Hallo,
von einem „Arbeitskräftemangel“ zu sprechen, der Geringqualifizierte einschließt, halte ich für falsch. Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind Geringqualifizierte. Das waren 2022 etwa 1,3 Millionen Menschen, aktuell dürften es noch einige mehr sein. Das übersteigt die Zahl der offenen Stellen für Geringqualifizierten bei Weitem, rein rechnerisch ist die Fachkräftelücke null. (Quelle „Fachkräftemangel trotz Arbeitslosigkeit – kein Widerspruch“: Fachkräftemangel trotz Arbeitslosigkeit – kein Widerspruch - Institut der deutschen Wirtschaft (IW))
Dass dennoch Stellen für Geringqualifizierte unbesetzt bleiben, dürfte somit an mangelnder Motivation bzw. Anstrengung auf beiden Seiten liegen, d.h. Arbeitgeber sind nicht attraktiv genug und Arbeitslose zu wenig motiviert. Dafür gibt es viele Gründe und Lösungen. Die Zahl der Geringqualifizierten zu erhöhen, ist aus volkswirtschaftlicher Sicht aber sicher keine Lösung. Wenn die Erwerbsquote bei Geringqualifizierten so niedrig bleibt wie sie ist, ist das im Durchschnitt und unter dem Strich mehr Bürde als Beitrag für die Nation. Bei der Erwerbsmigration sollte also bitte unbedingt auf Fachkräfte abgestellt werden und nicht auf Geringqualfizierte!
Eine Zuwanderung aus humanitären Gründen bleibt von dieser Argumentation unberührt. Es gilt jedoch zu Bedenken, dass Geflüchtete den Personalbedarf zunächst erhöhen und somit den Fachkräftemangel zumindest kurz- und mittelfristig verstärken. Auch Jahre nach der Einreise sind die Erwerbsquoten und der Fachkraft-Anteil deutlich unter dem Durchschnitt von Deutschen und anderen Ausländergruppen. Dafür habe ich leider spontan keine Quelle zur Hand, da gibt es aber bestimmt etwas von Herbert Brücker vom IAB.
Weiterhin sollten Geringqualifizierte selbstverständlich als Fachkräftepotenzial verstanden werden - unabhängig von der Herkunft. Allerdings erfordert dies mehr Anstrengungen auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes und bessere Anreize in den Sozialsystemen. In manchen Berufen ist diese Strategie vielversprechender als in anderen, bspw. bei Köch:innen oder Lagerarbeiter:innen. Näheres dazu in der Studie „Helfer:innen als Potenzial zur Fachkräftesicherung“: https://www.kofa.de/media/Publikationen/Studien/Helfer_als_Potenzial_zur_Fachkraeftesicherung.pdf.
Viele Grüße