LdN 355: Zinsen und Baukosten

Immer wieder (nicht nur in der Lage) werden die „hohen“ Zinsen als verantwortlich für die Baukosten dargestellt bzw. dafür, dass nicht mehr gebaut wird.

Das kann fachlich nicht korrekt sein: ja, die Zinsen sind jetzt deutlich höher als vor 2 Jahren. Da waren die Zinsen aber auch auf einem historischen Tief. Guckt man weiter in die Vergangenheit sind die Bauzinsen zwischen 3 und 5 Prozent (zusätzlich Tilgung zwischen 1 und 2 Prozent) normal.
Leider geht die Tabelle nur 15 Jahre zurück - ich bin mir aber sicher, mein Baukredit lag bei 4 Prozent.

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Das ist der Fluch der niedrigen Zinsen. Wie du richtig schreibst, sind die Bauzinsen und damit Baukosten in den 70,80,90,00 Jahren auf ähnlichen Niveau gewesen. Jedoch haben sich durch die niedrigen Zinsen, die Grundstückswerte stark erhöht. (Grundstückspreise 2023: Quadratmeterpreise & Preisindex)

Diese Entwicklung ist stark durch die niedrigen Zinsen bedingt. Nun sind diese hohen Grundstückswerte kaum noch rückgängig zu machen, weil die Besitzer der Grundstücke eher nicht verkaufen, als einen Verlust ein zu fahren.

Hinzu kommt dann auch noch der Zinseffekt. Wenn man in den 95 Jahren 180 000 € Kredit aufgenommen hat und 7% Zinsen zahlte, so muss man nun 600 000€ mit 7% Zinsen aufnehmen. Dabei haben wir in diesen 25 Jahren kaum Inflation gehabt.

Darum ist dieser Zinsschock so gravierend im Moment. Außerdem zeigt es vielen jungen Bürgern auch, dass ein Eigenheim niemals zu finanzieren ist. Das hat auch sein Gutes, wenn man überlegt, was für auf Kante genähte Kredite von den Banken ausgegeben worden sind.

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Ich glaube noch mehr als die hohen Zinsen, ist die Geschwindigkeit der Zinssteigerung für die aktuelle Bauflaute verantwortlich. Sonst könnten sich die Markteilnehmer langsam an die neuen Umstände anpassen, aber durch diesen Preisschock waren bereits geplante Projekte auf einmal nicht mehr wirtschaftlich und Entwickler werden nichtmal bereits gebaute Wohnungen los.
Auch die Mieten können nicht so kurzfristig angepasst werden, für Neubau werden je nach Lage und Ausstattung Kaltmieten von 18-25€/m^2 notwendig.

Gestiegene Preise dürften auch ein Grund sein.

Das stimmt nicht. Zwischen 1995-2021 gab es eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,5%.
Das bedeutet aber eine Preissteigerung um 50% (Stichwort Preisindex).
Über lange Zeiträume sind Zinsenzins Effekte deutlich spürbar.
Christian Stöcker als Lektüre ist empfehlenswert.

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1,5% ist kaum Inflation. Die Zentralbank hat als Zielwert 2-3% Inflation. Dieser Zielwert wurde über die Jahre nie erreicht.

Genau richtig nur 50%. 180.000€ zu 600.000€ sind aber Faktor 3 nicht Faktor 1,5.

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Genau: In den 90er- und 2000er-Jahren hat man als Faustformel mit einer Annuität (Zins + Tilgung) von +/- 7% gerechnet oder rückwärts gerechnet wie hoch der anfängliche Tilgungsanteil sein muss, damit man auf typische Laufzeiten von 30 Jahren kommt. Klassiker war anfänglicher Tilgungsanteil waren 1%, was bei 5-6% Zinsen zu den 30 Jahren Laufzeit führt.

Sind die Zinsen niedrig, muss der Tilgungsanteil an Anfang schon höher sein, da über die Laufzeit ja die Annuität (= Rate) gleich bleibt, der Zinsanteil immer weiter sinkt und der Tilgungsanteil immer größer wird. Bei 1,5% Zinsen und 1% anfängl. Tilgung kommt man sonst auf > 40 Jahre Laufzeit.

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Zur Unterstützung der These, hier die Baupreise für Einfamilienhäuser (immernoch der Klassiker).

Offensichtlich sind die Preise seit 2005 und besonders ab 2020 beispiellos angestiegen. Der Baupreisindex für Wohngebäude gibt zusätzlich Material- und Personalkosten an und gibt so einen guten Einblick auf die Ursachen des starken Anstiegs:

Anscheinend sind es vor allem die Materialkosten, die überproportional stiegen.

Auch die Grundstückspreise sind in beeindruckender Weise gestiegen. Nimmt man den durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 2005 als Referenz, dann sind die Grundstücke bis 2020 um fast 100 % teurer geworden.

Treiber hier dürfte vermutlich die schleppende Ausweisung von Bauland sein und die große Nachfrage nach Bauland in Folge der extrem niedrigen Zinsen seit der Finanzkrise.

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Wenn man den Anstieg der Kosten und den Anstieg der Preise vergleicht, besteht immer noch eine große Lücke. Ich vermute, dass dies die Gewinne der Bauwirtschaft sind, die einen erheblich Anteil an den Preissteigerungen haben dürften.

Geniale Auswertungen, danke! Destatis kannte ich nicht, sehr hilfreich um eigenes Empfinden gegen Fakten zu tauschen :slight_smile:

Ich bin noch auf andere Analysen zum Thema Baupreise gestossen die ich hier auch noch gerne einbringen möchte, leider konnte ich die Quelle (OECD Erschwinglichkeitsindex) nicht finden.

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Guter Bericht, geht er doch auch auf einen wesentlichen Punkt ein: Hauskauf bedeutete schon immer Verzicht an anderer Stelle (meist Urlaub) und das wollen viele Träumer heute nicht mehr.

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