LdN 396 Zweites Interview Julia Reuschenbach

Was mich bei dem Interview etwas traurig gemacht hat war folgender Absatz:

[Wir müssen] Worte, Gesten, Symbole finden, die positive Emotionen wecken in der Hoffnung, dass das A, die demokratische Mehrheit mobilisiert und B, ein paar dieser vielleicht unentschlossen frustrierten Wähler (…) wieder zurück holt.
(…)
Und das ist eben der Unterschied. Diese Zuversicht braucht Futter, die braucht Belastbarkeit. und das ist nicht die Erwartungshaltung in populistische Parteien.

Ich denke eigentlich auch, dass AfD und BSW nicht sehr stark sind, aber die Parteien aus der Mitte haben dem nichts belastbares entgegenzusetzen.

Die Lage hat ja das Buch „Baustellen der Nation“ rausgegeben. Ich traue keiner der klassischen Volksparteien zu, dass sie die dort beschriebenen Probleme lösen kann, oder gar die Probleme als solche anerkennt.

Außer den Grünen will sich eigentlich niemand in die Richtung bewegen.

We are doomed :frowning: ? (Erg. Mod)

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Das Interview fand ich leider extrem schwach auf beiden Seiten. Das ist umso enttäuschender, weil das Thema (welchen Einfluss haben die Medien auf Populismus?) eigentlich super wichtig ist.

Aber dann ging es die Hälfte der Zeit überhaupt nicht um die Medien, sondern wieder um die endlos durchgekaute Frage, was denn die Parteien machen sollen. Und die paar Male, wo die Verantwortung der Medien besprochen wurde, ist nicht mehr herausgekommen als eine Stilkritik einzelner Journalist*innen und dass Faktenchecks aber doch bitte gleich mitgeliefert werden sollen.

Es gab eine einzige Frage, inwiefern die Medienberichterstattung populistischer wird, und die hat Frau Reuschenbach mit dem schwächsten Argument aller Zeiten weggewischt („Ich kenne da keine Studien dazu“). Ich musste nur 3 Minuten googlen, um Studien zu genau dem Thema zu finden, und soviel Vorbereitung erwarte ich dann doch auch vom Lage-Team.

Auf systemische Probleme in der Medienlandschaft wurde überhaupt nicht eingegangen: Der kapitalistische Zwang, möglichst hohe Klichszahlen zu erzeugen, der Einfluss privater Eigentümer:innen von großen Medienkonzernen wie Axel Springer oder auch die problematischen Strukturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo eine Überhöhung von angeblicher Neutralität dazu führt, dass man der AfD eine Bühne bietet.

An einer Stelle erwähnt die Interviewpartnerin, dass man ja vor Journalist:innen spreche und deshalb doch nicht zu fies sein sollte. Ich weiß nicht, ob ähnliche Gedanken auch bei Philip und Ulf dazu geführt haben, Kritik zurückzuhalten. So oder so war das Ergebnis leider unterirdisch.

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Verallgemeinerndes Medienbashing halte ich auch für unangebracht.

Und Julia Reuschenbach war doch - zu meiner positiven Überraschung - analytischer als sie es in der Vergangenheit als Phoenix-Dauergästin war.

Was Medien anbelangt muss man differenziert betrachten, wer was wie macht. Die üblichen Verdächtigen der Springerpresse waren im letzten Jahrhundert auch nicht besser. Man denke an den üblen Kampagnenjournalismus zu Zeiten der 68er zurück. Gehetzt wurde also seit eh und je. Eine profunde, differenzierte Berichterstattung und Analyse gibt es genauso lange und bis in die heutige Zeit.

Was natürlich hinzugekommen ist, sind so genannte ‚Alternativmedien‘ und die Verbreitung von Hetze via Social Media.

Kurzum: Man kann sehr vieles gar nicht den traditionellen Medien anlasten.

Dass Qualitätssteigerungspotenziale bestehen, ist gleichwohl fraglos richtig.

Der Inhalt des Interviews hat leider nicht viele neue Erkenntnisse gebracht, was auch nicht umbedingt das Ziel gewesen ist.
Für mich waren die letzten 15 Minuten das entscheidene.

  1. Komplexe Herausforderungen (Klimawandel, Migration usw) bedürfen komplexer Antworten und können kaum vereinfacht werden
  2. komplexe Antworten können nicht mir Headlines, Twitter Texten oder 20 Sekunden Äußerungen sinnvoll erklärt werden.
  3. Bei komplexen Antworten müsste man über Emotionen kommen, was jedoch nicht wirklich möglich ist, da diese Themen immer mit wirtschaftlicher Abstiegsangst einher gehen. (Im Gegensatz zu den 1950 -1980).
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