nichtereignis mal in eine vernünftige Diskussion über die Anpassung an die Klimaveränderungen, die Veränderung in der Migrationspolitik und in eine vernünftige Wirtschaftspolitik gesteckt hätten wäre uns mehr geholfen.

Ich könnte jedes Mal den Interviewern ins Gesicht springen, wenn bei der kleinsten Unstimmigkeit nicht nach dieser Unstimmigkeit im Detail gefragt wird, sondern immer nur „ist die Ampel am Ende?“

Was sollen diese Diskussion bringen? Das ist reinste Selbstbeschäftigung der Politik und der politischen Berichterstattung über sich selbst.

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Warum sollte es verfassungswidrig sein, wenn die Union eine Poltik nicht unterstützen will, die sie als größte Oppositionspartei seit jahren öffentlich vehement ablehnt?
Nein, die Verfassung sieht nicht vor, dass Abgeordnete für irgendetwas stimmen müssen, wenn sie nicht davon überzeugt sind. Das wurde u. a. nach Klagen der AfD wegen Wahlen für bestimmte Gremien erst kürzlich nochmal höchstgerichtlich klargestellt.

Die Weimarer Republik ist daran gescheitert, dass es zahlreiche politische Akteure gab, die die geltende Verfassung im Kern abgelehnt haben. Ich hoffe mal nicht, dass du das der Union unterstellen willst.

Nö. Formal ist das ja korrekt. Es gibt eine Abstimmung, so wie sie in der Verfassung vorgesehen ist. So eine „Pseudo-Vertrauensfrage“ hat übrigens auch schon Gerd Schröder 2005 gestellt, weil er Neuwahlen wollte.

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Die Vorraussetzungen für diese “vernünftige” Politik ist eine funktionierende, stabile Regierung.
Wie im Podcast es ja völlig richtig gesagt wurde, sind die jeweiligen Lösungsansätze in der Ampel v.a. zwischen Grünen und FDP fundamental unterschiedlich.
Speziell auch beim Klimaschutz und der Rolle des Staates. Da haben Grüne und FDP eben zwei komplett unterschiedliche Denkweisen.

Das ehrlichste wäre gewesen, die Ampel schon vor einigen Monaten platzen zu lassen. Diese Konstellation funktioniert schlicht nicht.

Gibt es für Neuwahlen neben Tod und Rücktritt des Bundeskanzlers nicht nur noch 2 weitere Möglichkeiten?

Einmal die Vertrauensfrage nach Artikel 68 GG und das konstruktive Misstrauensvotum gemäß Artikel 67 GG.

Für die Vertrauensfrage müsste Scholz, alleine Scholz, einen Antrag im Bundestag stellen, dass das Parlament ihm das Vertrauen ausspricht. Dabei muss eine Mehrheit nach Artikel 121 GG zustande kommen, was die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages betrifft. Das kann er mit einer Sachfrage gemäß Artikel 81 Absatz 1 Satz 2 GG verbinden, wofür eine einfache Mehrheit gemäß Artikel 42 Absatz 2 GG ausreichen würde. Das kann dann zur Situation führen, dass es keine absolute Mehrheit mehr für Scholz gäbe, wonach die Vertrauensfrage dann gescheitert wäre, das Gesetz aber durchaus beschlossen werden könnte, da eine einfache Mehrheit genügen würde. Scheitert die Vertrauensfrage also, kann Scholz Steinmeier vorschlagen, den Bundestag binnen 21 Tagen aufzulösen und Neuwahlen auslösen. Das kann Steinmeier meines Wissens nach aber nur tun, wenn eine instabile politische Lage vorliegt, die stabile Mehrheiten für den Kanzler und damit für seine Bundesregierung unmöglich machen. Diese instabile Lage liegt aber nicht vor, wenn die Bundesregierung weiterhin fähig ist, Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zu verabschieden. Scheitert also die Vertrauensfrage, aber gleichzeitig gibt es eine einfache Mehrheit in der Sachfrage, dürfte der Bundespräsident wohl kaum den Bundestag auflösen können/dürfen, da die Bundesregierung ja beschlussfähig ist.

Binnen dieser 21 Tage könnte die Union natürlich ein konstruktives Misstrauensvotum nach Artikel 67 GG anstreben. Dafür bräuchte die Union aber eine absolute Mehrheit für Merz als Kanzlerkandidaten. Und selbst wenn die Union und die FDP geschlossen für Merz stimmen würden, bräuchten sie die Stimmen der AfD. Korrigiert mich gerne, aber nach dem Wahlergebnis von 2021 reichen die Stimmen der Union, FDP und AfD nicht für eine absolute Mehrheit für Merz. Und selbst dann müsste die Union die Stimmen der AfD ja auch akzeptieren, was ein weiterer Tabubruch wäre. Fraglich, ob die das tun würden…

Wobei letzteres ja keine Neuwahlen nach sich ziehen würde, sondern „nur“ Merz statt Scholz Kanzler wäre.

Gefühlt funktioniert es ja nie, sobald die FDP in der Regierung sitzt. Mit der Union unter Merkel hat es damals ja auch nicht geklappt und jetzt klappt es mit Grünen und SPD wieder nicht. Selbst Robin Alexander hat im Podcast Machtwechsel vor Monaten angemerkt, dass die FDP sich mal die Frage stellen sollte, mit wem sie in Zukunft überhaupt regieren will, wenn es mit der Union nicht klappt (siehe Ausscheiden aus dem BT 2013), Jamaika Koalition von CL gecancelt wird und auch jetzt die Ampel scheitert, weil der FDP Kompromisse schwerfallen. Und wenn sie an der Schuldenbremse so vehement festhält, dann würde es auch in der nächsten Koalition mit der Union schwierig werden, falls sie es wieder in den Bundestag schaffen.

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Die FDP hat keine Machtoption mehr. Die CDU wird mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit als Wahlsieger aus der nächsten Bundestagswahl hervorgehen. Dann gibt es zwei Optionen, entweder eine Koalition mit der SPD oder mit den Grünen. Auf die Grünen prügelt die Union derzeit dermaßen ein, dass diese sich entweder - unter Habeck - neu aufstellt und den Kurs der Union öffentlich vor der Wahl quasi unterstützen muss, oder ebenso wie die FDP in die Opposition schlittern wird.

Die FDP spielt aber in keiner Koalitionsrechnung mehr eine Rolle. Die FDP positioniert sich aktuell so, dass sie zumindest von ihren Kernwählern für ihre Prinzipientreue gewählt wird und nochmal in den Bundestag kommt, anstatt jetzt staatsmännisch nochmal schnell Kindergrundsicherung, Rentenpaket II und Aufhebung der Schuldenbremse durchzubringen und anschließend in der außerparlamentarischen Versenkung verschwindet.

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Sie werden nicht über 5% kommen.

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Das ist m. E. noch nicht ausgemacht, gerade wenn es ihr gelingt, die Angst vor Schwarz-Grün zu mobilisieren. Aber in der nächsten Bundesregierung wird die FDP mit ziemlicher Sicherheit keine Rolle spielen.

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Schwierig, wenn es dafür schon das BSW und die AfD gibt. Noch dazu ist die aktuell populäre Ablehnung gegen grün auch schwer zu vermitteln, wenn die FDP mit Grün gerade regiert hat. Aber klar, liegt in der Umsetzung der FDP, wie sie das für sich nutzen wollen würde…

Wird schwer für die FDP, aber sicher unter 5% sind sie definitiv nicht. Man darf nicht vergessen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Forderungen der FDP durchaus populär sind:
Schlankerer Staat
Steuersenkungen
Weniger Abgaben und Dokumentationspflichten für Unternehmen
Weniger Sozialstaat

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Nicht unbedingt, die drei Parteien sprechen ja durchaus unterschiedliche Wählergruppen an.

Genau deshalb hat die FDP sich ja in den letzten 1,5 bis 2 Jahren anstelle einer konstruktiven Zusammenarbeit darauf fokussiert, sich maximal von den Grünen abzugrenzen. Das Narrativ „wir wollten ja, aber mit denen ging es einfach nicht“ funktioniert also auch aus Sicht der FDP und ihrer Wähler.

Ja und die Ausrichtung ist doch ziemlich klar, oder?

Na ja, von „durchaus populär“ würde ich bei einer 3-5-Prozent-Partei nun nicht gerade reden.

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Ich glaube das „durchaus populär“ bezieht sich eher auf die 11,4 Prozent von der BT Wahl 2021.

Mag sein, aber welchen Sinn hat es, aktuell mit Zustimmungswerten vom Herbst 2021 zu argumentieren, erst recht bei Parteien, deren Werte danach kolossal abgerauscht sind?

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Bin ich voll bei dir, ist unrealistisch, diese Werte zu nehmen.

Dennoch ging es ja um „populäre Positionen“ und eben Potentiale. Und da finde ich durchaus, dass man die 11,4 Prozent nicht völlig ignorieren sollte.

Aber letztendlich ist das alles Spekulatius :cookie: :slight_smile:

Eben, ihr theoretisches Potenzial kann die FPD grad genauso wenig realisieren wie SPD oder Grüne.

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