LdN 349 - Bildung: Bezugspersonen in der Schule neu gedacht

Meine Frau arbeitet als Integrationshelferin in einer Grundschule. Sie ist als staatl. anerkannte Erzieherin auf dem Papier zwar völlig überqualifiziert, es bringt jedoch Spaß und es passt derzeit in unseren familiären Kontext.

Aus Gesprächen über ihre Arbeit, haben wir vor kurzem folgendes Gedankenmodell entwickelt:
Wie wäre es, wenn man die Erzieher:innenausbildung so sehr stärkt, dass neben der daraus folgenden Stärkung der Kitas und Krippen, das Modell der Klassenlehrer:in geändert werden könnte?
Wir haben uns dabei vorgestellt, dass es, an Stelle der Klassenlehrer:in, in Zukunft eine Klassenerzieher:in geben könnte. Diese wäre Bezugsperson für alle Kinder, pädagogische Ansprechpartner:in für Eltern/Erziehungsberechtigte und verbringt den ganzen Tag gemeinsam mit den Kindern. Die Fachlehrer:innen kommen in die Klasse und vermitteln ihre Inhalte und unterstützen bei der Erarbeitung und Übung des Gelernten.
Auf diese Weise entlastet man die Lehrer:innen von weiten Teilen der sog. „Elternarbeit“ und bringt im Pädagogischen deutlich besser geschultes Personal als Bezugspunkt zu den Kindern.
Es besteht die kleine Hoffnung, dass die Ausbildung der Lehrer:innen dadurch attraktiver und vor allem ihre Belastung im Berufsalltag gesenkt werden könnte.

Es ist uns vollkommen klar, dass der Flaschenhals in diesem Modell die Erzieher:innenausbildung ist. Man muss ja aber auch nicht von heute auf morgen mit allen Klassen in diesem Modell starten. Heute in die Ausbildung der Erzieher*innen investieren und in drei bis fünf Jahren mit den ersten Jahrgängen der Grundschulen beginnen.

Bildung ist die Grundlage des Erfolgs der Bundesrepublik der letzten Jahrzehnte. Das wurde auch im Podcast bereits erwähnt. Es ist also eine logische Konsequenz, dass ein Teil unserer Wohlstandssicherung die Investition in unsere Bildung sein sollte. Dabei sollten wir uns nicht auf das historische Modell des Frontalunterrichts in Form von 1:n beschränken, sondern neue Wege gehen und die sozialen Herausforderungen aller Kinder mit pädagogisch hoch qualifiziertem Personal angehen.

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Es gibt in Berlin Grundschulen, wo es Standard ist, dass neben der jeweiligen Lehrerin** immer auch eine Erzieherin beim Unterricht dabei ist. Das sind in der Regel dieselben, die auch nachmittags im Hort dabei sind. Die Erfahrungen mit dem Modell sind soweit ich weiß sehr gut.
Laut dem Bildungsforscher Aladin El-Mafaalani ist es generell eine Besonderheit in Deutschland, dass so wenige Menschen an Schulen arbeiten, die keine Lehrer:innen sind (also Erzieher:innen, Psycholog:innen, Therapeut:innen, Menschen aus der Berufspraxis in diversen Branchen etc.). Für die Diskussion über unser Schul- und Bildungssystem finde ich El-Mafaalani (der auch mal selbst Lehrer war) ohnehin extrem spannend. Definitiv auch ein potenzieller Gast für die Lage.
Er widerspricht übrigends auch der These, dass Bildung per se zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt. Vielmehr sei es oftmals gerade auch die Schule, die soziale Unterschiede noch vergrößere.
Hier mal ein längeres Interview mit ihm (es gibt auch noch einen zweiten Teil):

** = Männer sind hier mitgemeint :wink: